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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

23. 2. 2014 - 15:26

FM4 Filmgeschichten: David O. Russell

Der "American Hustle"-Regisseur meint es im Kino todernst.

fm4.ORF.at/film

Kinorezensionen, SchauspielerInnen-Porträts und Interviews mit RegisseurInnen

David O. Russell schneit im dunklen, eng geschnittenen Designeranzug ins Zimmer eines Berliner Luxushotels herein. Der schwarze Rahmen seiner Brille platziert ihn irgendwo zwischen Hipster und Businessman.

"Is it affordable to stay with Bradley (Cooper) in Soho House Berlin?", wirft er noch schnell seinem Assistenten zu, während er mir beiläufig sagt, ich sähe aus wie Julie Delpy. Als ich ihm darauf antworte, "I don´t think so. You haven´t seen my profile. I have a big nose", lacht er und sagt: "No, I have a big nose".

Regisseur David O. Russell

APA/EPA/ARNO BURGI

Mit einem Haufen Oscar-Nominierungen in Folge - sieben für "The Fighter" (2010), acht für "Silver Linings Playbook" (2012) und nun zehn für seine 70es-Kleinganoven-Hommage "American Hustle" - zählt David O. Russell momentan zu den einflussreichsten Hollywood-Kreativen. Christian Bale, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence und Amy Adams gehen heuer in allen Schauspielerkategorien ins Rennen um die Academy Awards.

Zuvor ist David O. Russell noch sein launischer Ruf vorausgeeilt. Eine ganze Etage von PR-AgentInnen treibt er während der Berlinale an den Rand eines Nervenbruchs. Er sei einfach unberechenbar, flüstert man sich zu, und breche Interviews einfach ab, wenn sie ihn nicht interessierten. Mir fallen plötzlich die beleidigenden Schreiduelle ein, die sich David O. Russell mit Schauspielerin Lily Tomlin am Set seiner bizarren Romanze "I heart Huckabees" geleistet hat. Während des Drehs zu seiner Golfkriegssatire "Three Kings" soll Russell sogar die Fäuste sprechen haben lassen.

Das war einmal. Es war mal wild und jetzt ist David O. Russell mild. Vor allem meint er es ernst, sehr ernst, wenn er sagt "There is not a single drop of irony in the Bee Gees". Der Regisseur pocht auf einen eigenwilligen Soundtrack, den er wunderbar dialogisch einzusetzen vermag. Weder camp noch kokett wählt Russell die Musik für seine Filme aus. Sie spiegle das Innere seiner Figuren - ihren Überlebenskampf. Und da funktioniert eben auch der Paul McCartney & Wings-Song "To Live and Let Die" als seriöse Emanzipationshymne, wenn sich die umwerfende Jennifer Lawrence in "American Hustle" als naiv-sexy Vorstadt-Hausfrau Rosalyn Rosenfeld zwischen Mikrowelle und Antidepressiva die Wut aus dem Bauch singt.

Jennifer Lawrence in American Hustle

Tobis Film

David O. Russell geht mit der Maskerade auf Tuchfühlung

Die Frauen tragen in "American Hustle" V-Ausschnitt bis zum Zwerchfell. Das Männerhaar changiert zwischen Minipli und lichtem Seitenscheitel. David O. Russell umhüllt seine Figuren mit dem Glamour der ganz normalen Leute. Diese "layers clothing and layers of skin" im Film sind so, wie er sich an seine Eltern erinnert. Sie hätten sich wie die von ihnen inspirierten Charaktere eleganter erfunden, als es ihre Herkunft aus dem Arbeitermilieu erlaubt hätte. Die siebziger Jahre waren für den Exzentriker Russell viel unschuldiger, als sie in der New-Hollywood-Ära etwa von Regisseuren wie Martin Scorsese und Francis Ford Coppola mit ihren halsbrecherischen Anti-Helden entworfen wurden.

"Ich schätze den Mut zur Ernsthaftigkeit". Nicht einmal auf dem feinen Grat zwischen Drama und Komödie will Russell sein Polit-Gauner-Movie "American Hustle" verortet sehen. "Ich verbiete es mir, in meinen Filmen zynisch zu sein. Das ist ein Luxus, den konnte man sich nicht leisten in dem Milieu, aus dem ich komme. Ich habe erlebt, wie mein Vater, der in den 70er Jahren als Verkaufsleiter arbeitete, fast ruiniert wurde durch den Zynismus seiner Geschäftspartner." Spott, der andere Menschen verachtet, war nie eine Überlebensstrategie für Leute wie Boxer ("The Fighter") oder bipolare Menschen ("Silver Linings Playbook"). "Die würden sterben, wenn sie dem Leben gegenüber negativ eingestellt wären." Als Vater eines bipolaren Sohnes muss es David O. Russell wissen. Als nahezu kathartisch hat er es erlebt, ein Drehbuch über den psychisch kranken Ex-Lehrer Pat (Bradley Cooper) zu schreiben.

Silver Linings Playbook

Senator Film

Und dennoch "The beauty of life, the silver linings, that´s what my cinema is about." David O. Russell schließt wieder - wie so oft während unseres Gesprächs - die Augen. Weniger aus Müdigkeit, mehr zur Konzentration, eben weil der melancholische Romantiker es verdammt ernst meint.

FM4 Filmgeschichten mit David O. Russell

Das ganze Interview gibt es auch für 7 Tage on Demand zum Nachhören.

FM4 Filmgeschichten
    Donna Summer I Feel Love
    Oscar Peterson Blue Moon
    Bee Gees How Can You Mend A Broken Heart
    Paul Mc Cartney and Wings Live And Let Die
    Danny Elfman Walking Home
    Alabama Shakes Always Alright
    Henry Marcini The Party
    White Stripes Fall In Love Wit A Girl
    Chicago If You Leave Me Now
    Jack Jones I've Got Your Number