Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Straftatbestand Landfriedensbruch"

Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

20. 3. 2014 - 14:48

Straftatbestand Landfriedensbruch

Gegen 500 TeilnehmerInnen an der Demo gegen den Wiener Akademikerball wird jetzt wegen Landfriedensbruch ermittelt. Aber was bedeutet das überhaupt?

Am 24. Jänner 2014 hat in Wien der Akademikerball, veranstaltet von der FPÖ, in der Wiener Hofburg stattgefunden, der Nachfolger der Wiener Burschenschafterballs (WKR-BAll), der schon seit vielen Jahren umstritten war.

Viele Menschen wollten das nicht so hinnehmen und haben gegen den Ball der rechten Szene in der Wiener Innenstadt demonstriert. Die Demonstration ist damals eskaliert.

Das Vice-Magazin hat Josef S. besucht, der seit sieben Wochen in U-Haft sitzt.

Die Nachwirkungen der Demo beschäftigen jetzt die Wiener Staatsanwaltschaft: Gegen 500 Personen wird wegen Landfriedensbruchs ermittelt, heißt es gestern. Und ein Demonstrationsteilnehmer sitzt unter anderem wegen Landfriedensbruchs in führender Rolle sowie schwerer Sachbeschädigung und Körperverletzung seit Ende Jänner in Untersuchungshaft.

Ich habe die Anwältin Anja Oberkofler gefragt, was dieser Straftatbestand überhaupt heißt und warum er auf DemonstrationsteilnehmerInnen angewandt werden kann.

Was heißt denn dieser ein wenig mittelalterlich anmutende Begriff des Landfriedensbruchs?

Der Begriff Landfriedensbruch stammt tatsächlich aus dem Mittelalter, und bezog sich damals auf das Verbot, eine Fehde durchzuführen.

Beim "Landfriedensbruch" handelt es sich tatsächlich um einen Paragraphen aus der Mottenkiste. Gemeint ist die Teilnahme an der Zusammenrottung einer Menschenmenge, die darauf abzielt, einen Mord, einen Totschlag, eine Körperverletzung oder - wie in diesem Fall - eine schwere Sachbeschädigung zu begehen. Problematisch ist an dem Paragraphen, dass man sich, auch wenn man selbst nicht konkret eine Straftat begeht, trotzdem strafbar macht, weil man Teil dieser Menschenmenge war.

Demonstration gegen den Akademikerball

APA/GEORG HOCHMUTH

Habe ich das richtig verstanden: Wenn ich an einer Demo teilnehme und irgendwo im Umfeld dieser Demonstration passiert irgendetwas, dann kann ich wegen Landfriedensbruch belangt werden?

Die bloße Teilnahme an einer Demonstration ist natürlich nicht strafbar. Sobald ich aber bemerke, dass die Menschenmenge darauf abzielt, Sachbeschädigungen zu begehen, dann muss ich mich zurückziehen. Wenn mir davon nichts bekannt ist, mache ich mich natürlich nicht strafbar.

Jetzt werden hier gegen gleich 500 Menschen Ermittlungen angestellt. Wie lässt sich denn so ein Landfriedensbruch überhaupt beweisen?

Beweisen ließe sich das zum Beispiel durch Videoaufzeichnungen. Also, zu welchem Zeitpunkt ist wem bekannt geworden, dass hier Straftaten begangen worden sind, und wer hat sich dann trotzdem nicht aus der Demonstration herausgelöst.

Ein deutscher Demo-Teilnehmer ist ja jetzt schon seit über sieben Wochen in Untersuchungshaft. Unter anderem eben auch wegen "führendem Landfriedensbruch", aber auch wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung. Wie können Sie sich denn erklären, dass der so lange in Untersuchungshaft bleibt?

Ich kenne den konkreten Fall jetzt natürlich nicht im Detail. Aber ich kann mir das so erklären, dass Staatsanwaltschaft und Gericht davon ausgehen, dass ein dringender Tatverdacht besteht. Nur ein solcher rechtfertigt nämlich die Verhängung der Untersuchungshaft. Und weiters, dass entweder noch Verdunkelungsgefahr besteht, dass er also Verabredungen treffen würde mit sogenannten Komplizen. Oder dass Tatbegehungsgefahr besteht, dass also befürchtet wird, er nimmt an anderen Demonstrationen wieder in einer Art und Weise Teil, bei der es zu Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen kommt.

Gibt es eigentlich Bestrebungen, diesen "Landfriedensbruch"-Paragraphen - der ja doch ein bisschen archaisch anmutet - irgendwann zu streichen? Oder ist das ganz praktisch, eben bei Demonstrationen.

Der Paragraph war lange nicht in Verwendung. Jüngst ist er aber schon in Zusammenhang mit Rapid-Fans in die Medien geraten. Auch da wurden einige wegen Landfriedensbruch verurteilt. Natürlich besteht schon eine Gefahr für die Zivilgesellschaft, wenn dieser Paragraph dazu verwendet wird, Leuten strafbare Handlungen zu unterstellen, die lediglich an einer Demonstration teilgenommen haben, die dann irgendwann gewalttätig geworden ist. Man muss mit diesem Paragraphen also sehr vorsichtig umgehen.