Erstellt am: 23. 10. 2009 - 11:07 Uhr
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In einer Krise sind derzeit eigentlich alle. Die Wirtschaft, das Klima, die 20-29-Jährigen und die Medien sowieso. Das hat auch das heurige Elevate-Festival erkannt und widmet den Krisen unserer Zeit insgesamt fünf Tage lang Workshops und Vorträge, um für die eine oder andere kritische Situation auch Lösungsansätze zu bieten.
elevate.at
Zitat von der Elevate-Website:
"In seinem Bericht 'Message Machine: Behind TV Analysts, Pentagon's Hidden Hand' deckte Barstow auf, dass einige pensionierte Generäle, die als Radio- und TV-Analysten eingesetzt wurden, vom Pentagon ausgewählt worden waren, um Propaganda für den Irak-Krieg zu machen. Dass dieselben Generäle laut Barstows Recherchen teilweise auch im Vorstand von im Krieg tütigen Rüstungskonzernen saßen, lässt die Brisanz seiner Nachforschungen erahnen."
Heute waren also die Medien dran. Und wie es sich für ein ordentliches Festival gehört, gibt es auch einen Stargast. Der heißt David Barstow, ist Reporter bei der New York Times und hat heuer den Pulitzerpreis für investigativen Journalismus gewonnen.
"Wir zahlen nicht"
Dass die New York Times erst vorgestern 100 Redakteure rausgeschmissen hat, wird ihn zwar nicht betreffen, Sorgen macht er sich trotzdem. Auch um das eigene Blatt. Dass viele Menschen die NYT lesen, freut ihn zwar, das Problem ist aber: Immer mehr tun das online. Die Printausgabe, deren Brennwert die eine oder andere Zeitung hierzulande erfreuen würde, kaufen nicht mehr genug Menschen. Als Barstow eine Gruppe von Princeton-Studenten fragte, ob sie denn auch online für die Inhalte zahlen würden, erntete er großes Erstaunen.
Ein Medium, das für seine Online-Inhalte Geld verlangt, vergrault seine Leser. Aber auch die Werbeeinnahmen hinken weit hinter den Prognosen zurück. (Die NYT macht etwa 12-14 Prozent ihres Umsatzes mit Online-Werbung) Welches Alternativ-Modell könnte die Produktion solcher Inhalte also finanzieren?
Dieser Frage widmete sich der kleine, aber umso feinere Workshop "Community Funded Journalism" - geleitet von Unternehmensberater, Netzexperte und "niederschwellige Medienpartizipation"-Kenner David Röthler.
"Ich hätte da eine Idee...
Das Konzept ist einfach: Menschen bieten Inhalte an, Leute zahlen dafür. Da das aber bekanntlich gar nicht funktionieren will, haben sich ein paar besondere Finanzierungsmethoden entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die Website spot.us. Dort ist ein interessantes Wechselspiel von Angebot und Nachfrage entstanden: Freie Journalisten oder Semi-Profis bieten eine Geschichte an. Sie skizzieren so in etwa, wie das ganze am Ende ausschauen soll. Dann beschreiben sie, wieviel Geld für die Recherche benötigt wird. Und die User können dann dafür spenden, dass dieser Artikel auch wirklich geschrieben wird. Wenn übrigens nicht genug Geld zusammen kommt, gehen die bisherigen Spenden an die News-hungrigen Gönner zurück.
http://www.flickr.com/photos/aaronjacobs/
Das relativ erfolgreiche Projekt profitiert von einer anderen Krise, nämlich der der Lokalmedien in den USA. Falls eine Lokalzeitung überhaupt überlebt, wird sie zur Inseratenschleuder mit PR-finanziertem redaktionellen Teil. Investigativer Journalismus ist im lokalen Bereich kaum vorhanden. Hier setzten spot.us an. Und da es kaum noch andere Medien im kleinsten urbanen Raum gibt, ist auch die Gefahr nicht so groß, dass "herkömmliche" Journalisten auf die Website gehen und die Story-Idee einfach klauen. Wird ein durch spot.us finanzierter Artikel übrigens von einer "echten" Zeitung gekauft, geht das Geld ebenfalls an die Spender zurück.
Elevate auf FM4
- Musik-Empfehlungen
- Diskussionen und Vorträge: Überblick von Maria Motter
- Bass Wars: Natalie Brunner über Steve Goodman alias Kode 9
- Party mit Minimalismus. Review: Ritornell feat. Mimu, weltbewegend Micachu and the Shapes, Olaf Bender, Microthol
- Community Funded Journalism: Roli Gratzer über den Workshop mit David Röthler
23. Oktober 2009: La Boum de Luxe (21.30-6) live aus Graz vom Elevate
Dass ein solches Konzept auch in Europa einwandfrei funktionieren würde, bezweifelt Röthler allerdings. Er bezieht seinen Zweifel auf die größere "Spende-Bereitschaft" im angloamerikanischen Raum.
"Das gefällt, das ist was wert"
Eine andere Idee appelliert an eine auch hierzulande nicht zu unterschätzende Attitüde: Das soziale Kapital. Kachingle heißt die Website und soll Anfang Oktober starten. Funktionieren tut das ganze so: User zahlen z.B. fünf Dollar pro Monat und geben an, welche Websites und Blogs damit finanziell unterstützt werden sollen. Kachingle überweist dieses Geld dann (mit einem noch nicht bekannten Abzug bzgl. Verwaltungsgebühr) an die unterstützten Schreiberlinge. Doch was hat der User davon? Durch einfachst einzurichtende Schnittstellen steht dann am Facebook-Profil zum Beispiel: "Person XY unterstützt den Blog von YZ". Die Betreiber von Kachingle hoffen, dass das dadurch generierte soziale Kapital ("Schau! Der is cool! Der gibt Geld für lässige Blogs aus!") viele Kleinstspender anlocken könnte. Die Content-Produzenten wiederum haben neben einem (wahrscheinlich kleinen) finanziellen Beitrag auch das Gütesiegel, dass Leute tatsächlich Geld dafür ausgeben, dass sie weiter publizieren.
Und dann kam google...
All diese Microfunding-Ideen stecken noch in den relevanz-bezüglichen Kinderschuhen. Ein Meilenstein könnte ausgerechnet vom Intimfeind aller nicht kostenfreien Medien-Angebote im Internet kommen: nämlich google.
Dass Google angekündigt hat, mit dem Bezahlsystem checkout auch Microfunding-ähnliche Strukturen zu schaffen, freut sogar die Newspaper Association of America. Und das ist in Zeiten wie diesen ja irgendwie auch schön.
Wobei: Wenn google erst einmal auf eine Idee einsteigt und eine eigene Variante entwickelt, könnten die anderen Anbieter im Nirwana-Cache sein, bevor sie überhaupt einen Wikipedia-Artikel haben.