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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

23. 11. 2013 - 13:57

Ein lebensfähiger Hybrid?

Das Fridge Vienna Festival versucht den Spagat zwischen Big-Air-Contest und Elektrofestival, was nicht ohne Schmerzen abläuft.

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Vor mehr als zehn Jahren hat sich mit dem Soul City Silvestercontest der letzte Snowboard Contest aus der Bundeshauptstadt verabschiedet. Seit gestern ist Wien durch das Fridge Vienna Festival wieder auf der Snowboard-Landkarte vertreten. Die Veranstaler aus Ungarn haben ihr Konzept bereits in Budapest erprobt und es auch für Wien als tauglich empfunden.

Schanze beim Fridge Festival

Simon Welebil

Das Fridge Festival folgt dabei scheinbar dem Erfolgsrezept, das der Air&Style in Innsbruck etabliert hat und mittlerweile für alle City-Contests von Zürich bis Peking gilt: Eine große Rampe aus Stahl, eine Handvoll Top-Rider und angesagte Musikacts sollen das städtische Publikum dem alpinen Sport näherbringen. Doch das Fridge will sich davon abheben und protzt mit dem Musik-Lineup eines Sommerfestivals: The Prodigy, Paul Kalkbrenner, Grandmaster Flash und ein Dutzend anderer Acts sollen sich mit Snowboard-Action abwechseln. Dieser Spagat geht aber auf Kosten der Artists, dem Sport und auch der ZuschauerInnen.

Snowboard Sprung Fridge Festival

Simon Welebil

Organisatorische Schwächen

Schon ein erster Blick auf den Zeitplan bereitet Kopfzerbrechen, weil der Beginn des Contests am Freitag auf 14 Uhr angesetzt ist, die Siegerehrung aber erst um 23 Uhr. Neun Stunden auf der Donauinsel, ungeschützt vom Wind, der die Donaukälte in sich trägt, das wollen sich wohl die wenigsten antun. So stehen am Nachmittag auch nicht mehr als fünfzig Leute an der Rampe, um die erste Runde des Qualifyings anzusehen. Viel mehr sind es auch bei Grandmaster Flash noch nicht geworden, der kurz nach 15 Uhr auf die Bühne kommt, allerdings nur für drei Minuten. Dann macht ein Stromausfall seinem Set ein Ende, das er nach Behebung der Störung nicht wieder aufnimmt. Bei dem mangelnden Zuschauerinteresse kann man es ihm kaum verübeln.

Der Unmut der Anwesenden richtet sich mehr gegen die Veranstalter, die sich nach dem Stromausfall nicht einmal zu einer Durchsage durchringen konnten und das Programm fortsetzten, als ob nichts gewesen sei. Auch das "bargeldlose Festival" stößt einigen sauer auf. Bei den Ständen kann nur mit NFC-Karten bezahlt werden, was alles andere als reibungslos funktioniert. Wer noch keine neue Bankomatkarte besitzt, kann eine Wertkarte ausleihen und aufladen. Die fünf Euro Kaution, die dafür fällig sind, schreiben die meisten aber gleich wieder ab, weil die langen Schlangen vor den Ladestellen nicht gerade zum Zurückgeben einladen.

Die Dunkelheit macht munter

Publikum beim Fridge Festival

Simon Welebil

Erst als in Wien die Dunkelheit hereinbricht füllt sich die Anlage des Festivals langsam. Die Konzerte von Dub FX und xample & DJ Wire bringen das Elektro-Publikum zum Hüpfen. Einen Snowboarder springen haben die meisten von ihnen aber noch nicht gesehen, denn drei Stunden lang war auf der Schanze Pause. Als die ZuschauerInnen dann um 20.15 Uhr zum Contest-Finale zur Rampe rüberwechseln, sind ihnen die acht Finalisten nahezu unbekannt. Jeder von ihnen springt dreimal und nach etwas mehr als einer halben Stunde ist die Show auch wieder vorbei. Richtige Stimmung kommt nur beim einzigen Österreicher im Finale auf, Hias Weißenbacher, der vom Pulikum gepusht auf das Podium springt. Ansonsten tut das Format der Veranstaltung nichts Gutes.

Hias Weißenbacher

Simon Welebil

Hias Weißenbacher

Die Geschichten fehlen

Der Air&Style Contest setzt seit Jahren auf ein K.O.-System, wo jeder Rider einen direkten Gegner hat. Diese Duellsituation verspricht in jeder Runde Spannung und ist dem Publikum leichter vermittelbar. Hier in Wien fehlen die Geschichten, bzw. gehen sie über die lange Dauer der Veranstaltung verloren. Für diejenigen, die von Anfang an dabei waren, dauert die Veranstaltung schon viel zu lange, die anderen, die später gekommen sind, finden nicht mehr in das Geschehen auf der Schanze rein. Dabei hatte gerade das Finale großes Potential zu bieten.

Kyle Mack

Simon Welebil

Kyle Mack

Der erst 16-Jährige US-Amerikaner Kyle Mack führt mit seinem ersten Sprung komfortabel und geht dann zweimal höchstes Risiko, indem er auf der eigentlich viel zu kleinen Schanze Triple-Corks - momentan die schwierigsten Tricks im Repertoire der Top-Rider - probiert, sie aber nicht landen kann. Erst beim allerletzten Fahrer, dem Norweger Kim Rune Hansen, in dessen allerletztem Run, wird Kyle Mack für sein Risiko bestraft. Denn Hansen steht seinen Switch Backside 10er perfekt und verdrängt den Amerikaner noch auf Platz 2. Doch nicht einmal diese Wendung kommt so richtig zum Publikum durch, da die Siegerehrung erst zwei Stunden später angesetzt ist, nach dem Set von Paul Kalkbrenner.

Kim Rune Hansen beim Siegerinterview

Simon Welebil

Kim Rune Hansen beim Siegerinterview

Zukunft für das Fridge?

Das Fridge Vienna Festival ist laut den Veranstaltern ein Projekt, das auf mehrere Jahre angelegt ist, und bei dem ein Verlust am Anfang in Kauf genommen wird. Für die Premiere wurden 15.000 Tickets pro Tag aufgelegt, die aber wohl nicht ausgeschöpft wurden. Optimistisch geschätzt waren beim Contestfinale und beim Set von Paul Kalkbrenner an die 10.000 ZuschauerInnen am Gelände. Für eine Stadt wie Wien, in der die Contestlandschaft mehr als ein Jahrzehnt lang brach gelegen und die Snowboard-Szene auch sonst überschaubar ist, ist das eine beachtliche Zahl, aber es gibt noch Potential nach oben. Dafür sollte aber zumindest das Programm unter freiem Himmel gestrafft werden, nach einer Entscheidung, was die Veranstaltung sein soll: ein Elektronik-Festival, das einen Big-Air-Contest als Vorwand nimmt, um im November eine Open-Air-Bühne zu bespielen oder ein Big-Air-Contest mit Musikunterstützung? Irgendwas dazwischen sein zu wollen bietet jedenfalls eine Menge Frustrationspotential.