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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

28. 5. 2014 - 16:52

Der Fall Josef S.

Seit den Protesten gegen den Akademikerball Ende Jänner sitzt ein 23-jähriger Deutscher in Wien in U-Haft. Nun wird ihm der Prozess gemacht.

Vor dem 4. Juni hat die Wiener Polizei einiges zu besprechen. Denn noch müssen der Einsatz im Zuge der Demo und Gegen-Demos bei Kundgebung der "Identitären" evaluiert werden. Für den 4. Juni sind schon wieder Veranstaltungen und Demonstrationen angesagt, rund um das "Fest der Freiheit", das von einer den Burschenschaften nahestenden Verbindung namens "Forschungsgesellschaft Revolutionsjahr 1848" veranstaltet wird.

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Artikel zu den Vorkomnissen rund um den Akademikerball 2014

Dabei sind die Nachwehen des Akademikerballs aus dem Jänner noch nicht verheilt: Während die Polizei nun seit Wochen Videomaterial auswertet, um 500 Personen auszuforschen, denen zum Teil Delikte wie Sachbeschädigung, Körperverletzung oder auch Landfriedensbruch vorgeworfen wird, sitzt der vermeintliche "Kopf der deutschen Krawall-Touristen" noch immer im Gefängnis. Nun schon seit über vier Monaten, am 6. Juni ist Prozessauftakt.

Der letzte Haftprüfungstermin war erst vor wenigen Wochen. Damals bestätigten sich Zweifel an angeblichen Audio-Aufnahmen, die beweisen sollen, dass Josef S. mit den Worten "Weiter, weiter!" der Rädelsführer der gewaltsamen Ausschreitungen war.

Es stellt sich natürlich die Frage, warum man genau einen Demonstrations-Teilnehmer festnahm und seitdem gefangen hält.

Polizei-Kritiker wie die "Soli-Gruppe für Josef S. 2401" unterstellen der Exekutive, hier "Rache" nehmen zu wollen. Sie bezeichnen Josef S. als Sündenbock, den man gut aussuchen konnte, da das Verständnis der Bevölkerung für aus Deutschland anreisende Demonstranten ohnehin enden wollend ist.

Bemerkenswerte Anklageschrift

Laut der Anklageschrift, die FM4 vorliegt, lesen sich die Vorwürfe gegen Josef S. teils wie eine Anklage gegen die gesamte Demonstration. Die Vorwürfe: Josef S. war bereits gegen 18 Uhr von einem Zivilbeamten als "Kopf" ausgemacht worden, aufgrund einer schwarzen Jacke mit dem Rücken-Aufdruck "Boycott" konnte er angeblich auch später noch erkannt werden.

Alleine: Etliche Beweise hielten nicht. Derselbe Beamte hat nämlich auch ein Video im Bereich "Graben" gemacht, darauf ist Josef S. zwar nicht zu sehen, angeblich höre man ihn aber die Meute anstacheln. Nun haben Stimm-Gutachten gezeigt, dass diese Stimme nicht die seine ist.

Außerdem wird Josef S. vorgeworfen, Polizisten am Stephansplatz mit den dort aufgestellten, silberfarbenen Mülleimern beworfen zu haben. Im Rohmaterial der Kollegen vom Fernsehen ist Josef S. allerdings nur einmal bei so einer Szene zu sehen: Allerdings wirft er da keine Mülleimer, sondern hebt einen rollenden Eimer auf und stellt ihn zurück zum Straßenrand.

Josef S. hebt eine Mülltonne auf

ORF

Screenshot aus dem ORF-Material

Bleibt also der Beamten-Zeuge (von dem das Video stammt), der bislang nur anhand einer Dienstnummer genannt wurde. Von ihm stammt auch der Vorwurf, dass Josef S. am Hof maßgeblich daran beteiligt war, die Polizeiwache zu verwüsten.

Die Eltern des aus dem deutschen Jena kommenden Mannes sind derweilen mit den Nerven am Ende, für sie steht außer Zweifel, dass ihr Sohn unschuldig ist. Und neben den beiden Anwältinnen des Angeklagten fordert auch der Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter, die sofortige Enthaftung des 23-jährigen, der in seiner Heimat Mitglied der sozialistischen Jugend ist.

Seine deutsche Anwältin: "In dieser Anklageschrift geht es wirklich über mehrere Seiten nicht um den konkret Beschuldigten, eigentlich steht eine ganze Demonstration zur Bewertung - so habe ich das jedenfalls noch nie erlebt."

Die Verteidigung hat Einspruch gegen die Anklageschrift eingelegt, man finde sie aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich.

Im Parlament hat der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, bereits einen Antrag eingebracht, den Paragraphen 274a, also Landfriedensbruch, ersatzlos zu streichen.

Währenddessen stärkt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihren Beamten nach dem Akademikerball bzw. den Vorfällen rund um die Identitären-Demo den Rücken, sie schreibt in einem Brief an die 23.000 Exekutivbeamten: "Wenn nach solchen Einsätzen reflexartig von bestimmten Gruppierungen, ja sogar politischen Parteien der Vorwurf kommt - schuld sei die Polizei, dann ist das mehr als befremdlich. Ich finde es, offen gesagt, unerträglich und unfair unseren Polizisten gegenüber, die mitunter ihre Gesundheit aufs Spiel setzen."

Update

Am 6. Juni fand der erste Prozesstermin statt. Dabei wurden die Zeugen einvernommen und erste Videobeweismittel gesichtet. Vorläufiges Ergebnis: Josef S. bleibt weiterhin in Untersuchungshaft, begründet wurde das mit "Tatbegehungsgefahr". Seine Verteidiger kritisieren das als unverhältnismäßig. Die nächsten Verhandlungstermine sind für den 21. und 22. Juli anberaumt.