Erstellt am: 17. 10. 2014 - 17:00 Uhr
Viennale: Die schönste Zeit im Jahr
Anstelle der erlauchten Pia Reiser, die gerade ein Wild Thing groß zieht, werde ausnahmsweise ich hier den Viennaleblog führen. Ich habe ziemliche Ehrfurcht davor, in die Fußstapfen von Reiser und Keuschnigg zu treten – bear with me!
Heuer sind es zehn Jahre, dass ich die Viennale besuche. Diesmal fühlt es sich also richtig besonders an. Meine erste wirkliche Viennale-Erinnerung ist jener Abend, an dem die nun verstorbene Lauren Bacall in Wien war und eine rätselhafte Passantin mir meine erste Filmmuseumsmitgliedschaft samt 10er-Block einfach so schenkte. Ich weiß nicht mehr, wer diese Frau war, aber ich bin ihr noch immer dankbar und hoffe, dass sie weiß, was sie da angerichtet hat.
Damals war die Kinowelt noch so gut; die Bilder waren schwarz oder weiß, die Sterne Hollywoods lebten noch und ich musste niemals schlafen gehen... Mal schauen, wie das 2014 so wird. Wir haben alle schon ganz zittrige Schweißhände vom Programmgebastel.
Filme von Filmen, Filmstars und anderen Superhelden
Filme über Filmemacher, Schauspieler, Film im Film - so, wie es in der modernen Literatur oft um Schriftsteller geht, so ist das Filmemachen an sich doch irgendwie das liebste Thema der Filmgeschichte. Die Filme, auf die ich mich am meisten freue, sind also nicht nur Filme, die sowieso ins Kino kommen werden – sie sind auch typische Metafilme. Zwei drehen sich um Schauspieler, deren Karrieren auf dem Weg nach unten sind.
Viennale
Am aller-aller-gespanntesten bin ich auf "Clouds of Sils Maria": Nicht nur spielen da Juliette Binoche und Kristen Stewart in dieser superreizvollen Star-Assistentinnen-Konstellation, nein, vor allem führte Olivier Assayas Regie – "Irma Vep" (1996) ist schon so ein Kandidat für "Bester Film, Den Es Gibt", vom rätselhaften "Demonlover" (2002) ganz zu schweigen.
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Petra Erdmann bei den Filmfestspielen von Venedig:
- Die letzten Tage von Venedig: "Pasolini"
- Heldenzeit in Venedig: "Birdman"
Weniger reizt mich Alejandro González Iñárritu, Regisseur von "Birdman", umso mehr freue ich mich dafür auf diesen Film über einen Superheldenschauspieler, in dem total viele Superheldenschauspieler mitspielen (Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone). Der Film schaut surreal und lustig aus, ich erwarte mir schon fast eine Kamera wie in Sokurovs "Russian Ark" (2002). Naomi Watts spielt auch mit. Außerdem habe ich gehört, dass Emma Stone in diesem Film eine Frau küsst. Ich habe also generell viele Erwartungen an diesen Film.
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Auch vielleicht ein Superheldenfilm, wenn man es so sehen mag: "Pasolini" von Abel Ferrara mit Willem Defoe. Ich habe eine mir oft peinliche Schwäche für Biopics – ich liebe ihre dichte Melancholie und Sehnsucht. "Pasolini" von Abel Ferrara stelle ich mir vor wie Fassbinders "In einem Jahr mit 13 Monden" (1978), auch wenn ich eh weiß, dass er wahrscheinlich nicht so sein wird.
Menschen, die Woody-Allen-Filme mögen
Manchmal finde ich es schon seltsam, wie sehr Woody Allen die Kinoliebhaber spaltet. Selber gehöre ich zu der Sorte Mensch, die sich Jahr für Jahr über den neuen Woody-Allen-Film freut – manchmal mehr, manchmal weniger, ich lasse seine Filme nie aus, "Magic in the Moonlight" heuer auch nicht. Haters gonna hate.
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À propos – weil die beiden irgendwie zusammengeschoben werden – zu meinen aller-erwartetsten Filmen gehört auch "Listen Up Philip" des jungen Regisseurs Alex Ross Perry, dessen großartiges Début "The Color Wheel" mein liebster Viennalefilm '11 war. Zudem ist Alex Ross Perry selber ein höchst sympathischer Typ, mit dem ich ein paar Mal im Brooklyner Rose Cinema Filme geschaut habe – und ich freue mich total, dass sein neuer Film nach so einem Big Deal ausschaut. Auch freue ich mich auf den neuen Film des ebenfalls sehr jungen Regisseurs Damien Chazelle, dessen "Whiplash" (wie auch "Guy and Madeline on a Parkbench", 2010) ein Musikfilm ist. Super, davon gibt es einfach viel zu wenig.
Femmes Fatales, Vampire, Serious Ladies
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Entschuldigung, aber wie gut ist bitte die Tagline von "A Girl Walks Home Alone at Night": "The first Iranian vampire Western"? – da haben wir vielleicht sogar gleich einen Kandidaten für meinen Viennalefilm mit den höchstgeschraubtesten Erwartungen überhaupt.
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Weitere unglaublich hohe Vorfreude habe ich auf den rätselhaften "The Duke of Burgundy" von Peter Strickland ("Berberian Sound Studio", 2012) – ich habe Angst, übereilig zuviel darüber zu lesen und mir den Film so zu ruinieren. In Verbindung mit dem Film erscheinen nämlich die vielversprechenden Stichworte "filthy", "masochistisch", "ravishing" und – Heavens forbid! – "kinky". Klingt virulent!
"Dólares de Arena" sticht mir ebenfalls ins Auge – das Thema erinnert an Jane Bowles' witzige Novelle "Two Serious Ladies": eine biedere nordamerikanische Touristin verliebt sich in Panama in eine jugendliche Prostituierte. "Dólares de Arena" spielt halt in der Dominikanischen Republik, die ältere Frau (Geraldine Chaplin) ist Europäerin - ich bin sehr gespannt.
Und dann gibt es noch Mathieu Amalrics Verfilmung des Simenonromans "La Chambre bleue". Den werd' ich mir sicher anschauen, weil: Simenon, fatale Frauen und die Farbe Blau.
Einzelgänger, Prärie, vor allem wüste Dinge
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Am liebsten würde ich bei der gesamten Viennale nur John-Ford-Filme schauen. Das ist nämlich endlich mal was G'scheites – Kraut, Speck und Kartoffeln, die Basisnahrung des Filmliebhabers. Unbedingt anschauen: "Cheyenne Autumn", "My Darling Clemetine", "The Searchers", "The Man Who Shot Liberty Valance", "She Wore a Yellow Ribbon" und eigentlich eh alles.
Abenteuergefühle kommen hoch bei Stills von "Jauja", dem "neuen Film mit Viggo Mortensen". Was hat Viggo wohl diesmal vor, frage ich mich; auch frage ich mich, wie "Ein proletarisches Wintermärchen" so sein wird: Georgische Gastarbeiter revoltieren in Berliner Schlössern. Klingt lustig.
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Laut Google Image Search schaut "Trudno byt' bogom" - Hard to be a God - aus wie die Horrorversion von Tarkovskys "Andrej Rublev" (1966). Zusätzlich ist er auch noch eine Science Fiction! Ich krieg schon wieder Herzklopfen, den Film hab' ich mir notiert mit drei Rufzeichen.
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Eine ziemlich brutale "Coming of Age"-Geschichte scheint der ukrainische Film "Plemya" zu erzählen. Mir gefallen die dramatischen - und ziemlich erotischen - Stills.
"See You Next Tuesday", ein sogenannter Brooklyn Indie Film über Schwestern- und Mutterbeziehungen, schaut störrisch, witzig und oag aus.
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Gar keine Ahnung habe ich, worum es im neuen Sion-Sono-Film "Jigoku de naze warui" geht, und es ist mir auch nicht wichtig - er soll nur mindestens so gut wie "Guilty of Romance" (2011) sein.
Auch Joe Dantes "Burying the Ex" kommt zur Viennale und "Kuime" von Miike Takashi, dessen Kultfilm "Audition" (1999) ich aufgrund meiner Urangst vor Nadeln noch immer nicht gesehen habe. Das wird alles ein Heldenfest.
Was vom Identities Festival übrigblieb
Mein homosexuelles Herz wird selbstverständlich nicht daran vorbeikommen, den neuen Film von Céline Sciamma "Bande des filles" zu sehen, wobei mir dabei der Satz "die Neugier auf das besondere Milieu und den kritischen Blick auf die sozialen Verhältnisse" aus dem Programmheft totales Unbehagen bereitet.
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Was diese Schiene betrifft, bin ich schon wirklich sehr gespannt auf Monika Treuts "Von Mädchen und Pferden", da lässt schon der Titel mein Herz höher schlagen. Immerhin ist das die Filmemacherin von "Die Jungfrauen Maschine" (1988). Ich hoffe dabei auf eine ganz besondere Überraschung.
Wer sich zusätzlich Gedanken zum Thema Kino und TV machen möchte, kann probieren alle Folgen der HBO-Serie "Olive Kitteridge" zu erwischen. Frances McDormand spielt, Lisa Cholodenko ("The Kids Are Alright", "High Art", "The L Word") führt Regie.
Weitere LGBTQI-Filme auf meiner Liste, die sogenannten halt so Filme: "52 Tuesdays", "Love is Strange".
... und die Dokumentarfilme
Viennale
Der Vorverkauf für Viennale-Tickets startet am Samstag, 18. Oktober.
FM4 berichtet täglich online und on air.
"The Dog" über den seltsamen Banküberfall, der zu einer berühmten Filmvorlage wurde (im schönen Doppelprogramm mit "Dog Day Afternoon"), "1971" und "12 dicembre" klingen alle miteinander nach unvergesslich spannenden Streifen. Auf meiner Liste stehen noch "Maidan", "Von Caligari bis Hitler", "Burroughs: the movie". Außerdem: Peter Bogdanovichs "Directed by John Ford" und, vielleicht, die Doku über Robert Altman.
Und ihr? Für welche Filme stellt ihr euch am Samstag an - auf welche Filme freut ihr euch am meisten und habt ihr vielleicht noch eine Empfehlung für mich? Ein paar Dokus vielleicht?