Erstellt am: 29. 3. 2014 - 15:26 Uhr
Tut euch das nicht an!
Aus dem Leben der Lo-Fi-Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt Berlin von Christiane Rösinger
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Beim ersten Mal Echo ist man noch euphorisch, freut sich an dem, was wie Glam wirkt: kreischende Fans und Stars auf dem lila Teppich. Aber das täuscht, das merkt man schon nach fünf Minuten im Saal. Selbst die Nominierten hocken total gelangweilt und angekotzt auf den reservierten Stühlen, verlassen sofort den Raum, sobald sie den Preis haben und so lichten sich die Reihen schnell. Denn hauptsächlich ist so eine Echo -Party das Branchentreffen des Bundesverbands der Musikindustrie und der Echo ist ein Verkaufspreis, es werden Musiker ausgezeichnet, die der Branche am meisten Geld gebracht haben. Aber die Musikindustrie ist ein seltsamer Verein - selten erlebt man Leute, die so wenig Begeisterung für das aufbringen, was sie verkaufen. Schlechtere Stimmung hat man bei einer Galaveranstaltung selten erlebt.
Mumiengleich kleben die Verbandsvertreter in den Sitzen, die Oberchefs in den ersten Reihen grinsen jovial und stolz wie Oskar, wenn die Kamera auf sie zeigt. Ein paar Dutzend Fans hat man als Klatsch- und Stimmungsvieh vorne an der Bühne eingepfercht. Bei der Jahresversammlung der Staubsaugervertreter-Abteilung Südbaden oder der Orthopädiefachtagung in Kassel- Wilhelmshöhe wäre wahrscheinlich mehr los.
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Auf der Aftershowparty später kann man jede Menge Vorabendserienstars und Castingshowteilnehmer herumstehen sehen. Dort werden die Musik-Betriebswirtschaftler und Vertriebschefs nach Alkoholgenuss auch etwas lockerer, führen die auf zu hohen Absätzen stöckelnde Gattin oder Freundin zu den jeweiligen Branchenecken, wo es allerlei Hochprozentiges gibt - Caipirinha bei Warner, Wodka Moule bei Sony. Da kann man auch mal ein paar ältere Rockgesichter - Campino oder Grönemeyer - aus der Nähe sehen, sie sind kleiner als im Fernsehen.
Wer diesen Wissensvorschuss hat, konnte sich am Donnerstag Abend die Anreise sparen und die dreistündige Show auch bequem vorm heimischen Fernseher aus verfolgen.
Echoverleihung im TV
Vielversprechend fing es an: Helene Fischer tanzte zuerst in einem goldbekränzten, halbseitig ärmellosen Gymnastikanzug auf einem Baugerüst mit Aufzug und sang "Atemlos durch die Nacht". Später wechselte sie ihr Outfit und trug fortan eine schwarze Unterhose (Fachbegriff "Jazzpants"), über die ein durchsichtiger schwarzer Vorhang fiel. Überpräsent blieb sie den ganzen Abend, denn sie eröffnete nicht nur die Show, sang ein Duett mit James Blunt, erhielt zwei Echos als Schlagersängerin national und für ihr Fünffach-Platin-Album "Farbenspiel", sondern moderierte auch gekonnt hölzern und dauergrinsend die Show.
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Schon nach zwanzig Minuten will der Abend nicht enden.
Warum nur ist es so furchtbar langweilig? Vielleicht weil eine Musikindustrie, die inzwischen nur noch aus den drei multinationalen Konzernen Warner, Sony und Universal besteht, wenig Vielfalt und Außergewöhnliches bieten kann? Vielleicht weil es zu viele Kategorien gibt? Newcomerin, Künstler und Künstlerin, Crossover, Alternative, Gruppe, Rock Pop, Electronic Dance, Hip Hop, Urban alles jeweils national /international. Aber auch Hit, Video/DVD, Produzent, Live Act und Album des Jahres. Dazu Lebenswerk, soziales Engagement, Partner, ganz zu schweigen von den Kategorien "Deutschsprachiger Schlager" und "Volkstümliche Musik".
Es ist alles so sinnlos, aber nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Gewinner selbst. Zwei Echos für den Hit des Jahres und in der Kategorie Electronic Dance Music International gehen an Avicii, er nimmt sie in Miami so dermaßen gleichgültig entgegen, dass einem der Überbringer des ungeliebten Preises, Mousse T., ordentlich leid tut.
Es können eben nicht alle so charmant wie Robbie Willams sein, der seinen Echo zwar auch nicht persönlich abholen mochte, aber Deutschland zu seinem Lieblingsland erklärte.
Der Echo tut immer so, als sei er ein renommierter Musikpreis und die Verleihung ein großes Event, den Grammys oder MTV Awards gleich. Über lange Strecken sieht die Veranstaltung aber so aus wie die beliebten Samstagabendshows "Frühlingsfest der Volksmusik" mit Florian Silbereisen oder "Willkommen bei Carmen Nebel". Schließlich gehen viele der Nominierten und Gewinner (Santiano, Faun, Helene Fischer, Beatrice Egli) dort ebenfalls aus und ein.
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Eines zeigt der Echo 2014: Alles, was nicht explizit "Alternative" ist, klingt wie deutscher Schlager. Auch diese mehrfach nominierte Beatrice Egli gibt Rätsel auf. Wer ist sie? Recherchen ergeben: Die Schlagersängerin kommt aus der Schweiz und hat in einer DSDS-Staffel gewonnen. Aber warum ist sie dann für Rock Pop International nominiert?
Es blieb ein dunkler Abend, da nutzte das ganze Lasershow-Spektakel nichts. Ein lichter Moment war die zwei- bis dreisilbige Laudatio des Werbe-Shootingstars Liechtenstein, als er "Supergeil, Superumschlag Supervideo" sagte und wieder ging.
Der Auftritt von Birdy war sehr schön, Gregory Porter zu sehen eine Erholung für Auge und Ohr. Yello bedankten sich in artiger Weise für den Lebenswerk-Echo, indem sie auf der Bühne mit dem Smartphone schnell ein paar Geräusche aufnahmen, sampelten und einen kleinen Song daraus machten.
Ein neuer Trend ließ sich an diesem trüben Abend feststellen: Es wird nicht nur auf Englisch und Deutsch, sondern zunehmend auf Elbisch gesungen. Die Pagan-Folk-Band Faun hat ihr Album gar "Von den Elben" betitelt und eine Newcomerin namens Oonagh, bisher bekannt als Rockchick aus "Gute Zeiten Schlechte Zeiten", singt ganz auf Elbisch, was letzte Woche schon bei Florian Silbereisen zu bewundern war.