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Sarah Seekircher

(Sub-)Urbia und Überall. Reportagen, Hörspiele und andere Hauptsächlichkeiten.

1. 3. 2010 - 11:08

Hart(z)e Zeiten

Wer seine Arbeit verliert, ist in Österreich vergleichsweise arm dran. Das österreichische Arbeitslosengeld-System im Überblick.

Keine Arbeit - vom Leben ohne Job

Wer deutsches Privatfernsehen schaut, bekommt in zahlreichen Reality-Shows jeden Tag vorgeführt, was es bedeutet, Hartz IV-Empfänger zu sein. Man kann sich die Schulbücher für seine Kinder kaum leisten, ernährt sich von Aldi-Dosensuppen, und Kino oder Urlaub sind sowieso unleistbar. Wenn einem nur 360 Euro im Monat zur Verfügung stehen, ist das nicht weiter verwunderlich. Die deutsche Arbeitsmarktreform Hartz IV wird vielfach kritisiert, weil sie aus Leuten, die ihren Job verlieren, relativ schnell verarmte Menschen macht.

Wenig

Österreich mag von Hartz IV noch weit entfernt sein, in manchen Punkten ist das österreichische Arbeitslosengeld-System aber sogar schlechter als die deutschen Hartz-Regelungen. Wer in Österreich seine Arbeit verliert, bekommt unmittelbar nach dem Jobverlust weniger Arbeitslosengeld als in Deutschland. Denn in Deutschland beträgt das Arbeitslosengeld 65 Prozent des vorher verdienten Nettolohns, in Österreich sind es nur 55 Prozent.

Warum in Österreich die Netto-Ersatzrate so niedrig ist, erklärt Alois Oberhauser, Leiter des AMS Währing in Wien, so: In Österreich herrsche die Meinung vor, je mehr man den Arbeitslosen zahlt, desto weniger bemühen sie sich um einen neuen Job.

Auch Gernot Mitter von der Arbeiterkammer ortet einen "Geist des Misstrauens" im österreichischen Arbeitslosengesetz. Jeder Arbeitslose werde als potentieller Sozialschmarotzer betrachtet. Ein Beispiel: Für Studenten, die neben dem Studium arbeiten und dann ihren Job verlieren, ist es sehr schwierig, Arbeitslosengeld zu beantragen. Und das, obwohl sie Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt haben.

Weniger

Wer in Österreich Arbeitslosengeld bekommt, nimmt es in der Regel 20 Wochen lang in Anspruch. Danach kann man Notstandshilfe beantragen, die 95 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes ausmacht. Das wiederum ist relativ viel im internationalen Vergleich. Wer in Österreich länger arbeitslos bleibt, für den ändert sich bei der Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe wenig, während Langzeitarbeitslose in Deutschland ins "finanzielle Nirvana" (Gernot Mitter) fallen. Denn das deutsche Äquivalent zur österreichischen Notstandshilfe, das sogenannte "Arbeitslosengeld II", beträgt in Deutschland nur 360 Euro im Monat.

Am wenigsten

Immer mehr Menschen in Österreich haben jedoch gar keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe, weil sie keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge zahlen. Die 2009 eingeführte Arbeitslosenversicherung für Selbstständige bzw. prekär Beschäftigte, das sogenannte "Opting-in-Modell", hat wenig geändert: Denn für viele prekär Beschäftigte sind die erforderlichen 70 Euro Arbeitslosenversicherungsbeitrag pro Monat zu viel.

Für Menschen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, bleibt die Sozialhilfe. Ab September 2010 soll die sogenannte bedarfsorientierte Mindetsicherung, die schon seit Jahren in der Warteschleife ist, die Sozialhilfe ersetzen.

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