Erstellt am: 14. 1. 2014 - 15:26 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 14-01-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
Der Bärendienst: Was Eugen Freund uns antut
#medien #euwahl #politik
In Deutschland kam es anlässlich der jüngsten Regierungsbildung zu einem seltsamen Vorkommnis: der als parteiintern durchaus mächtig geltende Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, ob seiner näselnden Stimme gut zu imitierendes Satire-Ziel, brach seine politische Karriere (von der viele Beobachter noch einiges erwartet hätten) ab. Er wolle bessere Lebensqualität, mehr Zeit für Privates, lautete die ein wenig burnout-gefährdet klingende Begründung.
Kurz danach wurde Pofalla als neues Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn präsentiert, zuständig für Lobbying.
Als noch dazu bekannt wurde, dass Kanzlerin Merkel dieser move ihres engen Mitarbeiters bekannt war, brach ein Sturm der Entrüstung los: ein Politiker, der direkt und bruchlos in die Wirtschaft geht, und noch dazu in einen Bereich wo die Wechselwirkung zwischen Politik und Business überdeutlich wäre, sei - compliance-technisch sowieso ein Wahnsinn - doch maximal nach einer Anstands-Zeit des Wartens möglich; so sei offensichtlich, dass Pofalla bereits im Wissen um seinen neuen Job im alten gearbeitet habe, was gegen jede politische Ethik verstößt.
In der Zwischenzeit ist der Fall soweit gediehen, dass der Wechsel wohl erst 2015 über die Bühne gehen kann - zu sehr steckt den Deutschen der Schröderismus, der bruchlose Wechsel eines Kanzlers zu Berater-Tätigkeiten für die russische Staatsmacht, noch in den Knochen.
In Österreich wird in vergleichbaren Fällen gern von der (personellen) Enge des Landes und von der politischen Realverfassung geplauscht. Wenn etwa der Abgeordnete Krainer auch noch direkter Kanzler-Berater wird und sich somit eine Unvereinbarkeit zwischen Legislative und Exekutive ergibt, wird das auf der Ebene der Verfassungs-Juristen abgehandelt - Öffentlichkeit und Medien kostet das nicht einmal ein Gähnen, so gewohnt ist man diese absolut unzulässige Vermischung von grundgesetzlich Getrenntem.
Wer glaubt, dass es sich da um Einzelfälle oder gar ein ORF-Phänomen handelt: wie ich den Fachmedien entnehme, wechselt "mit sofortiger Wirkung" der Kurier-Innenpolitik-Journalist Paul Trummer als Fachsprecher ins Team von VP-Vizekanzler Spindelegger. Auch hier: eine verheerende, die Glaubwürdigkeit der Medien untergrabende Optik.
Nun hat, nur Stunden nach seiner Abschieds-Feier aus dem ORF, Eugen Freund, langjähriger Redakteur und zuletzt ZIB-Moderator, bekanntgegeben, dass er - im zarten Alter von 62 - eine neue Karriere anstrebt. Freund wird Spitzenkandidat der SPÖ für die Europawahlen am 25. Mai.
Bruchlos.
Vom Bildschirm direkt runter auf die politische Bühne, ganz nach vorne ins Rampenlicht.
Ohne das halbe Anstandsjahr zwischen zwei komplett unvereinbaren Bereichen, dem des Journalismus im öffentlich-rechtlichen Medium und der Politik, dem hauptsächlichen Objekt seiner Berichterstattung.
Natürlich werden jetzt wieder die üblichen Verdächtigen genannt: Broukal, Stenzel, Martin, Aubauer, Kronberger, Sonnleitner, Zierler, Müller-Resetarits oder auch Worm, Kreuzer und Zilk. Der (die einzige echte Erfolgsgeschichte dieser Liste) hatte - zumindest gefühlt - auch in seiner politischen Arbeit einen journalistischen Ansatz jenseits der Parteilinie. Der Rest schwamm brav mit und ging großteils unter.
Freund erweist mit diesem neuerlichen Anlauf praktisch zu beweisen, dass ein ehemaliger Journalist wertvolle politische Arbeit leisten kann, uns allen einen wahren Bärendienst.
Zum einen, weil er eben keine Anstands-Pause nimmt, weil er die Grundregeln der Unvereinbarkeit verletzt, weil er so etwas wie Compliance-Richtlinien im Nachhinein verlacht. Auch weil in Österreich eine deutsche Pofalla-Debatte eben rein grundsätzlich nicht möglich ist, weil die Vermengungslage (auch im Denken der Öffentlichkeit und in der Berichterstattung der Medien) schon zu hoch ist.
Zum anderen, weil er einem Publikum, das sich immer gern alles noch schlimmer vorstellt, als es eh schon ist, Bestätigung bietet. Klar gilt er jetzt als jemand, der auch schon die letzten Monate und Jahre ein braver Erfüllungsgehilfe der Partei, die ihn jetzt aufstellt, war.
Dass ein Journalist, auch ein ORF-Journalist, gar ein ZIB-Moderator eine politische Einstellung/Meinung haben darf, haben soll - eh klar. Jeder Profi ist imstande Job (also halbwegs objektivierbare Berichterstattung) und Privates zu trennen und gute Arbeit zu leisten.
Es geht nur um die fatale Optik.
Um den Spott, dem die Kollegen nun ausgesetzt sind.
Um die logischerweise aufkommenden Verdächtigungen, die jetzt jedem/r entgegengebracht werden dürfen, ganz pauschal und emotional nachvollziehbar.
Wenn schon die Sozialdemokratie glaubt, sich mit rein populären Symboliken an den aktuell schwelenden Karmasinismus (Politik ohne Substanz, nur auf tagesaktuelle Umfragewerte ausgelegt) anschließen zu müssen - der untadelige vormalige Kollege Eugen Freund, der über eine solche Entwicklung zurecht mit spöttischem Mundwinkelzucken berichtet hätte, hätte sich einer derartigen Entwicklung entziehen und einen deutlich besseren Beitrag zur Aufrechterhaltung einer letzten journalistisch-ethischen Bastion leisten können.
Durch seinen Karriere-Sprung jedoch sorgt Freund für einen Generalverdacht jeden und allen gegenüber; im gesamten ORF.
Er füttert damit die Verschwörungs-Theoretiker, die ohnehin sämtliche Mitarbeiter als Parteibuch-Abhängige sehen und entsprechend diffamieren.
Er bürdet uns allen, der gesamten Branche, ein zusätzliches Bündel auf.
Er schürt das Misstrauen, das die Öffentlichkeit dem Journalismus ohnehin verstärkt entgegenbringt, die mithilft ihn tiefer in eine vielschichtige Krise zu drängen.
CR7 rules. Cristiano Ronaldo ist der Beste. Basta.
#fußball #sexualpolitics
Geheult wird in Österreich auch, weil David Alaba nicht im Welt-Team des Jahres auftaucht, für das er - eh schon Ehre genug - nominiert war. Das lautet so: Neuer; Dani Alves, Sergio Ramos, Thiago Silva, Lahm; Iniesta, Xavi, Ribery; Cristiano Ronaldo, Messi, Ibrahimovic. Und dafür ist unser David noch ein Stück zu grün. David Luiz, Pique oder Marcelo haben es (ebenso wie Özil, Bale, Neymar oder Falcao) ja auch nicht geschafft.
Ja, heul nur, Platini.
Ja, schimpf nur, Hoeneß.
Franzose sein reicht eben nicht. Und bei Bayern gut mitspielen auch.
Der beste Fußballspieler des Planeten muss mehr können. Über spezielle Fähigkeiten verfügen, Einzigartigkeit verströmen.
Und in einem Jahr, in dem Lionel Messi in jeder Hinsicht (sportlich, steuerlich...) ausgelassen hat, kann es nur einen geben: CR7, den Mann, der bei der Verleihung des Goldenen Balls geheult hat, weil die Befürchtung, dass die französisch-deutsche Lobby ihm das Verdienst abspricht, im Vorfeld so bedrohlich dastand.
Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro ist technisch, physisch und strategisch über alle anderen zu stellen. Seine Ballbehandlung, seine Schusstechnik, seine Schnelligkeit, seine Antizipation, sein schnelles Erfassen von Spielsituationen, seine Leadership-Fähigkeiten stehen über denen all seiner Konkurrenten. Und er weil mittlerweile sein Spielfeld-Ego, früher seine Achilles-Ferse, auch noch eingedämmt und zugunsten einer mannschaftdienlichen Art hintangestellt hat, ist er der Beste. Deutlich sogar.
Seine athletischen Fähigkeiten werden hier in dieser exzellenten forensischen Analyse (man beachte vor allem den Test im Dunklen) ausgewiesen; kein Wunder dass die auch in dieser ausführlichen und auch kritischen Analyse von spielverlagerung.de, dem führenden deutschsprachigen Blog verlinkt ist. Die enthält auch ein schönes Zitat seines ehemaligen ManU-Mitspielers Gary Neville, mittlerweile der witzigste Analytiker der Insel: "Er glaubte an Team-Ethik. Und er glaubte auch, dass es für das Team am besten wäre, wenn er der beste der Welt ist." True that. Und bis auf ein paar Grummeleien von Mourinho gibt es niemanden, der jemals mit CR7 gespielt hat und ein schlechtes Wort über ihn verliert.
Und im Gegensatz zu jenen, die mit schmierlappigen Prostituierten-Affären oder als Steuerhinterzieher belegen, dass sie abseits ihres tollen Spiels nicht unbedingt jedes Kriterium des omnipräsenten Jugendidols erfüllen können oder wollen, ist Ronaldo ein fast schon spatzenelfmäßiger Bravling.
Womit wir zu dem Punkt kommen, den seine (zahllosen) Gegner anführen. Die (zumindest die mit Resthirn) gestehen dem auf Madeira geborenen Portugiesen all das hier Beschriebene zu, verweisen dann aber auf ein unentgegenbares Argument: er wäre so unsympathisch.
Seine Spielweise sei arrogant und aufreizend, seine denkmalartige Freistoß-Pose eine dauernde Provokation, seine äußere Erscheinung (die ölige Frisur, der geschönt erscheinende stählerne Körper) ein Beleg für Eitelkeit, die nach Beckham noch erweiterte Metrosexualität unerträglich.
All das sind in Wahrheit halt- und hilflose Abgrenzungs-Krücken, die ein verunsichertes Publikum der letzten Bastion des männlichen Machismo gegen die Bedrohung durch das allzu körperliche und somit schwule entgegenzusetzen hat. Ich hab' das vor einigen Monaten schon ausführlicher thematisiert.
Was man Ronaldo vorwirft ist nämlich all das, was man selber gern können/machen würde: in seinem Bereich Überlegenheit erlangen und es dann auch ausspielen. Dass CR7 seine Fähigkeiten mittlerweile so mannschaftsdienlich verwendet und umsetzt wie nur möglich, macht die von seiner partiell femininen Körperlichkeit (dem tänzerischen, dem zickigen...) in ihren Grundfesten geschockte Gegnerschaft umso mehr fertig. Ronaldo riecht zu sehr nach Armani und nicht genug nach Schwitzkasten-Kabine.
Der Ballon d'Or wird allerdings nicht (nur) von den Journalisten, unter denen so viele Ronaldo-Hasser zu finden sind, sondern von den Coaches und Kapitänen der Nationalmannschaften vergeben; also Menschen, die die Qualitäten des echten CR7 von den virtuellen Zuschreibungen einer von Paradigmenwechseln geschüttelten Öffentlichkeit unterscheiden können.
Weshalb heuer die Wahl des Besten auch den Besten traf.