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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

18. 7. 2015 - 06:00

Draußen im Sommer: "Im Park bin ich nicht paranoid."

Beim Highlinen an der Hohen Wand muss alles passen, denn unter der dünnen Line geht es 80 Meter in die Tiefe.

Was macht den perfekten Platz für eine Highline aus? Dass er hoch sein sollte, sagt schon der Name der Sportart. An der Hohen Wand in Niederösterreich gibt es Einschnitte und Vorsprünge am Fels, durch die sich beachtliche Abgründe auftun: Bis zu 80m tief geht es direkt hinunter, die Sichthöhe bis zur Ebene gibt sogar noch mehr her, etwa 300 bis 400 Höhenmeter, schätzt Harald Höglinger.

Baum vor Abgrund und Felswand

Simon Welebil / FM4

Harald lebt momentan für das Highlinen und ist jede freie Minute am Berg. Zwischen zehn und fünfzehn Mal im Jahr kommt er hierher an die Hohe Wand, wobei nicht nur die Höhe für den Ort spricht. Die vielen Bäume hier bieten sich als ideale Ankerpunkte für die Highline an und während man woanders die Line mittels Angel oder Drohne von einem Anker zum anderen transportiert werden muss, kann sie hier einfach entlang der Felskante gezogen werden. Und noch einen weiteren Pluspunkt hat der Spot an der Hohen Wand, wie Helmut Ronacher ergänzt, der heute mit Harald hierhergekommen ist: Der Zustieg. Man kann mit dem Auto ganz hinauf auf das Hochplateau fahren und dann in nur fünf Minuten Fußmarsch zum Ziel kommen. Wenn man bis zu 40 Kilo Material mit sich schleppt, ist das besonders verlockend.

Zwei Slackliner präparieren die Line

Simon Welebil / FM4

Die Vienna Slackliners helfen Interessierten auch beim Einstieg ins Highlinen.

Ein Freund der beiden von den Vienna Slackliners hat das Gebiet für das Highlinen erschlossen, einige Lines hier eröffnet und andere Slackliner nach und nach hierher gebracht. Beim Highlinen ist es essentiell, sich am Anfang erfahrene Highliner zu suchen, die einen in die Materie einführen, weil man einfach sehr viele Fehler machen kann, die mitunter tödlich enden können, sagt Harald.

Großaufnahme: Hände verbinden Slackline und Sicherung mit einem Klebeband

Simon Welebil / FM4

Wichtig ist, sich jeden Handgriff beim Aufbau genau zu überlegen. "Es geht beim Highlinen schnell, dass ein Aufbau, der eigentlich eine Stunde braucht, auf einmal vier Stunden dauert", erzählt Harald. Weil man unkonzentriert ist, Sachen doppelt machen, andere vergisst und wieder neu beginnen muss. Er und Helmut sind mitlerweile ein eingespieltes Team, das genau weiß, worauf es ankommt: Anker bauen, Slackline mit dem Sicherungsseil verbinden, Line aufziehen, Leash einhängen, Flaschenzug aufbauen, um die Line zu spannen...

Gespannte Highline über dem Abgrund

Simon Welebil / FM4

"Im Park geht alles schneller," sagt Helmut, "aber im Park bin ich auch nicht so paranoid. Hier möchte ich, dass alles passt."

Der Unterschied vom sicheren Slacklinen in Bodennähe zum Highlinen ist riesig. Wenn ein Slackliner im Park in der Lage ist, eine hundert Meter lange Slackline zu gehen, schafft er in der Höhe nur etwa ein Drittel davon, meint Harald. Es brauche sehr viel Übung und einen klaren Kopf, um auch auf der Highline Leistung zu bringen. Besser alles doppelt kontrollieren, damit einen nicht später auf der Line Zweifel plagen und man womöglich zum Anfang zurückrutschen muss. "Ich kenne wenig Leute, die den Kopf dazu haben trotzdem aufzustehen, auch wenn sie sich nicht sicher sind, ob der Anker passt.", sagt Helmut. "Würd ich nie machen."

Mann vor einer gespannten Slackline

Simon Welebil / FM4

Nach etwas mehr als einer Stunde Arbeit und einer kurzen Regenpause steht die über 60 Meter lange Highline. Helmut ist anscheinend zufrieden mit dem Aufbau, denn er will heute als erster raus. Er knotet die Sicherungsleine mit einem Achter in den Sitzgurt ein, Harald macht den Partnercheck und gleich danach rutscht Helmut auf der Line raus. Kletterer, die von unten aufs Plateau gekommen sind, schauen jetzt gespannt zu, wie Helmut in der Mitte der Line versucht aufzustehen. Doch die Line schlenkert gewaltig und schon nach ein paar Schritten macht er einen Abgang und baumelt an der Leash unter der Line. Nachdem Helmut sich hochgezogen hat, macht er einen zweiten Versuch, ist aber auch gleich wieder unten. Zu slack ist die Line diesmal, zu weich. Sie muss nachgespannt werden.

Diesmal ist Harald an der Reihe zum Testen. Mit Sound im Ohr kapselt er sich von der Umwelt ab und spaziert fast mit Leichtigkeit auf die andere Seite. Doch drüben ankommen sei nur zu Beginn seiner Highline Karriere ein Muss gewesen. Jetzt geht es ihm hauptsächlich darum, die Zeit auf der Line zu genießen.

Bis zum Abend stehen noch einige Begehungen auf dem Programm. Erst wenn es dunkel wird ist Schluss, für die beiden Highliner, aber auch für ihre Line, denn die muss abgebaut werden, gilt es doch, den Platz wieder so zu verlassen, wie sie ihn vorgefunden haben. Sie wollen keine unerfahren Slackliner dazu verleiten, unbegleitet eine Highline auszuprobieren. Und dann ist dann noch die Sache mit dem "Luftfahrthindernis". Für Rettungshubschrauber kann eine gespannte Highline zum tödlichen Hindernis werden, weshalb der Slacklineverband, dessen Obmann Harald Höglinger übrigens ist, eigene Meldeformulare für Highlines erstellt hat, die an die Flugrettung gesendet werden und Zusammenstöße verhindern sollen.

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Wehmut darüber, dass sie ihren Spielplatz nach jeder Session wieder abbauen werden, gibt es bei Harald und Helmut keine. Dass ihre Lines temporär sind, gehöre zum Sport dazu. "Am Abend nach dem Highlinen sitzt man zu Hause, schaut sich schöne Bilder an und überlegt sich, wo man das nächste Projekt starten soll."