Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Musikempfehlungen aus dem Elfenbeinturm"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

14. 10. 2009 - 11:45

Musikempfehlungen aus dem Elfenbeinturm

Sachte schleicht das Elevate Festival in die steirische Hauptstadt. Von 21. bis 26. Oktober erfreut uns Graz mit Beats diversester Kajüte, Theorie und Techno, Diskussion und Dubstep.

Elevate 2009

Logo des Elevate Festivals: Der Grazer Uhrturm

Elevate Festival

  • Festival für zeitgenössische Musik, Kunst und politischen Diskurs (21.10. bis 26.10.2009)
  • 2009.elevate.at

Graz hat die angenehme Eigenschaft, eine Stadt zu sein, in der gut ausgedachte Festivals für elektronische Musik - im weitesten Sinne - stattfinden. Das weiß man nicht nur dank des Spring-Festivals. Das Elevate Festival hat sich als Losung "Festival für zeitgenössische Musik, Kunst und politischen Diskurs" in den Untertitel geschrieben, und so gibt's neben der der Feierlaune zuarbeitenden allmächtigen Bassdrum dieses Jahr freilich wieder ein üppiges Aufgebot an Diskussionen und Gastrednerinnen.

Auf diesen Aspekt des Programms ist schon an anderer Stelle eingegangen worden, auf ihn wird noch an anderen Stellen ausführlicher eingegangen werden, hier aber ist, man ahnt es schon, Musikbaustelle: Damit einem nächste Woche im prallen Angebot zwischen lokalen und internationalen Live-Acts und Plattendrehern, zwischen Techno und House, Dubstep, historisch knisternder Elektronik und Noise, zwischen Clara Moto, Cluster und Omar S. vor lauter Reizüberflutung nicht komplett schwindlig wird, hier, an dieser Stelle, ein, zwei, drei privat aus dem Kuchen, der das Elevate ist, geschälte Spezialempfehlungen. Nicht, dass es nachher dann wieder heißt "ja, ja, ja, doch wir haben von all dem noch gar nichts gewusst."

micachu and the shapes

micachu

Micachu & the Shapes

Micachu & the Shapes

Eine kleine Sensation, das kann man ohne Übertreibungsschweiß ruhig so sagen, gilt es gleich am Eröffnungsabend, dem Mittwoch, zu erleben. Es ereignet sich ja sonst tendenziell nach der Art, dass kleine, kleine Bands, die hier wie dort kaum einer kennt, die in ihrer Heimat aber schon ganz heiße Presse und eigentlich überhaupt ziemlich viel Blog Love weltweit bekommen, mit dem Tourbus eher um Österreich herumgondeln als durchfahren. Oder durchfahren. Micachu & the Shapes aus London haben mit ihrer Platte "Jewellery" eines der aufgekratzesten, durchgerocktesten und, ja, besten Alben des Jahres aufgenommen. Selbstgebastelte Instrumente, Lo-Fi-Gitarrengeschrubbe und die Liebe zum HipHop, Staubsaugersauggeräusche, geile Beats aus der Rumpelkammer und die Produktion - die hat der Wizard aller Disziplinen, Matthew Herbert, besorgt: Bei der Combo um Chefin Mica Levi kommt zusammen, was glücklicherweise nie zusammengehört hat. Micachu & the Shapes, file under: Twee-Dubstep, Niedlichkeits-Noise, Schrammel-Hop. Not to be missed.

bodycode

bodycode

Bodycode

Am Freitag hat sich der von FM4 präsentierte Hauptfloor im Dom im Berg das englische Label Hyperdub zur Abendgestaltung herangezogen: Chef Kode9, King Midas Sound (Kevin Martin of The-Bug-Fame plus Spoken-Word-Impressario Roger Robinson) und Kollegen wissen wo der Dubstep herkommt und wo er hingeht. Dazu demnächst mehr von Natalie Brunner.

Elevate auf FM4

23. Oktober 2009: La Boum de Luxe (21.30-6) live aus Graz vom Elevate

Der gebürtige Südafrikaner, mittlerweile, klar, Berliner, Alan Abrahams hat unter dem Namen Portable schon einige sehr feine Platten für ebenso feine Labels wie beispielsweise scape, Berlin, produziert, mit seinem Alter Ego Bodycode zielt er verstärkt auf den Dancefloor. Auf seinem vor gut vier Monaten erschienenen Album "Immune" verbindet er mikroskopisch zerschnipselten House mit polyrhytmischem Percussion-Geklapper, sonstigem Geschepper und Gesangsfetzen. Im Tech/House-Bereich gilt auch für "Immune": eines der besten Alben des Jahres.

seefeel

Stefan De Batselier

Seefeel

Am Sonntag darf man sich Legenden, ohne Anführungszeichen, zu Gemüte führen: Der elektronische, ambient-zugetane Seitenarm von Krautrock manifestiert sich in einer leibhaftigen Erscheinung der alten Meister von Cluster, und die englische, längst verschütt geglaubte Gruppe Seefeel kehrt zurück aus der Versenkung: Da wo sich Warp-Elektronik und Shoegazing-Gitarrenrauschen im Nebel treffen, da werden wir sie finden.

Alle Empfehlungen sind als unbedingte Aufforderung zur Anwesenheit zu verstehen. Nicht, dass es nachher dann wieder heißt, wir hätten unser exquisites Geheimwissen nicht mit allen Music Lovers da draußen geteilt.