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Pia Reiser

Filmflimmern

6. 11. 2013 - 14:46

Vlog: Haudegen und Regisseur

Samanatha Fullers Doku über ihren Vater Samuel Fuller ist eine Liebeserklärung an einen Papa und ein Blick ins tatsächlich abenteuerliche Leben des Regisseurs.

Viennale

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Vorgestern Karloff, gestern Samuel Fuller, ich bleibe in Hollywoods Vergangenheit, nicht der schlechteste Ort, an dem man sich aufhalten kann, wie ich finde. "A Fuller Life" ist ein Film von Sam Fuller über Sam Fuller, nur, dass es sich bei Sam Nummer Eins um Samuel Fullers Tochter Samantha handelt. Basierend auf der Autobiografie "The third face" hat sie ihrem Vater zum 100. Geburtstag eine filmische Liebeserklärung gemacht. Jedes Wort, das in der Dokumentation fällt, stammt aus dem Mund bzw. der Feder des Regisseurs Samuel Fuller.

Samuel Fuller

criterion

Sam Fuller bei den Dreharbeiten zum umstrittenen "White Dog"

Statt auf Talking Heads, die sich in Anekdoten ergehen, deren Schluss ja dann doch immer ist, dass die Person, um die es geht, ein guter, nein, der beste Kerl war, wird "A Fuller Life" fast zum Hörbuch. James Franco, William Friedkin, Mark Hamill, Jennifer Beals, Monte Hellman, Joe Dante und andere lesen auszugsweise Kapitel aus der Autobiografie, die vom durchaus aufregenden und rastlosen Leben Fullers erzählt.

Wim Wenders

viennale

Die Leser sind alle mehr oder weniger Freunde der Familie, wie Samantha Fuller nach dem Film erzählt, viele von ihnen haben mit ihrem Vater zusammen gearbeitet. Man lauscht also den Geschichten Fullers über seine Zeit als Kind in New York, wo er als Zeitungsjunge arbeitet, über seinen Einsatz im zweiten Weltkrieg - Fuller ist einer der Soldaten, die am D-Day in der Normandie landen - seine Arbeit als Autor, Drehbuchschreiber und Regisseur.

Still aus "Naked Kiss", Frau, die sich Perücke vom Kopf zieht

filmmuseum

"The Naked Kiss"

Die Filmausschnitte aus seinen Werken - von "The Naked Kiss" über "The Big Red One" und "Shock Corridor" - dienen als Beleg für das Verarbeiten von Themen und Geschehnissen aus seinem Leben. So erfährt man zwar wenig über die Filme, andererseits ist es eine eher ungewöhnliche und sehr persönliche Art des Erzählens, das Werk derart ins Leben einzuflechten. "A Fuller Life" versucht den ganzen Fuller einzufangen, nicht bloß den Regisseur. Dessen erste Kamera-Aufnahmen - das findet seine Tochter erst nach seinem Tod heraus - zeigen das Konzentrationslager Falkenau (heute: Sokolov). (Siehe auch die Doku "Falkenau - The Impossible"). Fuller wird die Befreieung Falkenaus und seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg in seinem Film "The Big Red One" verarbeiten und thematisieren.

Lee Marvin in "The Big red ONe"

viennale

Der Fuller, dem wir hier begegnen, ist ein fescher Haudegen, ein verschmitzter Mann, von dem es kaum ein Foto gibt, auf dem er nicht eine Zigarre pafft. So schön könne das Dach über seinem Kopf gar nicht sein, dass er nicht jederzeit losziehen würde. Fuller ist ein Abenteurer und abenteuerlich ist auch sein Oevre. Dass sein Wirken als Regisseur, seine kontroversen Filme, seine Arbeit als Schauspieler und sein Einfluss auf die Nouvelle Vague in "A Fuller Life" nur angedeutet oder gar ausgespart werden, ist schade, aber das war auch nicht die Intention von Samantha Fuller. Sie sei ein "Daddy's Girl" und nun habe sie ihrem Vater ein Geschenk gemacht. Über formale Schnitzer und den ein bisschen sehr aufdringlichen Soundtrack mag man sich gar nicht beschweren, vor allem dann nicht mehr, wenn man Fuller nach dem Film erzählen hört.

Christa lang-fuller, samatha fuller und samuel fuller

samantha fuller

Mit 63 Jahren wird Samuel Fuller Vater

Von seinem shack, das die Familie so gelassen hat, als würde er jederzeit um die Ecke biegen, von der bizarren Geschichte, dass er mal mit einer Frau verheiratet war, die zum gleichen Zeitpunkt auch mit Buster Keaton verheiratet war. Später wird sie auch das berühmte Zitat ihres Vaters aus "Pierrot le Fou" zitieren. "Film is like a battleground: love, hate, action, death… In one word, EMOTION." Genau das wünsch ich mir auch von der Viennale, aber durch meine nicht ganz so geglückte Filmauswahl und die verknappte Zeit, die ich dabei sein konnte, bin ich bis jetzt noch keinen Battleground-Filmen begegnet. Andere aber schon, und ich weiß jetzt ja, was ich nachzuholen habe: Auf jeden Fall "The Act of Killing" und "La vie d'Adele".

Zwei Frauen, die such umarmen, Szene aus "Blue is the warmest color"

viennale

Dann erfahr ich noch, dass Nicolas Cage Dienstag Abend als UN-Sonderbotschafter in Wien war und den Bart aus "Joe" hatte er auch noch mit dabei. Schade, dass sich da kein Viennale-Besuch ausgegangen ist. Schade auch, dass die Viennale oft nicht bei Dokumentationen über Film ein paar Slots für weiterführende Filme öffnet, wie gern hätte ich letztes Jahr nach der Doku über Roger Corman ein paar Filme von ihm gesehen, genauso geht es mir nach "A Fuller Life" (Letztes Jahr gabs ein schönes Doppelscreening von "Room 237" und "The Shining). Da das Filmmuseum ohnehin zwölf Monate im Jahr erstklassiges Programm und herrliche Retrospektiven zeigt, könnte man die Retrospektive, die während der Viennale läuft, ruhig durch Derartiges ersetzen. Lieblingsfilme von anwesenden Gästen, Filmreferenzen aufzeigen, Filmwelten erweitern.

Schnell zu Ferrell

Heute ist es soweit, die Karotte vor der Nase der Viennale findet statt, ein "Anchorman"-Screening, bei dem Will Ferrell vorbeischaut. Im Gartenbaukino-Foyer wird man heute hysterische Höchstwerte messen können. Mehr dazu dann morgen.