Erstellt am: 30. 4. 2014 - 18:12 Uhr
Waschen, schneiden, leben?
Who cares? Leben im Prekariat
Special am Mittwoch, 30. April in FM4 Connected (15-19 Uhr) und auf fm4.ORF.at
- Beim Kugerlwirt: Was hat Bubble Tea mit Leben im Prekariat zu tun? Wir haben versucht, es uns vorzustellen: eine Soap
- Waschen, schneiden, leben: Wenn FriseurInnen sich ihren Job kaum leisten können
- Ausbeuten 2.0: Wie man als Start-Up hochqualifizierte PR-Leute ausnützt
- Who cares? Was heißt "prekär" und welche Anlaufstellen gibt es? Links und Tipps.
- Studiodiskussion und Reportagen für 7 Tage on Demand.
Mama war Friseurin, Papa Hauptverdiener. Als Alleinerzieherin hätte sie mich und meine Schwester nur schwer durchgebracht: Statt Matura wäre Karriere mit Lehre Pflicht gewesen - so wie bei ihr. Oder Heidi, ebenfalls Mutter von zwei Kindern und Friseurin in Wien. Sie steht seit mehr als 35 Jahren im Salon: "Ich hab einen Partner, da geht das. Alleine wäre das nicht machbar".
Während Heidi kurz vor der Pensionierung steht, steht ihre Kollegin Kerstin erst am Anfang. Sie ist zwanzig Jahre alt, hat seit zwei Jahren ausgelernt und bekommt die kollektivvertraglich festgelegten 1.044 Euro netto im Monat. Damit liegt sie mit einem 40-Stunden-Job gerade mal 100 Euro über der Armutsgrenze in Österreich: "Der Kollektivlohn ist zu wenig für das, was man alles macht. Aber ich mag meinen Job. Niemand würde sich für das Geld 40-Stunden irgendwo hinstellen, wenn es ihm keinen Spaß machen würde." Kerstin bekommt zwar auch Trinkgeld von den Kunden, aber im Moment schaut es mit ihrem Tipp auch nicht so gut aus. Deshalb bessert sie ihren Lohn mit Pfuschen auf, mindestens 300 Euro verdient sie im Monat schwarz dazu: "Das geht sich dann gut aus. Ich wohn halt auch in einer WG. Wenn ich alleine wohnen würde, wäre das schon schwierig."
APA/dpa-Zentralbild/Marc Tirl
Ursula Woditschka von der Gewerkschaft Vida kennt das Problem, sie handelt alle zwölf Monate die Kollektivverträge der Branche aus: "Wir von der Gewerkschaft sind immer gegen Schwarzarbeit. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen sagen wir regelmäßig, dass wenn ordentliche Löhne bezahlt werden, die Kolleginnen nicht angehalten sind, sich noch was dazu zu verdienen."
Die Löhne waren laut Woditschka nicht immer so niedrig: "Wenn Frauen einen Beruf haben, dann ist er meistens billiger, als wenn Männer diesen Beruf ausüben. Wenn man auf die Geschichte zurückblickt, dann sieht man, dass es auch einmal ein Männer-Beruf war. Da waren die Löhne seinerzeit vor dem Krieg auch im Verhältnis höher als sie heute sind, wo der Job vorwiegend von Frauen ausgeübt wird. Frauen geben sich einfach mit weniger zufrieden, weil sie im Gesamteinkommen der Familie damit auskommen."
Finanzielle Abhängigkeiten sind eine mögliche Folge. Ursula Woditschka sieht es als Arbeitnehmer-Vertreterin in ihrer Pflicht, mehr Geld für die Friseurinnen herauszuholen, doch von Seiten der Wirtschaft gibt es wenig Bereitschaft dafür: "Die Kunden sind nicht bereit mehr zu zahlen, die Gesamtkosten sind gestiegen und deswegen bleibt für die Löhne weniger. Es gibt dann auch immer das Argument des Trinkgelds und das sind so unsere Schwierigkeiten, die wir häufig bei den Verhandlungen hören, die im Grunde gar nichts mit dem Lohn zu tun haben."
Ähnliche Argumente hört man auch von Karin Dopplinger. Sie ist Salonbesitzerin und steht als Innungsmeisterin auf Seiten der Arbeitgeber: "Natürlich würden wir uns alle wünschen, unseren Mitarbeiterinnen mehr bezahlen zu können. Aber durch die hohen Lohnnebenkosten ist das einfach nicht möglich. Wir haben ungefähr 60 Prozent Lohnkosten von unseren Umsätzen und wir haben auch viel Stehzeit, die wir bezahlen müssen, wenn kein Kunde da ist. Das macht es dann aus."
dpa/A2931 Bernd Weißbrod
Dumpingpreise von 10 bis 15 Euro pro Haarschnitt sorgen für eine harte Konkurrenz, vor allem in Wien, wo an jeder zweiten Ecke ein Friseursalon ist. Karin Dopplinger erzählt auch von einem Haarschneide-Tourismus ins benachbarte Ausland, weil es dort noch billiger ist. Neben der Geiz-ist-Geil-Mentalität der Kunden hat sich auch die Struktur der Branche verändert: Es gibt mehr Kettenbetriebe und Ein-Personen-Unternehmen, die sich beispielsweise in Salons tage- oder wochenweise einmieten.
Die Gewerkschafterin nennt es eine junge dynamische Branche - den 4.356 Lehrlingen, die letztes Jahr die Ausbildung in Österreich abgeschlossen haben, stehen vergleichsweise wenig Pensionierungen gegenüber. Wenn es schon soviele Friseure gibt, warum kann die Gewerkschaft nicht mehr Druck machen und für höhere Löhne eintreten wie in anderen Sparten?
"Die vielen Kleinunternehmen machen es für uns als Gewerkschaft schwer, sie zu organisieren. Eine große Firma oder ein herkömmlicher Industriebetrieb mit 400 Mitarbeitern kann man wesentlich besser organisieren. Da kann man viel mehr Druck aufbauen oder streiken als bei 26.000 Beschäftigten, die in ganz Österreich in Betrieben mit statistischen 1,5 Mitarbeiter abgestellt sind."