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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

8. 11. 2014 - 13:33

Ahoi! Pop in Linz: der dritte Abend

Am Freitag war Rock-Tag. Mit Nothing, INVSN, Hidden Cameras und Trail Of Dead.

Die US-Band Nothing eröffnet den dritten Tag des Ahoi!-Pop-Festival im Posthof in Linz. Post-Hardcore aus Philadelphia. Das Debutalbum dieser von Grunge und Metal beeinflussten Band rund um Sänger Dominic Palermo - er trägt dann auch passenderweise ein Soundgarden-T-Shirt - ist heuer im Frühjahr erschienen: "Guilty Of Everything". Dominic Palermo ist ein Mann mit Vergangenheit: Gefängnis. Aber nichts allzu böses, believe me. Am Nachmittag vor dem Konzert höre ich noch den Song "Endlessly", mit all der Schönheit, die die Studioversion an sich hat. Weil hier beim Ahoi! Pop die Konzerte pünktlich um 20 Uhr beginnen, heißt das, dass ich, als jemand der späte Beginne gewohnt ist, kaum eine Band pünktlich erwische. Und die 45 Minuten, die Nothing haben, sind fast ebenso rasch vorbei wie die dreißig Minuten Konzert-Slots am Anfang der beiden ersten Ahoi!-Pop-Tage. Eine Rhythmus-Gitarre, die eine gewisse Ruhe, etwas Friedliches, ausstrahlt, insgesamt nicht viel Action, it's all in the shoegaze. Songs wie "The Bent Nail" oder "Get Well". Gut war's, sagt Dominik Erber vom Linzer "Dorf-TV" nach dem Konzert von Nothing. Das braucht nicht mehr als da war, meint Dominik, und der Noise-Rock-Experte muss es wohl wissen.

Nothing

Christoph Thorwartl/subtext

Nothing

Distorted Heartbeat

Fünfzehn Minuten nur Pause, dann geht es schon weiter mit der nächsten Band: INVSN. Das ist die Abkürzung für Invasion, und dahinter steckt eine skandinavische Musiklegende: Dennis Lyxén aus dem nordschwedischen Umea, samt fünfköpfiger Band, darunter drei Musikerinnen: Gitarristin, Bassistin, Keyboarderin. Die Schminke im Gesicht von Dennis, von Halloween noch im Gesicht? Umea ist jedenfalls in diesem Jahr die europäische Kulturhauptstadt. Acht Stunden Zugfahrt nördlich von Stockholm gelegen, ist Umea nicht nur eine hübsche Stadt mit vielen StudentInnen, sondern auch schwedischer Punk- und Hardcore-Geburtsort. Dennis Lyxén kommt aus der Umgebung. Vor Jahren sagte ihm in Stockholm jemand, "Du bist aus Umea? Gibt's nicht, wo du doch sprichst wie ein Bauer!" "Fuck that guy", meint Dennis Lyxén all die Jahre danach auf der Ahoi! Pop Bühne. Forgiveness, Dennis, soll das wahre Glück bringen, sag' ich ihm im Interview nach dem Konzert. Lyxzén, der durchaus Humor hat, schmunzelt. Wie auch immer, Dennis Lyxén ist ein Unbeugsamer. Alterslos, ohne ein Gramm Fett hinter der Gürtelschnalle. Er kickt für einen lokalen Fußballclub, das lässt wohl Bauchfett erst gar nicht aufkommen, und die Musik. Noch immer die Musik. Refused war in den 90er Jahren die Band von Dennis Lyxzén, ihr Album "The Shape Of Punk To Come" ein Meilenstein des Post-Hardcore. Dann kam seine nächste Band: International Noise Conspiracy. Ebenso feuriger Stoff, "poppiger", aber internationaler. Einmal live bei einem Festival nahe Wien erlebt. Dann steuerte Lyxén ein weiteres Schiff: The Lost Patrol Band. Folk kam nun hinzu, samt all der tiefen melancholischen Schönheit, die Dennis Lyxén wohl immer schon innegewohnt haben musste, hinter dem Noise-Panzer. Weil aber eine US-Band, The Lost Patrol, Einspruch erhob, der Ähnlichkeit des Bandnamens wegen, benannte Dennis Lyxén seine Band dann um in INVSN, kurz eben für Invasion.

INVSN

Christoph Thorwartl/subtext

Dennis Lyxén

Nachdem die Band schwedischsprachige Platten gemacht hat, wurde vor ein paar Monaten endlich ein englischsprachiger Longplayer veröffentlicht, mit Songtiteln wie "Distorted Heartbeat" - ein Stück über die Kindheit von Dennis Lyxén als Outsider, der schon mit neun Jahren die Schule verließ, um dem Hardcore-Punk zu folgen. Sehr hübsch auch das elektronischere "It's All Coming Back" oder "Blood". Letzterer Song ist dann auch das letzte Lied bei diesem packenden Konzert, ein sehnsüchtig bohrender Song, bei dem Dennis Lyxén ganz in Punktradition ins Publikum geht. Ebenfalls sehr schön: "Västerbotten", ein nachdenkliches Stück über den Heimatort von Dennis Lyxén. Und wenn er auf der Bühne von den Konzernen spricht, die die Welt ("A fucked-up place") zu Grunde richten, wenn er aufruft, Rassismus keine Chance zu geben, ist das dann preaching to the converted? Ist es vielleicht gar old-school oder naiv? Nein, Dennis Lyxén ermahnt uns einfach in unserer kleinen Welt, die wir uns zurechtgerichtet haben, in der wir uns scheinbar halbwegs zufrieden fühlen, obwohl wir eigentlich gar keinen Grund dazu haben. Keep on keeping on, Dennis Lyxén!

The Hidden Cameras

Auf INVSN folgen The Hidden Cameras. Der in Berlin ansässige Kanadier Joel Gibb diesmal mit einem Rock-Lineup: Gitarre, Bass und Drums. Kein Streichinstrument, auch keine Keyboards, was aber nichts macht, gar nichts. Die Hidden Cams - alle vier Musiker mit nacktem Oberkörper, Goldschärpe und Samurai-Beinkleidern - lassen es zart(er) angehen und mutieren schließlich zu Performern tanzbaren Indierocks. Der Konzertsaal ist nun gut gefüllt. Runter mit dem Licht bei "Gay Goth Scene", das sich anhört, als ob es schon lange ein Hidden-Cams-Klassiker ist.

Joel Gibb

Christoph Thorwartl/subtext

Joel Gibb

Insgesamt eine tolle Show von Joel "Superstar" Gibb und seiner Band, samt einem neuen Song namens "Oh Night", und die mit dem wohl in hundert Jahren noch wundervollen "I Believe In The Good Of Life" endet. Im Song heißt es, "I believe in the taste of wine", trotzdem genehmigt sich Joel Gibb nach dem Konzert ein Bierchen statt einem Glas Rotwein. Joel, always good to see you. Das war wieder eine neue Facette der Hidden Cameras, die uns als nächstes mit einem Country-Album beglücken werden.

Men In Black

Meine persönlichen Headliner an diesem Ahoi!-Pop-Abend waren bereits INVSN und Hidden Cameras. Die tatsächlichen Headliner aber sind And You Will Know Us By The Trail Of Dead aus Texas, samt ihrem neuen Album "IX". Jason Reece und Conrad Keely, die beiden Masterminds, trafen einander bereits in der Schule, auf Hawaii. In Olympia, Washington, im Pazifischen Nordwesten der Staaten, besuchte man später das Evergreen State College, eine der liberalsten Universitäten der Vereinigten Staaten, und gründete Bands.

Trail Of Dead

Christoph Thorwartl/subtext

... Trail Of Dead

Ahoi! Pop 2014

  • Mittwoch: Perrecy, Cherry Sunkist, Seekae, Neneh Cherry
  • Donnerstag: Olympique, The Boys You Know, Merchandise, Young Fathers, Palma Violets
  • Freitag: Nothing, INVSN, Hidden Cameras und Trail Of Dead.
  • Samstag: Clara Luzia, Fiva und St. Vincent

Mitte der 90er Jahre dann entstanden Trail Of Dead. Ende der 90er dann das erste Album. Aber ich bin ja gar keine Expertin, was diese Band betrifft - noch nie gesehen, noch nie. Na gibt's denn das. Ein Fehler, stimmt. Aber was soll ich euch erzählen, euch Trail-Of-Dead-erprobten KennerInnen. Ein Rockgewitter war das an diesem dritten Ahoi!-Pop-Tag. Ein Mann mit Western-Bart und Cowboyhut an einer weiteren Gitarre, ein Hipster mit Afrohaaren am Bass, ja, das ist Austin, Texas, wo Trail Of Dead zuhause sind. Whiskey trinken auf der Bühne, aus der Flasche, versteht sich. Jason Reece wechselt von der Gitarre ans Schlagzeug. Ein Rockgewitter. Diese Männer, nach so vielen Jahren des Durchhaltens, inclusive einem kurzzeitigen Vertrag bei der großen Musikindustrie, wo sie Labelkollegen von Trent Reznor waren, wissen, was sie tun. Glückliche Gesichter im Publikum, fast schon ein Moshpit. Ich denke aber bereits an den nächsten Ahoi!-Pop-Tag, und freue mich auf Frauen wie St Vincent, Fiva und Clara Luzia. Einmal geht noch - Ahoi!-Pop 2014, die Vierte.