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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 8. 2016 - 02:51

Elektronischer Soul und Partyhupe

Musikrundschau vom FM4 Frequency Festival, Donnerstag: Miike Snow, Bilderbuch, Deichkind und mehr.

FM4 Festivalradio

Beim FM4 Frequency 2016 in St. Pölten.

Anhören:

Musik

Donnerstag: So wars mit Miike Snow, Bilderbuch, Deichkind und Co: Soul und Partyhupe. Alle Fotos von den Bands

Freitag: So wars mit Foals, The Last Shadow Puppets, The Fat White Family: Was ist Rock?. Alle Fotos von den Bands

Samstag: So wars mit The Kills, Bloc Party, Massive Attack: Manchmal rockt es, manchmal spritzt es. Alle Fotos von den Bands

Die langen Nächte des FM4 Frequency

Mitschnitte der besten Konzerte gibt es ab Montag, 22.8. immer Nachts auf FM4 zu hören.

Letzte Worte - so wars tatsächlich: Donnerstag | Freitag | Samstag

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Tipps zum Line-Up:

Alles rund ums Festival gibt's auch unter fm4.orf.at/frequency2016

FM4 Frequency Festival:
17.-20.8.2016 im Green Park St. Pölten

Soft-Launch in das Festival. Wippen, nippen, schauen. Mit dem Song „My Trigger“ eröffnet das schwedisch-amerikanische Projekt Miike Snow am Donnerstagnachmittag seinen Auftritt auf der großen, Space Stage genannten Bühne, beim FM4 Frequency in St. Pölten. „Pull my Trigger“ heißt es da prominent im Refrain – was sicherlich auch als versuchter Aufruf zum Kickstart verstanden werden kann.

Miike Snow, eine sogenannte „Supergroup“, im kleinen Rahmen, zusammengebaut aus dem Produktionsduo Bloodshy & Avant, das schon Beats für Kylie und Britney gebaut hat, und dem Singer/Songwriter Andrew Wyatt, haben mit ihrer zärtlich-güldenen Schlafzimmermusik mit einer Tagesperformance im gleißenden Licht einen etwas schweren Stand – zumal nach dem Auftritt des hochpopulären deutschen Rappers Ssio, einem Mann, der nicht unbedingt als Prophet der Feinstofflichkeit bekannt ist.

Miike Snow

Franz Reiterer

Miike Snow

„A nice, initmate crowd“, sagt Andrew Wyatt, „when you’re in L.A., you should stop by the house“. Vor wenigen Jahren noch konnte der Soundentwurf von Miike Snow als halbaußergewöhnlich gelten: Das Verschmelzen von elektronischem Soul, Chrom-blitzendem R’n’B mit Schatten und Andeutungen von Abgrund mit Tupfern von rauschebärtigem Folk. Heute machen das viele.

Auch wenn Miike Snow die Geschmeidigkeit und die Öligkeit in ihrer Musik meist zu arg herausstellen und damit „Sex“ sagen wollen, haben sie schon auch ein paar gute Lieder. Das angehouste Stück „Paddling Out“ beispielsweise, das schon früh die Leute zum Tanzen bringt, oder „Animal“, den Hit, am Ende des Sets, kennen dann doch auch ein paar Leute mehr. Solider Schmuse-Start von einer Gruppe, die in den Nachtclub gehört, wo geschwitzt wird, aber anders, und sich mehr oder weniger zufällig die Körper aneinanderreiben.

Jack Garrat beim auftritt

Patrick Wally

Jack Garratt

In ähnlichem Wasser wie Miike Snow fischt der englische Musiker Jake Garratt, bloß eben erdiger, handwerklicher gemeint, ohne Glitz und Glam. Jack Garratt hat dieses Jahr neben anderen Ehrungen und Preisen die „Sound of 2016“-Liste der BBC angeführt und ist so zu einem der Newcomer des Jahres geworden.

Er hat diverse Moden der letzten Jahre happenförmig vereinfacht und schwimmt so im grade manchmal noch ein bisschen als „cool“ geltenden Mainstream, dem noch so etwas wie Hipness anhaften kann. Modediskonter-Hipness. Jack Garratt bedient das Genre „James Blake“, elektronischer Soul in Kombination mit eher traditionellem Singer/Songwritertum, er trägt Vollbart, gerne mal auch Käppi.

Hier wird viel gefühlt und Weltverzweiflung in der Stimme getragen, es bleibt flach und ohne Idee. Live arbeitet Garratt selbst, alleine, an allerlei Gerät, Drums, Elektronik, Gitarre, er singt, flippt aus, taumelt als putziger Schauwert. Da frisiert er seine Musik stärker Richtung EDM auf als auf Platte, dort etwas rockiger mit Schlagzeug-Freak-Out. Meist aber: Soul ohne Leben, Sülze ohne Seele.

The Luminieers

Franz Reiterer

The Lumineers

Danach gibt die amerikanische Band Lumineers ihre liebe und kuschelige Variante von in vielen, vielen Herzen der ganzen Welt angekommenem freundlichem Ho Hey-Zausel-Folkrock. Drüben, am anderen Ende des Geländes auf der kleineren Bühne, der Green Stage, lässt das neuseeländische Kollektiv Fat Freddy’s Drop schon gut schunkeln.

Es ist nämlich erfahrungsgemäß und üblicherweise eine so genannte Festivalmusik, die Fat Freddy’s Drop schon seit gut zwei Jahrzehnten machen, dabei aber nicht stumpf und platt, nicht hart und dumm, nicht schrill und steil, sondern entspannt.

Fat Freddy's Drop

Patrick Wally

Fat Freddy's Drop

Eine süße Verschmelzung von Reggae, Soul und freundlichem Dancehall, von Zeitlupendisco, Schaumstoffhiphop, Pop und Jazz. Und Humor. Eine smooth eingestellte Band, ein Sänger mit Honig im Hals, ein MC/Hypeman, der trotz der frühen Stunde und bereits grauem Haar die Freude an seinem Job nicht verbergen kann. Bläser, in albernen Kostümen, Silberumhang, Aluhut, so kann man sich, ohne die Klischees, die Sonne schmecken lassen.

Beim aus Oakland stammenden Rapper G-Eazy, vor für die Uhrzeit extrem gut gefüllten Areal, kann man wieder einmal sehen, dass immer noch und wieder auf einem Festival der HipHop die Queen ist. Selbst wenn sich der junge Mann coolness-technisch bloß knapp über Leftboy bewegt. Hands up!

G-Eazy

Franz Reiterer

G-Eazy

So zeigen sich die deutschen Pop-Rapper OK KID auf der in der Halle gelegenen Weekender Stage als gewohnt crowdwirksame Semi-Geheimheadliner, während der französische Musiker Anthony Gonzalez mit seinem Projekt M83 auf der Green Stage das ganz große, wundersam duftende Schmalzfass aufmacht.

80er-Synthie-Pop, die Jugend und ihre umwerfenden Gefühle fühlen, Jean Michel-Jarre- und Moroder-Gedächtnisarbeit, Seiden-Disco und neuerdings auch verstärkt überdeutliche Koketterie mit cartoonhaft überzeichnetem Trash, Bubblegum und Automatenhallen-Pop.

Der Tanz zwischen Nostalgie, Sinnlichkeit und Ironie haut nicht immer hin, mit mindestens einer Handvoll Hits wie „Steve McQueen“, „We own the sky“ und, klar, ein Saxophon ist selten falsch, „Midnight City“ kann man aber schon fein die Nacht zum Vibrieren bringen.

Nachdem die österreichische Band Bilderbuch bekanntlich in den letzten paar Jahren verlässlich die großen Bühnen landauf, landab in Brand gesteckt hat und nach den gerne kolportierten Reibereien und Sticheleien zwischen Band und österreichischen Festivalveranstaltern aus einer fast schon lange vergangen anmutenden Vergangenheit, ist im Vorfeld die Frage ein bisschen prickelnd im Raum gestanden: Wird diese Band Bilderbuch auch als Co-Headliner auf der großen Stage dieses großen Festivals bestehen können? Rhetorische Frage, ein bisschen, eh klar, Bilderbuch bestehen nicht, Bilderbuch zerlegen.

Bilderbuch

Franz Reiterer

Bilderbuch

Wir wissen es, Bilderbuch haben den schnöden Indierock und die Indiebubenhaftigkeit mit dem nötigen Sexappeal, dem Glitter und dem lasziven Größenwahn betankt. Und auch den Gitarrenfreunden gezeigt, dass man sich nicht fürchten muss vor Elektronik, plastilinförmigem R’n’B und dem geilen Quatsch mit dem Autotune.

Weil die Musik von Bilderbuch so eben auch eine sehr künstliche, im Studio zusammengefriemelte, manipulierte und aufgetunete Musik ist, muss man das ja auch immer wieder mal betonen: Das geht auch live bestens. Maurice (der „Maurice“) ist der gute Geck und Gockel, wie er kuckt, wie er labert. Popstar braucht Pose. Eine Geschmacksexplosion, Hits und Hupe.

Bilderbuch

Franz Reiterer

Bilderbuch

Man muss nicht lange schauen, im deutschen Sprachraum steht in Festival-Line-Ups nicht selten der Namen eines Entertainment-Unternehmens ganz oben auf dem Zettel. Oft gesagt, wird selten alt: Wie heißt die Band, die die Party rockt?

Deichkind

Patrick Wally

Deichkind

Man weiß, wie es geht, auch wenn man es schon zigmal gesehen und mitgefühlt hat, auch in der Donnerstagnacht, wenn Deichkind als Headliner auf der Main Stage ihren Kindergeburtstag für Teilzeitpartyrevolutionäre abfackeln. Widerstandsslogans, vage Ideen zu Social Media, Politik, Kapitalismuskritik in intuitiv versteh- und mitgröhlbare Schlachtrufe runterkochen und mit den unbedingten Autodrombeats kurzschließen.

Deichkind

Patrick Wally

Deichkind

HipHop, Weichzeichner-House, Eurodance. Artisten, Trance und Attraktionen. Deichkind ist Deichkind ist Logo, Emblem und Abrissbirne. Wir rollen mit dem Bierfass rein, we came in on disco ball.