Erstellt am: 23. 1. 2014 - 16:49 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 23-01-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Sorry für den dailymäßig nicht erfassten gestrigen Mittwoch. Es lag an mir: ich war mit der ersten Fassung dieses Textes unzufrieden.
PS: Kurioserweise sind die beiden most-talked-about-Österreicher dieser Tage, Larissa Marolt und Eugen Freund nicht nur beide aus St. Kanzian/Klopeinersee in Kärnten, sondern quasi Nachbarn: Marolts Hotel-Heimat liegt auch direkt ums Eck von Freunds Sternwarte.
#medien #politik #eu-wahl
Es ist Murphy's Law in full effect: alles, was schiefgehen kann, geht auch schief. Das galt für Spindeleggers Fettnapf-Parcours, das gilt jetzt für die Eugen-Freund-Aktion der SPÖ. Und, nein, das hat nichts mit Schadenfreude oder Bosheit der Medien zu tun: diese Blamage ist selbstverschuldet, vom Kern her.
Welchen Bärendienst Eugen Freund seinen ORF-Kollegen mit seinem direkten (ohne Anstands-Wartezeit) erfolgten Wechsel vom Journalismus in die Politik (unter Missachtung aller ethischen Compliance-Regeln) erwiesen hat, habe ich bereits vorige Woche hier thematisiert. Ebenso wie das beklagenswerte Faktum, dass mit dieser windschiefen Quereinsteigerei die Beliebigkeit des politischen Aktivismus (des zentralen Merkmals der Faymann-SPÖ), das Geschiele auf Beliebtheits- und Umfragewerte so deutlich vor jeder inhaltlichen Debatte eben platziert wird, dass man da von einer partiellen Selbstaufgabe sprechen muss.
APA / Helmut Fohringer
Nun ist, nur eine Woche später, die einzige Basis, auf der die Freund-Entscheidung Sinn gemacht hat, komplett zerbröselt. Freund ist, nicht nur mit dem Profil-Interview, in die logische Falle getappt, und zwar eine, deren Aufstellung man niemandem, auch nicht dem boulevardeskesten Medium zum Vorwurf machen kann.
Wer sich - nachvollziehbar - nicht mit Fachfragen beschäftigen kann, sondern über seine Persönlichkeit definiert wird, darf nichts anderes als oberflächlich über Formalismen interviewt zu werden.
Herr Leichtfried und Frau Regner wäre das nicht passiert.
Es wäre auch niemand auf die Idee gekommen sie zu privaten Pensionszahlungen zu befragen oder die Ausbildung ihrer Kinder zu thematisieren: bei Freund bietet es sich an bzw. er bietet das alles an. Unforced.
In Interviews, die zwar angenehm unpolitikerfloskelhaft daherkommen, aber so vieles an persönlicher Befindlichkeit offenbaren, dass man gar nichts erfahren will und dadurch soviele Flanken öffnen, dass die Medienlogik gar nicht anders kann als sie anzubohren.
Der Glamour-Faktor des Quereinsteigers bereitet ja beispielsweise auch Frau Karmasin Schwierigkeiten: die wird auch noch so befragt als wäre sie der alte Grenadiermarsch, die Medienperson, die zu allem etwas anzumerken hat.
Immerhin ist Karmasin so gut gebrieft, dass sie zu Fragen, die ihre Agenden als Familienministerin übersteigen, nichts sagt. Freund, der zwar einen Pressesprecher aus dem Core-Umfeld von Faymann, aber offenbar kein Briefing erhalten hat (bzw. es abgelehnt hat oder sich als resistent erwies), bespricht alles und strudelt sich damit immer weiter in den Sumpf. Und mit jeder weiteren Aussage werden weitere Vorurteile (Abgehobenheit, Eitelkeit etc.) auf das Dringlichste bestätigt; und weil die ehemaligen Kollegen aus den eingangs erwähnten Gründen auch noch angefressen sind, entwickelt sich dann auch an dieser Flanke Zitables und Eskalationsförderndes. Und zwar ausschließlich.
Meist ist es leicht im Nachhinein, wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet ist, alles schon vorher gewusst zu haben. Diesmal tun sich die Kommentatoren leicht: Prominentsein ist kein Programm, ebenso wenig wie Frausein oder Schwulsein abendfüllend ist. Denn diesmal war die Problematik abzusehen.
Denn wenn der zu schnell und zu unvorbereitet ins Rennen geworfene Kandidat sich dann ausschließlich auf das Feld, das genau diese Themen abhandelt, begibt (weil die außenpolitische Kompetenz auch des besten Journalisten eben nicht ausreicht um komplexe europäische Themen so verhandeln oder nach außen tragen zu können, dass ein Diskurs gesetzt ist, der seichtes Geplapper hintanhält), wird er darin umkommen.
Das Faymann-Camp ist solchen Situationen hilflos ausgesetzt: wenn seine einzige Medien-Strategie (Kumpanei mit dem Boulevard) nicht greift, dann werden die neuen Kleider allzu schnell allzu deutlich sichtbar. Und das Engagement von Freund war eben kein Zeichen für einen Kurswechsel, sondern eine Bestätigung: Schein statt Sein; Symbolik statt inhaltliche Auseinandersetzung.
FM4 / Alex Wagner
Wie man es richtig macht, zeigt der dieser Tage deutlich bessere (gar nicht kandidierende) EU-Kandidat, Außenminister Kurz, der in Nebensätzen mehr Athmosphärisch-Positives über Europa-Politik zu sagen versteht als alle anderen zusammen.
Ausgerechnet Kurz, dessen Bestellungen immer als reine Symbol-Politik gesehen wurden, belegt (zum nun schon wiederholten mal), dass der Jungpolitiker die wichtigsten Lektionen soliden Managements deutlich besser intus hat als die alte Garde - zu der eben auch alte Quereinsteiger gehören.
Kurz ist nicht nur der erste, der seine europäischen Ministerkollegen kennt, sondern war auch der erste mit einem funktionierendem Team in einem ihm neuen Ministerium, der erste, der spürbar Akzente setzte, sofort seine inhaltlichen Schwerpunkte (Stichwort: Westbalkan) nannte, der erste (medial sogar der einzige), der die Ernsthaftigkeit seinem Job gegenüber greifbar machte, also der einzige, der Professionalität mit Amtsträger-Tugenden wie Würde und Demut verknüpft. Anstatt wie andere auf Anmaßungen, machtpolitische Spielchen oder reine Abwehrstrategien zu setzen. Okay, mir würden auch noch zwei, drei andere Minister einfallen, denen das auch - halt weniger medienwirksam - gelungen ist - bei Kurz ist es aber immer noch am verblüffendsten. Wohl auch deshalb, weil der Jungspund eine Annahme, eine sehr österreichische Zuschreibung durch seine politische Praxis konterkariert: die Kombination von Durchsetzungsfähigkeit und Macht.
Kurz mag weder als Integrations-Beauftragter noch als Außenminister im Alleingang Gesetze auf den Weg bringen, er verfügt über keinerlei Hausmacht um großangelegte Crossover-Projekte oder Intrigen zu spinnen, und er kann außer in seinem engsten Stab keine Jobs vergeben. Er ist also im klassisch-österreichischen Sinn nach der Häupl-Pröll-Definition völlig machtlos.
Was Kurz kann (und auch macht): einen anderen Ton anschlagen, Begriffe platzieren, Denkweisen jenseits des parteipolitisch so grindigen TINA-Grundsatzes auszuprobieren und so Definitionen ändern, die allgemeine Verschleierung durch allzu viele bewusst geworfene Nebelgranaten klären. Das ist ihm in seiner ersten Legislaturperiode als Quasi-"Ausländer"-Zuständiger gelungen und schon die ersten Tage von Periode 2 deuten an, dass Kurz aus seinem deutlich erweitertem Portfolio wieder etwas machen, wieder mehr rausholen wird, als zu erwarten stand.
FM4 / Alex Wagner
Auch weil er in (teilweise noch zu erringende) Kompetenz und eine inhaltliche Schwerpunkt-Setzung deutlich mehr investiert als in herkömmliche klassische Macht- bzw. Machterhaltungs-Politik und in blenderischen Boulevard-Schein.
Sobald Politiker nämlich in diese Falle tappen, ist es vorbei mit dem Bestmeinendsten. In dem Moment etwa, wo Josef Cap vom stichelnden Rebell und konkreten Beschäftiger zum Strippenzieher wurde, stand er inhaltlich still. Und bewegt sich erst wieder seit ein paar Wochen, seit er aus dem Machtzentrum eliminiert wurde.
Natürlich ist die Forderung nach der Trennung von Verantwortung und Macht unsinnig und unrealistisch - schlaue Politiker werden sich aber (und ich unterstelle Kurz, dass er das durchaus absichtlich so handhabt) bewusst aus dem energieverschleißenden Apparat und seinen Spielchen raushalten (wiewohl dort Pfründe ohne Ende abzustauben wären; die Wenderegierung hat vorgeführt, wie man die Republik so ganz halblegal ausnehmen kann).
Das klappt nicht nur dann, wenn einem die Agenda wichtiger ist als das persönliche Fortkommen (auch wieder ein kaum erreichbarer Idealzustand), sondern wenn man sich - wie Kurz - durch einen erstklassigen managmenttechnisch bewunderswerten Auftritt, reif für die Top-CEO-Posten in Österreich (mittlerweile auch bereits im deutschsprachigen Raum) macht. Und das ist sein Ziel, nicht Kanzler.
Der Eugen-Freund-Move ist in jeder Hinsicht das Gegenteil: ein (optisch allzu bequemer) Umstieg in die Politik, deren Seriosität man durch jede einzelne Aussage untergräbt, und die Abwesenheit jeglicher Managment-Qualitäten und jeglicher inhaltlicher Position. Da kann Murphys Gesetz dann gar nicht anders als anzulaufen.