Erstellt am: 1. 3. 2010 - 17:07 Uhr
Kritik am AMS
Keine Arbeit - vom Leben ohne Job
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"Wenn jemand Arbeitslosengeld bezieht, gib es dafür drei Voraussetzungen, die da lauten: Arbeitslos. Arbeitsfähig. Arbeitswillig." Erklärt Hans-Paul Nosko, Sprecher der Wiener Landesgeschäftsstelle des AMS.
Vor allem das letzte Kriterium, die Arbeitswillligkeit, führt aber auch zu einiger Kritik: Laut AMS-KritikerInnen ermöglicht dieser Passus, dass Zwangsmaßnahmen - etwa in Form von "sinnlosen Kursen" verordnet werden. Oder, dass Arbeitslose in Beschäftigungen gedrängt werden, bei denen sie schlechter verdienen als mit dem Arbeitslosengeld selbst.
Zunehmend schließen sich Menschen, die sich von solchen Misständen betroffen fühlen, zu Vereinigungen zusammen, sie sammeln Fälle und Informationen und bieten Rechtshilfe an.
Schulungen sinnlos?
"Diese Kurse, in die Arbeitslose oft vermittelt werden, die sind ziemlich in Verruf gekommen, weil sie oft so sinnlos sind", meint Maria Hintersteiner von AMSand. "Da werden Leute in Branchen qualifiziert, in denen sie eigentlich schon Experten sind."
Ähnlich sieht das Gerhard Eicher, der die Webseite Anti-AMS.net betreibt. Ihm ist vor allem das Bewerbungstraining ein Dorn im Auge: "Solche Kurse hätte man vielleicht vor zwanzig Jahren gebraucht. Aber heute weiß ein jedes Schulkind, wenn ich einen Lebenslauf brauche, der professionell aussieht, dann lade ich mir die Vorlagen aus dem Internet herunter und ersetze nur die Daten."
AMS / Petra Spiola
Der Sprecher des Arbeitsmarktservice, Hans-Paul Nosko, entgegnet dem, dass nicht jeder oder jede vom AMS zum Bewerbungstraining geschickt werde. Aber: "Das AMS hat die Aufgabe, Arbeitssuchende in Beschäftigung zu bringen, und sofern das nicht möglich ist, stellen wir fest, warum das nicht möglich ist. Und wenn bei jemandem ein Nachschulungsbedarf erkannt wird, wird der oder die Betreffende in eine Schulung geschickt."
Auch den Vorwurf, dass diese Kurse vor allem dazu da sind, um die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen, will Hans-Paul Nosko nicht so stehen lassen: "Ich schicke jeden Monatsbeginn über die APA eine Meldung hinausgehen, wo sowohl die eine als auch die andere Zahl drinnen steht. Die Journalisten zählen sie zusammen, und ich finde das durchaus legitim."
Lohndumping?
Einer der Hauptkritikpunkte von AMSand ist außerdem, dass die Zumutbarkeitsgrenzen teilweise so gestaltet seien, dass das AMS zur Annahme von Jobs zwingen kann, die das finanzielle Auskommen kaum möglich machen. Denn die Zumutbarkeitsgrenzen orientieren sich zwar an den Kollektivverträgen, sagen aber nichts über das Ausmaß der Beschäftigung. Und, so meint Maria Hintersteiner, es werde eben hauptsächlich Teilzeitbeschäftigung vermittelt: "Am Arbeitsmarkt, jedenfalls über die AMS-Seite gibt es fast keine inserierten Vollzeitbeschäftigungen. Sondern es handelt sich eben hauptsächlich um Teilzeitbeschäftigungen mit sehr geringem Lohn." Wenn diese den Zumutbarkeitskriterien entsprechen, dann muss man diese aber annehmen.
Hans-Paul Nosko dazu: "In den ersten 120 Tagen der Arbeitslosigkeit gilt der 'Berufsschutz', da wird für jemanden innerhalb seiner Fertigkeiten eine Beschäftigung gesucht. Wenn es aber eine Beschäftigung gibt, die nicht genau in dem Bereich liegt, dann greift der 'Entgeltschutz', das heißt diejenige Person darf in ihrem neuen Beruf nicht weniger als 80 Prozent des Letztverdienst verdienen."
Wobei das, wenn die Person ohnehin schon aus einer weniger gut bezahlten Branche kommt, doch relativ schnell den Abstieg in ein Niedriglohnsegment bedeuten kann. Und bei einer Teilzeitbeschäftigung zu nur 80 Prozent des vorangegangen Lohns, kann das schon mal weniger sein, als vorher das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe war.
Datenschutz?
Auch, dass das AMS angeblich Zugriff auf verschiedenste Daten seiner Kundinnen und Kunden hätte, regt die AMS-KritikerInnen auf.
AMS-Sprecher Hans-Paul Nosko sagt dazu: "Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger meldet dem AMS die Versichertenzeiten unserer Kundinnen und Kunden." Ansonsten hätte das AMS keinerlei Zugriff auf Datenbanken, weder bezüglich Finanz noch Gesundheit seiner KlientInnen
Maria Hintersteiner von AMSand glaubt allerdings, dass das AMS mehr Zugriff auf Daten besitzt: "Auf die Daten der Pensionsversicherung, zum Teil auch offiziell. Wir vermuten, dass der Datenaustausch auch in größerem Ausmaß geschieht, also dass Gutachten eins zu eins dem AMS übermittelt werden." Denn über Arbeitsfähigkeit etc. würden sich AMS und Pensionsversicherungsanstalt austauschen. Der Austausch von Gutachten, inklusive Anamnese und Krankengeschichte würde aber der ärztlichen Schweigepflicht widersprechen. Vom AMS heißt es dazu "Die gesundheitlichen Daten, die wir von Arbeitssuchenden haben, bestehen zum allergrößten Teil aus den Daten, die uns die Arbeitssuchenden selber sagen." Wenn zum Beispiel eine teilweise Arbeitsunfähigkeit für gewisse Berufe, wie zum Beispiel solche, die mit großer körperlicher Belastung verbunden sind, besteht.
Disziplinierung?
Bei AMSand wird außerdem angenommen, dass Menschen zu ärztlichen Untersuchungen geschickt werden, um sie zu disziplinieren: "Aus dieser Hilflosigkeit dem Arbeitsmarkt gegenüber, der nicht mehr in ausreichendem Maße Arbeitsplätze hergibt, wird dann eine Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Bertreffenden konstruiert." sagt Maria Hintersteiner. "Da heißt es dann: 'Da die bisherigen Vermittlungsversuche erfolglos geblieben sind, werden sie zur psychologischen Untersuchung geschickt.'"
Ein Umstand, der vom AMS vehement abgestritten wird: "Das Arbeitsmarktservice schickt niemandem zu einem psychiatrischen Gutachten, auch nicht, wenn jemand bei einem Vorstellungsgespräch nicht so agiert, wie man es sich vielleicht vorstellen könnte." Aber: "Wenn Leute eine zumutbare Beschäftigung nicht annehmen, dann kann ihnen das Arbeitslosengeld gesperrt werden: Beim ersten Mal für sechs Wochen und dann für acht Wochen"
Auch das sorgt beim AMSand und Anti-AMS für Unmut. Denn, meint Maria Hintersteiner, dies geschehe rein auf die Rückmeldung der ArbeitgeberInnen hin, und ohne dass das objektiv überprüft werde: "Das ist doch Ungleichbehandlung. Man stelle sich vor, einer dieser Baumogule oder Unternehmer oder gar ein Politiker steht unter Verdacht, Steuern unterschlagen zu haben oder korrupt zu sein, und man kassiert sofort sein Vermögen und friert die Konten ein. Das wäre in Österreich undenkbar. Aber mit den Armen und den Arbeitslosen kann man es machen, weil die sich nicht wehren können. Die können sich in den meisten Fällen nicht einmal einen Anwalt leisten."
Und Gerhard Eicher meint in diesem Zusammenhang: "Wem gehört denn das Geld? Das hat eigentlich der Arbeitslose seinerzeit mit der Arbeitslosenversicherung einbezahlt. Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung und kein Almosen!"
FM4 Spezialtag: Keine Arbeit: Vom Leben ohne Job
Wenn am 1. März die Arbeitslosenzahlen für Februar veröffentlicht werden, nimmt FM4 diesen Stichtag zum Anlass, sich genauer mit der Thematik Arbeitslosigkeit auseinanderzusetzen. Mehr zum Thema gibt es heute, 1. März 2010, in Connected (15-19) der Homebase (19-22) zu hören. Das genaue Programm gibt es hier.