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29. 7. 2014 - 18:07

Pizzeria-Anarchia-Nachwehen

Josef Iraschko ist KPÖ-Bezirksrat in der Wiener Leopoldstadt und arbeitet für das Mieterselbsthilfezentrum. Er hat schon vor der Besetzung und den Protesten die AltmieterInnen rechtlich beraten. In FM4 Connected analysiert er die gestrige Räumung.

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Dass die Diskussion um die Hausbesetzer-Räumung ums Thema "unverhältnismäßig oder nicht?" geführt wird, weicht den zentralen Fragen dahinter feig und weiträumig aus.

Pizzeria-Anarchia-Nachwehen
Josef Iraschko ist KPÖ-Bezirksrat in der Wiener Leopoldstadt und arbeitet für das Mieterselbsthilfezentrum. Er hat schon vor der Besetzung und den Protesten die AltmieterInnen rechtlich beraten.

Statt über wichtige Themen wie Wohnungsnot und öffentlichen Raum zu reden, steht nach der Räumung der Pizzeria Anarchia die Kritik am Polizeieinsatz im Vordergrund. Die BesetzerInnen werden dabei in der Schublade "PunkerIn" verräumt. Von UnterstützerInnen hört man, dass in diesem Haus auch - und vor allem - junge Menschen lebten, die aus welchen Gründen auch immer keine Wohnung hatten. Menschen, für die es mit ihrem persönlichen "Lebensentwurf" und Überzeugen keinen Platz in einer durchorganisierten Gesellschaft zu geben scheint. Einer, der sich damit intensiv beschäftigt hat, ist KPÖ-Bezirksrat Josef Iraschko. Er hat eine klare politische Agenda, sieht allerdings die "Punkys", wie er sagt, durchwegs kritisch. Trotzdem meint er, dass es politische Lösungen von der Stadt Wien brauche, damit es nicht mehr zu solchen Situationen komme, wie wir es bei der Pizzeria Anarchia gesehen haben.

Josef Iraschko im FM4 Connected-Interview

Andreas Gstettner-Brugger: Sie beschäftigen sich seit Jahren mit den Vorkommnissen rund um das Pizzahaus in ihrem Bezirk. Sie haben auch die MieterInnen juristisch beraten. Waren Sie überrascht von dem gestrigen Ausgang?

Josef Iraschko: Naja, formalrechtlich nicht. Es gab einen Delogierungsbescheid und es war klar, dass das Haus irgendwann geräumt werden wird.

Und über die Art und Weise der Räumung?

Das ist wieder ein anderes Problem. Da muss man zwei Sachen sehen. Erst einmal: diese Unverhältnismäßigkeit der Polizei, da stimmt irgendwas nicht. Ich bin der Meinung, dass da andere Ziele verfolgt wurden. Zweitens: aus meiner politischen Sichtweise glaube ich, dass hier geübt wurde. Diese Exekution dort hat man zum Anlass genommen, um mit einem unglaublichen Aufwand an Polizeikräften zu üben. Ein richtiges Manöver, um sich auf viel schärfere Auseinandersetzungen vorzubereiten, die aufgrund der sozialpolitischen Situation in der Bevölkerung irgendwann einmal kommen könnten.

Ursprünglich waren die BesetzerInnen vom Vermieter ja eingeladen worden, im Haus zu wohnen, um die AltmieterInnen davon zu überzeugen auszuziehen. Weil das aber nicht geklappt hat, wollte der Vermieter die Eingeladenen dann aus dem Haus haben und hat geklagt. Das Gericht hat ihm Recht gegeben. Sie haben schon davon gesprochen, dass diese Räumung rechtens war. Hätten die MieterInnen und BesetzerInnen noch andere Möglichkeiten gehabt, gegen das Gerichtsurteil vorzugehen?

Formalrechtlich gab es da keine Chance. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Eigentümer schon vor zwei Jahren widerrechtlich versucht haben, selbsttätig zu räumen. Das konnte Gott sei Dank verhindert werden, auch durch meinen Rechtsbeistand. Aber jetzt war die Sache formalrechtlich gelaufen. Es wäre meines Erachtens aber auch die Stadt Wien gefordert gewesen zu sagen: Okay, wir erlauben uns diese andere Form des Zusammenlebens und Wohnens, wir kaufen das Haus, oder mieten es und erlauben uns ein Experiment. Die Stadt Wien wäre da schon gefordert, nicht nur zuzusehen, sondern auch wirklich aktiv tätig zu werden. Das heißt nicht, dass ich große Sympathie für die "Punkys" habe - nicht, dass ich da in eine Ecke gestellt werde - die habe ich nicht. Die stehen mir politisch sehr weit fern. Aber in einer Stadt wie Wien müssen auch andere Wohn-und Lebensformen möglich sein.

Jetzt steht dieser Fall aber auch für ein anderes großes Thema: Wohnungsspekulationen in Wien. Kann man sich als MieterIn eigentlich gegen so Machenschaften von SpekulantInnen wehren bzw. vielleicht sogar vorab schützen?

Also aus meiner beruflichen Erfahrung sehe ich, dass das sehr schwierig ist. Weil man ja oft in vielen Fällen einzeln diesen Leuten gegenüber steht und man hat auch nicht das Wissen, wie man sich wehren kann. Natürlich hat man rechtliche Möglichkeiten. Zum Beispiel bei Unterbrechungen von Leitungen usw. kann man sich mit dem Büro für Sofortmaßnahmen der Gemeinde Wien in Verbindung setzten. Es ist möglich, aber oft weiß man es nicht. Gut ist, wenn es eine Hausgemeinschaft gibt. Das zeigt auch das Beispiel der Mühlefeldgasse (Anm.: also der "Pizzeria Anarchia"). Wenn die Leute sich nicht auseinander dividieren lassen von den Eigentümern, sondern zusammenhalten. Da kann man natürlich gemeinsam Widerstand leisten. Man kann aber auch selbst tätig werden, wenn es zu Zerstörungen kommt, da kann man zum Beispiel Mietzinsminderungen geltend machen. Das wäre eine andere Ebene.

Wie kann man dem Problem des spekulativen Leerstandes Herr werden und das in den Griff bekommen?

Das ist sehr schwierig. Also man weiß ja nicht, was leer steht. Wenn man eine Organisation hätte, die dazu Informationen bekommt, also wenn es eine gesetzliche Verpflichtung gäbe, dass der Leerstand zumindest nach einem halben Jahr gemeldet werden müsste, dann würde die Sache ganz anders aussehen.

Zu Ihnen als KPÖ-Bezirksrat: auf politischer Ebene, was müsste getan werden, um effektiv Wohnungsnot zu bekämpfen und dennoch die Rechte der EigentümerInnen zu wahren?

[Schmunzelt] Diesen Widerspruch kann ich leider nicht lösen. Meine politische Meinung ist: Wohnbau hat in privaten Händen nix verloren. Das ist eine Sache der Öffentlichkeit, dann kann man ganz anders damit umgehen.