Erstellt am: 19. 5. 2014 - 17:21 Uhr
Polizeigewalt bei Demo unter schwerer Kritik
Am Samstag sind 100 "Identitäre" durch Wien marschiert - die erste Demo von Rechtsextremen seit 2008 in Österreich. 400 Menschen haben an einer Gegendemo teilgenommen. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei, wobei 37 Menschen festgenommen wurden, darunter mehrere Teenager. Eine schwangere Demonstrantin hätte laut der Tageszeitung "Standard" nach den Zusammenstößen ihr Kind verloren. Laut Presseaussendung der Polizei belege nun ein Befund, dass während der Amtshandlung keine Schwangerschaft bestanden habe. Dennoch steht der Vorwurf im Raum, dass die Exekutive mit exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vorgegangen sei.
APA/HERBERT PFARRHOFER
Augenzeugenberichte
Ein Gegendemonstrant schildert FM4, dass er und andere den Anweisungen der Polizei gefolgt und hinter einen Zaun zurückgestiegen seien, und dennoch habe ein Polizist einen Demonstranten neben ihm mit dem Helm auf seinen Kopf gestoßen:
"Zurück! Zurück! Zurück!" - Wir haben das gemacht und sind hinter den Zaun zurück. Ziel erreicht, das wollten sie ja. Und während ich mit dem Polizisten diskutiere, er solle die Aggression lassen, sprühen mir plötzlich andere Polizisten Pfefferspray mitten ins Gesicht. Das brennt höllisch, du kannst die Augen nicht mehr öffnen, da war ich fünf Minuten völlig außer Gefecht."
Unter den teilweise über Nacht Inhaftierten waren mehrere Mitglieder von der Sozialistischen Jugend. Einer beschreibt seine Erfahrungen in einem Erlebnisbericht:
"Einsatzwägen mit Blaulicht rasten, eine Meute DemonstrantInnen vor sich her jagend, rücksichtslos die Straße hinab um ihnen an der Ecke, an der wir auf die Straßenbahn warteten, den Weg zu versperren. Daraufhin flüchteten die panischen Menschen sich in eine Douglas-Filiale, aus der sie brutal gezerrt und auf die Straße geworfen wurden, während die Polizei unsere Gruppe trennte. Willkürlich ausgewählt ließ sie dann einen Teil unserer FreundInnen gehen und hielt uns sechs Übriggebliebenen SJ-lerInnen zusammen mit den Leuten aus dem Geschäftslokal fest."
Auch die "Standard"-Journalistin Colette Schmidt war vor Ort. Wie hat sie die Eskalation erlebt?
"Letzten Endes ist es natürlich die Aufgabe der Polizei, dass da nichts Gröberes passiert. Und wenn diese beiden Gruppen aufeinandergetroffen wären, ohne Polizei, dann muss ich auch sagen, wäre es so oder so unangenehm geworden. Das ist ihnen gelungen, dass sie die auseinandergehalten haben. Aber ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass die Polizei da ist, um die Linken zu schützen."
Diesen Eindruck von Schmidt teilen viele Demonstrierende: "Die Rechten sind geschützt worden und gegen die Gegendemonstration wird vorgegangen."
Polizei: "Recht auf Selbstverteidigung"
Johann Golob, der Pressesprecher der Landespolizeidirektion Wien, verteidigt das Verhalten der Exekutive mit dem Recht auf Selbstverteidigung:
"Die eingesetzten Kräfte der Exekutive waren mit massiven Gewaltanwendungen von Gegendemonstranten konfrontiert. Das heißt, die Polizei wurde angegriffen, von verschiedenen Gruppen, mit Holzlatten, mit Steinschleudern, mit Ziegelsteinen, Pflastersteinen, Wurfgegenständen."
Die Grünen fordern nun eine Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen und Polizisten, während die FPÖ dasselbe für Demonstrierende fordert. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner möchte in Zukunft verstärkt Videoaufnahmen bei Demonstrationen einsetzen. Wegen Vernaderungsgefahr will sie keine Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten. Wie steht sie zum Polizeieinsatz auf der Demo?
"Die Kommandierung wurde professionell vorbereitet. Jetzt gilt es, alle Vorwürfe im Detail zu prüfen."
Studiodiskussion in FM4 Connected
Wir fragten bei Augenzeugen nach und diskutierten heute von 16 bis 17 Uhr in FM4 Connected. Zu Gast waren der Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr und die Bundesvorsitzende des VSSTÖ Jessica Müller, die sich auch bei der Offensive gegen Rechts engagiert. Der Pressesprecher der Polizei, Johann Golob, konnte unsere Einladung leider nicht wahrnehmen.