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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

12. 5. 2014 - 16:41

Shaun White auf neuen Pfaden

Der Snowboard-Superstar wird Contest- und Festival-Veranstalter, geht mit seiner Band auf Tournee und will trotzdem dem Snowboarden treu bleiben.

Ein Superstar lässt gerne auf sich warten, doch die Kids, die im Tiroler Kühtai mit Shaun White snowboarden wollen, werden langsam ungeduldig. Die Kaltfront, die Ende April über das Land zieht, bringt feuchten Schnee mit sich und die Nachwuchsstars sind schon ziemlich durchnässt. "Wann kommt denn der Shaun?", hört man im Fünf-Minuten-Takt. "Gleich", lautet die Antwort. Bis dahin müssen sich die Kinder mit Werni Stock als Begleiter begnügen, doch ein Local zieht einfach nicht so wie ein zweifacher Olympiasieger, immer mehr ziehen sich ins Warme zurück.

Doch als dann endlich ein VW-Bus vorfährt, aus dem Shaun White mit seinen unglaublich engen Snowboard-Hosen, sein Markenzeichen, aussteigt, sind sie plötzlich alle wieder da und umringen ihn auf Jagd nach Autogrammen. Auf Helme, Boards, Jacken, Hosen, überall soll er unterschreiben. Erst als sich manche Kids zum fünften Mal für ein Autogramm anstellen, greift einer von Shaun Whites Betreuern ein, denn er soll auch noch mit ihnen Snowboarden gehen, und nicht nur seinen Namen schreiben.

Shaun White gibt Autogramme

Simon Welebil / FM4

Pause vom Snowboarden

Es ist das erste Mal seit den Olympischen Spielen, dass Shaun White wieder auf dem Snowboard steht. Nachdem er in Sotschi sein großes Saisonziel verpasst hat, zum dritten Mal hintereinander die Olympische Goldmedaille in der Halfpipe zu gewinnen, hat er sich eine Auszeit vom Snowboarden genommen. Die Reaktion vieler Medien nach seinem vierten Platz in der Halfpipe hätte ihn sehr überrascht. Sie hätten ihn abgeschrieben, über seinen Rücktritt spekuliert und das alles wegen diesem einen Abend, der in die Hose gegangen war. Dabei hat er im Vorfeld der Spiele Contests mit Lockerheit gewonnen und lange hat es so ausgesehen, als würde auch dieses Mal niemand an ihm vorbeikommen.

Shaun ist ein sehr kompetitiver Mensch und ärgert sich über seinen Auftritt in Sotschi mehr als über andere Niederlagen. Doch nicht deshalb legt er eine Snowboard-Pause ein. Der 27-Jährige, der seit gut 12 Jahren die Halfpipe-Contests dominiert, stellt das Snowboard regelmäßig nach der Wintersaison ins Eck, um sich die Freude am Sport nicht durch zu viel Training zu verderben. Dann greift er zum anderen Brett, dem Skateboard und fährt auch damit Erfolge ein. 2011 hat er etwa bei den XGames im Skate-Vert gewonnen und ist damit der einzige Sportler, der sowohl bei Winter- als auch Sommer-XGames Goldmedaillen geholt hat.

Shawn White

Radio FM4 / Simon Welebil

Für diesen Sommer hat Shaun White allerdings andere Pläne. Einer davon führt ihn mit seiner Band Bad Things auf Konzerttournee, der andere ins Kühtai. Im Jänner hat Shaun White mit seiner Firma die Air&Style Company gekauft, die Tiroler Veranstalterfirma der Air&Style-Contests, die auch den Snowpark im Kühtai betreibt. Für ihn schließt sich damit ein Kreis. 2002 hat er zum ersten Mal beim Air&Style in Seefeld teilgenommen, 2003 hat er den Contest gewonnen, 2010 hat er die Air&Style Premiere in Peking präsentiert und jetzt ist er der Besitzer der renommierten Contestserie. Mit seiner Erfahrung wisse er, worauf es bei einem Contest ankomme, das vorhandene Team solle nun seine Ideen und Visionen für den Contest umsetzen.

Air&Style Games

Shaun White will endlich die weltweite Expansion der Air&Style Contests vorantreiben, die schon seit Jahren verkündet wird und wegen dem schlechten Marktumfeld immer aufgeschoben wurde. In seinem Fokus steht dabei besonders ein Contest in Los Angeles, seiner Heimatstadt. Dort hat es selbst im Februar frühlingshafte Temperaturen, doch mit moderner Technologie könnte man auch am Strand von Santa Monica Schnee produzieren, den viele BewohnerInnen von L.A. nur vom Hörensagen kennen.

Der Air&Style in L.A. soll dabei nicht nur ein Snowboardcontest werden, sondern mehr Festivalcharakter bekommen, mit mehreren Bühnen, mehreren Bands, einer Fashion-Komponente und wahrscheinlich auch einem Skate-Contest, der den Menschen in Südkalifornien wohl näher liegt.

Solche Mischkonzepte aus Snowboard-Contests und Musik-Festivals sind allerdings schon öfter daneben gegangen, beim Air&Style in München etwa oder in der jüngsten Vergangenheit beim Fridge-Festival in Wien. Vielleicht gelingt es ja Shaun White mit seiner Erfahrung und seinem Promi-Bonus alle Beteiligten zufrieden zu stellen, Rider, Fans, Medien und Sponsoren. An seinen eigenen Contests teilnehmen will Shaun White allerdings nicht.

Standorte Innsbruck noch offen

Wenn Shauns Ideen in L.A. aufgehen, soll das Konzept auch auf die anderen Air&Style-Orte ausgedehnt werden. Peking ist für 2014 bereits fixiert, über Innsbruck schwebt noch ein Fragezeichen. Die Air&Style Company nützt den Eigentümerwechsel geschickt, um mit Stadt Innsbruck und Land Tirol um mehr Geld zu verhandeln. 1,5 Millionen Euro sollen Stadt, Land und der Innsbrucker Tourismusverband für die nächsten drei Jahre zuschießen, um den Contest in Innsbruck zu halten. Wie es scheint, geht diese Forderung auf und wir werden nächstes Jahr wieder einen Air&Style in Innsbruck erleben können.

Air&Style Schanze in Innsbruck

Air&Style Company

Air&Style im Bergiselstadion

Zukunft des Snowboard-Weltcups

Was seine neue Rolle als Contestveranstalter für die Snowboard-Szene insgesamt bedeutet, damit hat sich Shaun White noch nicht wirklich auseinandergesetzt. Dabei wird der Air&Style wohl mindestens drei der großen Contests auf der World Snowboard Tour stellen und Andrew Hourmont, Air&Style Gründer und jetzt Whites Angestellter, hat einen Sitz im Gremium der Tour.

Shaun White hat gemischte Erfahrungen mit der World Snowboard Tour gemacht. Er hat sie zwar gewonnen, sich aber nie wirklich heimisch gefühlt, weil sie für ihn so europazentriert war. Mit der Aufnahme der XGames und anderer US-Contests hat sich das in den letzten Jahren bereits geändert. Wie relevant sie für ihn in Zukunft werden könnte, hängt von ihrer Entwicklung ab, vor allem damit, ob sie die Streitigkeiten mit der FIS beilegen kann. Die Egos der Verantwortlichen stünden dem allerdings im Weg, wenn beide Seiten wollten, könnte er allerdings eine Vermittlerrolle einnehmen und "die Clans vereinen". Nur eine einheitliche Tour, die von allen akzeptiert würde, hätte seiner Meinung eine Chance.

Shaun White in einer Lederjacke in einer Zirbenstübe

Simon Welebil / FM4

Man merkt im Gespräch, dass die Olympischen Spiele für Shaun White mehr Wert haben als die anderen Contests. Falls die World Snowboard Tour auf den Olympischen Zug aufspringen könnte, hätte sie eine Chance, meint er. Bis dahin setzt er mit dem Air&Style auf sein eigenes Pferd. Seit einiger Zeit wird diskutiert, ob auch Snowboard Big Air zur olympischen Disziplin werden könnte und White will sich mit einer Air&Style Tour bis dahin als Kandidat für die Olympia-Qualifikation in Stellung bringen. Denn die Olympischen Spiele sind für ihn mehr als nur Show, sie brächten einen tieferen Sinn mit sich. Er meint damit, dass man bei den Spielen etwas für sein Land tun könne, was in europäischen Ohren etwas seltsam klingt, vor allem in einem Sport, der sich jahrelang wenig um nationale Grenzen gekümmert hat. Ob Shaun White als aktiver Athlet noch eine BigAir-Olympiaentscheidung mitmachen wird, ist fraglich, an seinen eigenen Contests will er auf jeden Fall nicht starten. Er sieht darin einen gewissen Interessenskonflikt.

Halfpipe Comeback nächste Saison

In der Halfpipe will Shaun White auf jeden Fall weitermachen. Bisher sei er von jedem Rückschlag stärker zurück gekommen, und auch nächste Saison will er wieder angreifen. Er hätte heuer zu viele neue Tricks gelernt, die er bei den Olympischen Spielen dann nicht in den Schnee setzen konnte, um mit dem Contest-Fahren aufzuhören. Nächstes Jahr könnten sich als seine Konkurrenten wieder warm anziehen.