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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

31. 1. 2015 - 07:50

Die Sache mit den angesagten Krawallen

Selten haben die Demos zum WKR-/Akademikerball im Vorfeld mehr Aufmerksamkeit bekommen als dieses Jahr. Krawalle blieben heuer weitgehend aus.

Der FM4 Twitter-Feed zum Akademikerball 2015

23 Kundgebungen wurden heuer im Rahmen des Akademikerballs angemeldet, zehn davon wurden im Vorfeld untersagt, vier davon Standkundgebungen der FPÖ innerhalb der Sperrzone und zwei Demonstrationen des NOWKR-Bündnisses (gegen das die Polizei übrigens eine Anzeige wegen Bildung einer kriminellen Organisation eingebracht hat). 14 sind übrig geblieben. Genug, um den Überblick zu verlieren.

Demozug vor Uni Wien

Simon Welebil / FM4

Die größte Demo, das war nach dem behördlichen Aus für die NOWKR-Demos klar, würde die der Offensive gegen Rechts werden, an der sich zig Organisationen beteiligen, von Attac über den KZ-Verband bis zur Produktionsgewerkschaft. Gegen 17:00 haben sich einige hundert Menschen am Schottentor vor der Uni versammelt, doch bis zum Abmarsch ist der Demozug auf einige tausend Leute angewachsen. Die Polizei spricht von 5.000, die VeranstalterInnen von 9.000, mein persönlicher Eindruck tendiert eher zu letzterem. Beim Zug über die Freyung konnte man weder vorne noch hinten ein Ende der Demo ausmachen und als die Demo ihr Ziel am Stephansplatz erreichte sind noch immer Gruppen auf den Graben nachgeströmt.

Freyung voller Menschen

Simon Welebil/FM4

Die Freyung voller Menschen

Akademikerball

  • Achtung, Achtung, hier twittert die Polizei!: @LPDWien, seit November findet man die Wiener Polizei unter diesem Handle auf Twitter. Bei den Demos gegen den Wiener Akademikerball ist eine eigene Social Media Task Force unterwegs. (28.1.2015)
  • Aufruf der Sache: Der Staat gegen Josef S.: Vor fast genau einem Jahr ist Josef S. nach den Randalen beim Wiener Akademikerball verhaftet und später zu 12 Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden. Bis heute kämpft er gegen das Urteil und beteuert seine Unschuld. (21.1.2015)
  • Akademikerball: Streifzug durch die Demonacht 2014: Die gute Nachricht zuerst: Der Spuk rund um den Wiener Akademikerball macht auf der Straße nun wieder ein Jahr Pause. Eine Frage brennt aber weiter: Muss das immer mit Gewalt enden? (25.1.2014)

Beim Stephansdom hat die Polizei dann erstmals dicht gemacht, die Demo hat sich ohne Abschlusskundgebung aufgelöst und sich an andere Orte in der Stadt verteilt. Drei Blockadepunkte waren ja ebenfalls angemeldet worden, am Kohlmarkt, auf der Freyung (der sich dann in die Herrengasse verlagert hat) und in der Löwelstraße hinter dem Burgtheater. Relativ unspektakulär haben sich an diesen Punkten einige Dutzend Menschen zusammengefunden und die Zufahrt in die polizeiliche Sperrzone blockiert.

In der Zwischenzeit hat am Heldenplatz, innerhalb der Sperrzone, eine andere Kundgebung die Gemüter erregt. Die FPÖ hat dort nämlich mit Transparenten eine Standkundgebung abgehalten. In einer ersten Reaktion verkündet die Polizei, sie hätte diese nicht genehmigte Kundgebung von BallbesucherInnen aufgelöst und deren Identität festgestellt, von Seiten der FPÖ wird jedoch heftigst dementiert. Die Transparente wurde jedenfalls von der Polizei abgenommen.

Standdemo der FPÖ Wien. Menschen halten Transparente

Christoph Weiss / FM4

Standdemo der FPÖ Wien

Auf der anderen Seite des Heldenplatzes begann die Veranstaltung des Bündnisses Jetzt Zeichen setzen recht ruhig, doch viele Menschen kamen vom Stephansplatz hinzu, sodass schlussendlich etwa 1.500 Leute den Reden der Holocaust-Überlebenden Dora Schimanko und Rudi Gelbhard, politischen AktivistInnen und Konzerten von Harri Stojka, Kommando Elefant und YASMO lauschten. Selbst die Polizisten hören entspannt zu. Hier gibt es nichts für sie zu tun.

Konzertpublikum am Heldenplatz

Christoph Weiss / FM4

Dicht gedrängt beim Yasmo-Konzert

Vor dem Heldenplatz sieht es zu der Zeit schon anders aus. In der Bellariastraße läuft das Kontrastprogramm zu den friedlichen Reden. Hier haben Demonstrierende zwei Taxis gestoppt, in denen sie Gäste für den Akademikerball vermuten. Die Taxis werden eingekreist, die Polizei stürmt in die Straße und versucht die Taxis freizubekommen. Über eine Stunde braucht sie dafür.

Demonstranten bei einer Sitzblockade

Christoph Weiss / FM4

Sitzblockade in der Bellariastraße

Es kommt zu einer kleineren Eskalation. Erste Böller fliegen in Richtung Polizisten, die Wega rückt an und die Gegend um die Bellariastraße, das Volkstheater, bis hinauf in die Neustiftgasse wird in den nächsten Stunden zum Hot Spot. Die Polizei zieht hier immer mehr Personal zusammen und die Demonstrierenden vermuten eine Einkesselung, die so aber nicht kommt (am Schwarzenbergplatz zur selben Zeit allerdings schon. Dort wurden 25 Menschen verhaftet).

Polizei und Menschenmenge vor dem Volkstheater

Simon Welebil / FM4

Vom Fenster des Volkstheaters: Gegenüberstellung

Vermummte (einen organisierten schwarzen Block sehe ich nicht) greifen immer wieder Polizisten an und provozieren. Die marschieren mit der Hundestaffel auf, versuchen, den Vermummten nachzusetzen, haben in den offenen Gassen allerdings nicht wirklich eine Chance. Mittendrin ein großer Pulk von JournalistInnen, FotografInnen und Kameramenschen, die alle auf möglichst spektakuläre Bilder aus sind. Nach der letztjährigen Krawalldemo sind die Erwartungen heuer groß.

Improvisierte Straßenblockade

Simon Welebil / FM4

Improvisierte Straßenblockade in der Neustiftgasse

Gerüchte von Einkesselungen und Konfrontationen machten auf Twitter die Runde, doch die Polizei wollte sich nicht wirklich auf Scharmützel einlassen. So leerte sich der Platz vor dem Volkstheater schön langsam, der Heldenplatz ist zu dem Zeitpunkt schon leer. Das Heldentor wurde geschlossen.

Polizisten vor dem geschlossenen Heldentor in Wien

Simon Welebil / FM4

Die Krawalle, die viele für dieses Jahr vermutet haben, sind großteils ausgeblieben. Beim Lesen der Polizeibilanz kommt dennoch ein bedrückendes Gefühl hoch: "Es erfolgten bis dato 54 Festnahmen und circa 150 Anzeigen wegen strafrechtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen. 58 Sicherstellungen von verbotenen Waffen, pyrotechnischen Gegenständen, Schlagringen, Messern, Suchtgift und dergleichen wurden durchgeführt. Sechs Polizeibeamte erlitten im Rahmen des Einsatzes Verletzungen." Für die festgenommenen DemonstrantInnen wurden noch in der Nacht Soldaritäts-Demos vor dem Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände abgehalten. Laut den letzten Tweets von dort, wurden einige Menschen schon in der Nacht wieder freigelassen.