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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 12. 2016 - 14:54

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 07-12-16.

Was sich nach einem Jahr #bpw16 ändern wird: Österreich macht sich bereit für einen neuen Korneuburger Eid.

#demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Siehe auch #daily Blumenau, Monday Edition, 23-05-16: Ja, wir wollen das! Österreich und ein Fingerzeig auf eine autoritär geprägte Zukunft..

#BPW16 - Alles zur Präsidentschaftswahl auf fm4.ORF.at

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Es ist jetzt also nicht mehr so schlimm mit der Spaltung der Gesellschaft.
Zum einen, weil Van der Bellen bessere Prozent-Werte hatte als Körner, Schärf, Jonas, Kirchschläger und Fischer bei ihren BP-Wahlen. Und weil es in einer ja/nein-, A-oder-B-Entscheidung ohne Polarisierung ja gar nicht abgehen kann, sich aber die wirklich relevanten Wahlentscheidungen (zumindest in Österreich) dann eh wieder im Verhältniswahlrecht einpendeln werden.
Und überhaupt: der globale Vormarsch der Rechtsaußen-Demagogen wurde am Sonntag in Wien gestoppt - so wie 1529 und 1683 schon zweimal wilde Horden aufgehalten wurden.

Nur unverbesserliche Schwarzseher meinen noch, es wäre egal, ob es jetzt 49einhalb oder dann doch nur 46% der Wahlbeteiligten oder doch deutlich über 2 Millionen Menschen waren, und dass es furchtbar wäre, wenn "fast die Hälfte der wahlwilligen Bevölkerung dazu bereit ist, einen Rechtsextremen zu wählen".
Denn diese Aussage ist diskutabel. Nicht nur weil Norbert Hofer das gestern in Abrede gestellt hat: "Wir sind keine rechtsextreme Partei. Es gibt keine rechts- und auch keine linksextreme Partei im österreichischen Parlament. Die FPÖ ist in Sicherheitsfragen rechts, in Wirtschaftsfragen liberal und in Sozialfragen auch links."

Das stimmt: Rechts ist nicht gleich rechtsradikal ist nicht gleich rechtsextrem. Rechtsextrem sind zb die Identitären und vergleichbare Demokratie/Österreich-Verächter. Die aktuelle FPÖ steht (in größten Teilen) innerhalb des Verfassungsbogens und nimmt sich die Freiheit Problemfelder radikal anzugehen, denkt und handelt also in entscheidenden Bereichen rechtsradikal. Daran (an Radikalität) ist an sich nichts Ehrenrühriges.

2

Die entscheidenden Umbrüche dieses Jahres haben sich - auch losgelöst von europäischen und globalen Tendenzen - ohnehin anderswo abgespielt. Jenseits von berechtigten oder unberechtigten Ängsten, jenseits des verlogenen Diktums vom Ernstnehmen der Sorgen und von der auf die lange Bank geschobenen Dringlichkeit, mit der man die Menschen abholen sollte.

Das ist der Korneuburger Eid aus dem Jahr 1930:

"Wir wollen Österreich von Grund aus erneuern!
Wir wollen den Volksstaat des Heimatschutzes.
Wir fordern von jedem Kameraden den unverzagten Glauben ans Vaterland, den rastlosen Eifer der Mitarbeit und die leidenschaftliche Liebe zur Heimat.

Wir wollen nach der Macht im Staate greifen und zum Wohl des gesamten Volkes Staat und Wirtschaft neu ordnen.

Wir müssen den eigenen Vorteil vergessen, müssen alle Bindungen und Forderungen der Parteien unserem Kampfziele unbedingt unterordnen, da wir der Gemeinschaft des deutschen Volkes dienen wollen!
Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat!

Wir wollen an seine Stelle die Selbstverwaltung der Stände setzen und eine starke Staatsführung, die nicht aus Parteien-Vertretern, sondern aus den führenden Personen der großen Stände und aus den fähigsten und den bewährtesten Männern unserer Volksbewegung gebildet wird.

Wir kämpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassenkampf und liberal-kapitalistische Wirtschaftsgestaltung.

Wir wollen auf berufsständischer Grundlage die Selbstverwaltung der Wirtschaft verwirklichen. Wir werden den Klassenkampf überwinden, die soziale Würde und Gerechtigkeit herstellen. Wir wollen durch eine bodenstarke und gemeinnützige Wirtschaft den Wohlstand unseres Volkes heben.

Der Staat ist die Verkörperung des Volksganzen, seine Macht und Führung wacht darüber, dass die Stände den Notwendigkeiten der Volksgemeinschaft eingeordnet bleiben.

Jeder Kamerad fühle und bekenne sich als Träger der neuen deutschen Staatsgesinnung, er sei bereit Gut und Blut einzusetzen, er kenne drei Gewalten: den Gottglauben, seinen eigenen harten Willen und das Wort seiner Führer".

Die Veränderungen haben sich innerhalb einer in großen Teilen kollektiv depressiven, nicht mehr abholbaren Gesellschaft abgespielt, die ihre Ängste gar nicht verlieren will, weil es genau die Angst ist, die in bloßer Selbstbestätigung überleben will, und durch die ständige Affirmation des Ernstnehmens der Sorgen, ihre Irrationalität potenziert hat.

Diese Veränderungen äußern sich in vielerlei Hinsicht. Angst vor Fremdem und Neuem, Angst vorm Angehängtwerden, vor der Überlegenheit von bildungsnahen Eliten führt zu Xenophobie und Barbarei, Isolationslust und Panikstörungen und jeder Menge sozialer Phobien, deren Diagnose eindeutig ist.

Die wesentlichste Veränderung liegt aber an einer Schuldzuschreibung, die sich nicht mehr nur auf bestimmte Personen-Gruppen oder die übliche-verdächtigen Sündenböcke beschränkt, sondern das System an sich als Ursache allen Übels ausmacht: die Demokratie.

3

Die Demokratie madigmachen, totreden, abwerten.

Das vollzieht sich einerseits (siehe Wahlkampf, zb bei der moralischen Entwertung von Wahlen) in aller Öffentlichkeit, aber auch subkutan, fast unter der Wahrnehmungsgrenze, schleichend.
Etwa in Gestalt von zunehmenden Umdeutungen. Die jetzt schon legendäre Frau aus dem Report-Beitrag vom 29.11., die die österreichische Demokratie leugnet (Beitrag Wahlkampffinale, ab 5:00) und sich andere Modelle ("Russland hat a bessere Demokratie als wir") herbeiwünscht, zeigt wie weit sich das Sickergift in die Mitte der Gesellschaft geflossen ist. Putin und Erdogan, Orban und die dubios-politische Trump-Persona, sind Idealbilder für eine andere Herangehensweise, ein Hybrid aus illiberalem Autoritarismus und durch Volkstribunen organisierter Herrschaft mittels permanente Umfragen, in der die Mehrheit immer recht hat und jede Minderheit erst dann Bedarf anmelden darf, wenn die autochthone Bevölkerung zufriedengestellt ist. Was angesichts der erwähnten Angststörungen aber niemals der Fall sein wird/kann.

Dieses Krankheitsbild, diese Stimmungslage greifen Rechts-Demagogen europa- und weltweit ab, weil sie die entsprechenden Heilsversprechen setzen können, und sich in einer postdemokratischen Welt besser zurechtfinden. In Österreich ist es das Auffangbecken FPÖ mit seinen Vorfeldgruppierungen und publizistischen Plattformen. Aber nicht erst seit der Hofer-Campaign, oder seit Strache oder seit Haider - all das begann bereits mit der Parteigründung unter den Seyß-Inquart-Minister Anton Reinthaller - "a party founded by former Nazis", wie die "USA Today" heute lapidar schreibt.

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Wobei: das führt schon auf die falsche Spur. Denn bis auf eine einstellige Minderheit will niemand einen Rücksturz ins Gräuel-Zeitalter der alten Nazis. Angesichts der Geschichte der 1. Republik ist das auch gar nicht nötig. Es ist die Allianz der Nationalen und Konservativen, die gemeinsam immer schon die Mehrheit hatten in Österreich, und die erodierende Bedeutung demokratischer Strukturen, die sich - aus allen Richtungen kommend - ins Denken dieser Mehrheit einschleicht.

Und weil man an bereits Bestehendes andocken kann, ist die Zerschlagung der Demokratie näher als man meinen mag. Der nebenstehende Text des Korneuburger Eids von 1930, der dem diktatorischen Ständestaat von 1933 und den Austrofaschismus den Weg bereitete und unter anderem von Julius Raab, damals CD, später ÖVP, geschworen wurde, könnte aktueller nicht sein; es müssen nur einige überkommene Begriffe (wie der der "Stände") durch andere ersetzt werden. Vaterland und nationale Autonomie, Volkswohl entgegen dem eigenen Vorteil, Anti-Kapitalismus, Ende der Parteien und Aufstieg der Bewegungen, Abkehr vom westlichen Parlamentarismus und vor allem die grundlegende Erneuerung eines kaputten Systems. Und das alles deutsch, gottesfürchtig und führertreu.
Wie gesagt, wenn man Pathos und historische Bezüge wegstaubt, bleibt eine heute bereits weit verbreitete Sicht über. Felix Baumgartner und die Dame aus dem Report sind dabei. Und die Zahl jener, die sich das zumindest einmal ansehen würden (Stichwort: gesenkte Hemmschwellen), hat sich 2016 wohl in etwa verdoppelt.
Ein neuer Korneuburger Eid ist nur eine Frage der Zeit.