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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

5. 2. 2014 - 16:48

"Wie Kindern Süßigkeiten stehlen"

Snowboard-Legende Terje Håkonsen ist noch immer ein Gegner der Olympischen Spiele

Es muss etwa 1994 oder 1995 gewesen sein, als ich das erste Mal einen Air&Style Contest besuchte und das Programmheft mit einem ironischen "Who the fuck is Terje Håkonsen?" aufmachte. Terje war damals der Superstar der Snowboardszene, ISF-Weltmeister, Europameister, US Open-Sieger und Air&Style-Champion sollte er auch noch werden.

Terje Håkonsen 1996

Zur Legende machte ihn aber nicht ein sportlicher Erfolg, sondern der Verzicht auf ein Sportereignis, das den meisten SportlerInnen als die Krönung ihrer Karriere gilt: die Teilnahme bei Olympischen Spielen. Terje boykottierte 1998, als Favorit auf Halfpipe-Gold, die allerersten Olympischen Spiele mit Snowboardbeteiligung.

Als ich Terje im Interview darauf anspreche, will er anfangs nicht wirklich über die Olympischen Spiele reden. Dazu habe er schon alles gesagt. Schließlich sprudelt es aber doch aus ihm heraus. "Es hat sich total selbstverständlich angefühlt, nicht an den Spielen teilzunehmen", sagt er. Schon 1994, noch bevor Snowboarden überhaupt ein Thema für die Olympischen Spiele war, als die etablierten Sportarten laut Terje Snowboarden noch hassten, wollte er von den Spielen nichts wissen.

Terje Haakonsen

CC BY 2.0 - flickr.com/skistar

Feindliche Übernahme

Einerseits störten ihn all die Bestimmungen, die das IOC den AthletInnen auferlegte, etwa der Verzicht auf eigene Sponsoren zugunsten der des IOC, den großen Fastfood- und Getränkekonzernen. Und dann war da die Angst vor der Übernahme des Snowboardens, die im Nachhinein mehr als berechtigt war.

Als das IOC entschied, Snowboarden in das olympische Programm aufzunehmen, wurde der FIS, dem Internationalen Schiverband, die Durchführung der Qualifikation übertragen. Der unabhängige Verband der Snowboarder, die ISF, die jahrelang eine funktionierende Contestserie mit Welt- und Europameisterschaften durchführte, wurde ausgebootet und ging kurz darauf in Konkurs. "Das IOC und die FIS zusammen hatten die ganze Macht im Marketing- und Sportbereich. Was sie mit Snowboarden gemacht haben, war, wie Kindern Süßigkeiten zu stehlen."

Old-School Chauvinismus

Viele RiderInnen protestierten zwar gegen diese Entscheidung, traten schließlich aber doch bei FIS-Contests an, um an den Olympischen Spielen in Nagano teilnehmen zu können. Für Håkonsen ist das ganze Konzept der Olympischen Spiele, wo Nationalteams gegeneinander antreten, ein wenig aus der Zeit gefallen. Seinem Vater sieht er es noch nach, dass er es genießt, auf der Rückseite der Zeitung den Medaillenspiegel zu lesen und danach am Stammtisch patriotische Gefühle auszutauschen. Für ihn selbst ist dieses "Mein Land ist besser als deines" ziemlich "Old School".

Terje hält nichts von Chauvinismus und dem inszenierten Kampf der Nationen, der sich auch im Starterfeld widerspiegelt. Das IOC wolle nicht die besten FahrerInnen am Start haben, sondern FahrerInnen aus möglichst vielen Nationen, um wichtige Fernsehmärkte abzudecken. Norwegen oder die USA haben etwa viele FahrerInnen, die in der Lage sind, bei einem Contest auf das Podium zu springen, aber nur maximal vier RiderInnen eines Landes dürfen bei den Olympischen Spielen antreten. In Österreich kennt man diese Situation aus dem Alpinbereich vom Schifahren. Es gehe dem IOC nicht um den Sport oder die Qualität der Veranstaltung, sondern nur um den kommerziellen Erfolg, so Terje.

Terje Haakonsen macht einen One-Foot

CC BY 2.0 - flickr.com/skistar

CC BY 2.0 Schon lang nicht mehr gesehen, perfekt ausgeführt, ein One Foot

Gemeinnützigkeit vs. Kommerz

Wenn es nach Terje geht sollte das IOC allen Menschen gehören und vor allem dazu da sein, sie aktiv dabei zu unterstützen, Sport zu treiben. Mit all seinem Geld könne das IOC viel Gutes bewirken, aber das meiste davon wandere auf Bankkonten oder in die Taschen von korrupten Funktionären.

Viele RiderInnen wüssten das, aber seinem Beispiel folgen und auf Olympia verzichten ziehen heute nicht mehr viele in Betracht. Selbst Szeneheld Torstein Horgmo ist heuer alle FIS-Contests gefahren, um sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, bis er sich vorgestern im ersten Sotschi-Training das Schlüsselbein gebrochen hat.

Patriotismus = Bullshit

Der Druck von Medien und SponsorInnen auf die RiderInnen, dass sie an den Spielen teilnehmen, sei heutzutage sehr groß, sagt Terje. Die jungen RiderInnen würden auch die Geschichte des Snowboardens nicht mehr kennen. Gegenüber Terje rechtfertigen sie sich dann damit, dass sie mit einer Olympiateilnahme etwas für ihr Land tun wollen, was er nicht akzeptieren will: "Ich kenne sie gut genug, um zu sagen, das ist Bullshit. Wenn sie ehrlich wären, würden sie sagen, ich mach es für das Geld und den Ruhm." Einige norwegische SportlerInnen wohnen aus Steuergründen in Monte Carlo oder Österreich, dass sie dann mit der norwegischen Fahne wedeln und behaupten, sie wären so stolz auf ihr Land, ist etwas, was Terje nicht verstehen kann.

MarkenfahrerInnen

Snowboarden ist gegenüber anderen Sportarten auch noch speziell, weil es aus einer Tradition ohne Nationalteams kommt: "Wir sind Markenfahrer. Meine Teamkameraden kommen aus den USA und anderen Ländern der Welt." Ihnen gilt seine Solidarität, und seinen Freunden.

Warum man die Olympischen Spiele aber auch gut finden kann, liest man z.B. hier.

"Es geht beim Snowboarden nicht darum, für dein Land eine Medaille zu sammeln, sondern um deine individuelle Leistung, das ist das Schöne an Action-Sports." Die Olympischen Spiele hingegen würden das Schöne an diesem Sport töten, sie seien schlecht für die Entwicklung und die Kreativität. Dass das nicht mehr SnowboarderInnen verstehen können und die Olympischen Spiele geschlossen ablehnen, will Terje Håkonsen noch immer nicht in den Kopf.