Erstellt am: 21. 8. 2016 - 02:01 Uhr
Manchmal rockt es, manchmal spritzt es
FM4 Festivalradio
Beim FM4 Frequency 2016 in St. Pölten.
Musik
Donnerstag: So wars mit Miike Snow, Bilderbuch, Deichkind und Co: Soul und Partyhupe. Alle Fotos von den Bands
Freitag: So wars mit Foals, The Last Shadow Puppets, The Fat White Family: Was ist Rock?. Alle Fotos von den Bands
Samstag: So wars mit The Kills, Bloc Party, Massive Attack: Manchmal rockt es, manchmal spritzt es. Alle Fotos von den Bands
Die langen Nächte des FM4 Frequency
Mitschnitte der besten Konzerte gibt es ab Montag, 22.8. immer Nachts auf FM4 zu hören.
Letzte Worte - so wars tatsächlich: Donnerstag | Freitag | Samstag
Wie lebt man auf dem Campingplatz? Und wie bereiten sich Wolfmother auf ihren Auftritt vor? Wie wird man von Moop Mama geweckt? Diese Videos liefern Antworten
Und wie am Zeltplatz schöner gezeltet wird. Und viel gesungen und gut ausgeschaut
Wie die Zeltstadt beim FM4 Frequency entstanden ist
Hier geht's zum Lineup
Tipps zum Line-Up:
- Bekannte Namen: Jungspunde treffen auf etablierte MusikerInnen
- Hot in Here: Eine kleine Auswahl an Newcomern und Geheimtipps.
- Österreichische Acts: Support your locals - diese Acts solltest du nicht verpassen!
Alles rund ums Festival gibt's auch unter fm4.orf.at/frequency2016
FM4 Frequency Festival:
17.-20.8.2016 im Green Park St. Pölten
Nach dem feierlaunigen Blasmusikpop der Münchner Gruppe Moop Mama wird es am frühen Samstagnachmittag finsterer und abgründiger auf der Green Stage beim FM4 Frequency Festival. Thematisch - die Sonne gibt nicht nach.
Auf der Bühne stehen, torkeln, zucken drei junge Männer aus Brooklyn: die Flatbush Zombies. Ein Rap-Trio, das sich auf minimalen, darken New Yorker Rap der 90er-Jahre beruft und textlich gerne Motive wie Beklemmung, Paranoia, Angst in grotesken Szenarien verhandelt.
Franz Reiterer
Als Teil des eigenen Image-Engineerings sind sich die drei Herren auch nicht zu schade, immer wieder ihre Affinität zu bewusstseinserweiternden und bewusstseinsverbiegenden Substanzen zu kommunizieren. Einmal vom Zauberpilz naschen, einmal das LSD überprüfen, in einem neuen psychedelischen Wunderland erwachen.
Die Pulver und Mittelchen haben also die einst schnöden Menschen als übermenschliche Zombies neugeboren: „In a world full of haters stands a single group who clearly separate themselves from the rest“, heißt es gleich zu Beginn des Konzerts im Intro-Track „Odyssey“.
Franz Reiterer
Die Nachrichten von der dunklen Seite mischen die Flatbush Zombies jedoch, hier liegt ihre Stärke, mit Albernheit, cartoonhafter Überzeichnung und entrückter Weirdness. Nicht selten darf man sich da an den Ol‘ Dirty Bastard erinnern.
Live ist das alles klassisch minimal angerichtet – drei Mikrofone, 1 DJ, keine Lichteffekte, keine Deko, keine Konfettikanone – und dabei doch ein tolles Theater, erratisch, giftig, Männer am Rande des freiwillig gesuchten Nervenzusammenbruchs.
Patrick Wally
Was man sicherlich weiß: Das Duo The Kills gehört auf die Bühne eines kleinen, ranzigen Clubs mit Autobahnraststättentoiletten-Atmosphäre. Die Spritzen vom Vortag sind noch nicht weggeräumt. Nacht muss es sein, an der Wand laufen diverse Körperflüssigkeiten herunter, die man nicht näher erforschen möchte.
Das sind Klischees. Alison Mosshart und Jamie Hince aber schaffen es, mit ihrer gemeinsamen Band The Kills die guten, alten Klischees vom guten, alten Rock’n’Roll in der engen Hose guten, neuen Saft zu geben. Fesch unfrisiert, Gitarre, Stimme, eine Drum-Machine von der Oma.
Patrick Wally
Die Kills – live zum Quartett erweitert - können selbst am frühen Abend eine ganz große Bühne mit dem Glam der sexy Kaputtheit mehrdeutig zum Leuchten bringen. Auch wenn nicht gar so viele Menschen gekommen sind. Mosshart und Hince beginnen ihr Set mit den, ja, Oberkrachern „No Wow“ und „U.R.A. Fever“, damit auch jeder gleich weiß, wer hier die besten Stiefel hat.
Die Pose vom gefährlichen, exciting Rocker- und Menschsein funktioniert bei den Kills auch so gut, weil immer Koketterie mitschwingt, ein spielerisches Element – und weil sie mit einem spröden Minimalismus gekoppelt ist. Ein weiterer Eintrag in die lange Geschichte des steilen, runtergerockten Schrottrocks: Der Altwaren-Rock’n’Roll von Royal Trux, der Jon Spencer Blues Explosion und deren Vorgängerband Pussy Galore. Velvet Underground, die frühe PJ Harvey, der süße Gitarrendronekrachpop der jungen The Jesus and Mary Jane.
Patrick Wally
Die Kills destillieren aus einem eng gesetzten System kleine Welthits. Alison Mosshart windet sich, tanzt mit dem Mikrofonständer, schäkert mit Hince und setzt die Luft in Flammen. Gib mir das gute, wilde Leben.
Die Entwicklung der Band Bloc Party ist eine seltsame gewesen, und das nicht unbedingt im besten Sinne. Mitte der Nuller-Jahren waren Bloc Party Mitbeweger des Postpunk-Revivals und mit ihren ersten beiden Alben „Silent Alarm“ und „A Weekend in the City“ schnell zu Recht Indiepop-Darlings. Danach: Gar solides Verwalten des eigenen Zeichenregisters, Abnutzung, Pausen, der Launch von Frontmann Kele Okerekes Solo-Karriere, Break-Up-Gerede.
Dieses Jahr sind Bloc Party mit 50-prozentiger Neuaufstellung im Bandpersonal und ihrem fünften Album „Hymns“ zurückgekommen. Hier zu hören: Mehr Elektronik, mehr Synthpop, mehr Lehnen nach Dancefloor.
Patrick Wally
Das kann die Band meistens nicht so gut. Für einen guten Slot auf der Main Stage aber reicht es immer noch. Solides Bandhandwerk, ein Charmeur ist Kele Okereke nach wie vor. Ein „Hymns“-Stück wie „The Love Within“ ist schon ein herrlicher verpitchter, mit House und Gospel jonglierender Quatsch-Hit, erwartungsgemäß jedoch brennt es so richtig vor allem bei den Klassikern „Helicopter“ und „Banquet“.
Die Kriterien zur Verteilung der Bands auf die beiden Hauptstages haben dieses Jahr da und dort Rätsel aufgegeben: Während auf der Main Stage die – hier steht es – geschmackvolleren, besseren Bands immer wieder mit vergleichsweise wenig Publikum zu tun gehabt haben, haben auf der Green Stage die Partybomben, die Emorocker, die Funpunker, die Pophouser weitflächig die großen Crowds bewegt. Die Leute wollen, dass was passiert.
Patrick Wally
Samstagnacht heißt das zum Beispiel: Die englische Band/das englische Projekt/ das englische Soundkonzept Massive Attack bespielt als vorletzter Act des Tages die Hauptbühne. Massive Attack, hochverdiente Mitentwickler und Beförderer eines Klangs, den die Welt „TripHop“ nannte. Dub und abgebremste HipHop-Beats, Jazz, Soul in Watte, siruphafte Soundscapes, distopische, ungut blubbernde Elektronika. Massive Attack sind ein teures Sedativum.
Radio FM4
Im Mittelteil des Konzerts bekommt die schottische Avant-Rap-Crew Young Fathers – wie in jüngerer Vergangenheit bei Auftritten von Massive Attack üblich - einen Gast-Slot für ein Konzert im Konzert mit eigenen Tracks, Massive Attack sind die Backingband. Das tut der Dramaturgie gut und ist eine Idee.
Die Young Fathers schmieden HipHop, Pop, Einflüsse von Industrial, Noise und auch Rock zu einer Musik, die tatsächlich recht eigen und weit draußen dasteht. Massive Attack flowen und ebben und schäumen auf und schäumen ab, irgendwann ist das Konzert vorbei.
Patrick Wally
Zeitgleich tritt auf der Green Stage die Gruppe Limp Bizkit auf. Limp Bizkit. Man kann sich vielleicht schemenhaft ausmalen, was da publikumstechnisch und hinsichtlich Energielevel so los ist. Lieber nicht. Limp Bizkit, Posterboys des alternativen Machismo und des Konzepts „Bro-ness“. „Break Stuff“ – so heißen beispielsweise Lieder von Limp Bizkit, man nimmt es ihnen ab.
Franz Reiterer
Auf der Hauptbühne macht danach zum Glück Manu Chao seinen Frieden mit der Welt, auf der kleinen Stage rettet der südafrikanische Suicide Squad Die Antwoord die Nacht: Kostüme, Kunst, Knallen. Großraum-Rave, Jungle, Acid, Gabber und Bubblegum-Bestrafung. Pokemon-Verkleidung, Prodigy-Sample, Peniswitz. Der grelle, der geile Blödsinn. Gute Nacht.
Franz Reiterer
Patrick Wally
Patrick Wally