Erstellt am: 5. 11. 2013 - 12:48 Uhr
Vlog: Monsterparty
Viennale
Alle Artikel zum Vienna International Film Festival
- fm4.orf.at/viennale: Das Viennale Tagebuch
- Will Ferrell Tribute: Eine Verbeugung vor dem Komödianten
- orf.at/viennale
- viennale.at: Alle Infos zu Programm und Tickets
Bei letzten Malen werden ja selbst hartgesottene Seelen leicht nostalgisch, eine butterweiche Seele wie ich sitzt dann gerührt und seufzend im ehemaligen Stadtkino, das jetzt für die Viennale zum "Kino am Schwarzenbergplatz" wurde, damit man es nicht mit dem "Stadtkino im Künstlerhaus" verwechselt. Ein kleiner Schildbürgerstreich der Nomenklatur. Der "Wieso war ich hier nicht öfter"-Gedanke holt mich ein, während ich mich an einem Tee und den mannerschnittenpackungsfarbenen Säulen erfreue, selbst der seltsame Geruch, der oft im Saal hing, ist heute verschwunden und himmel, sind diese Sessel bequem. Ich werde meinen letzten Besuch im Stadtkino in bester Erinnerung behalten.
Auflösung des Idylls
In Siegfried A. Fruhaufs Kurzfilm "Still Dissolution" passiert genau das, was der Titel verspricht. Vier Fotos, also stills, nebeneinander aufgereiht, die eine idyllische Landschaft zeigen, lösen sich auf. Unter Protest, das Material wölbt sich, wirft Blasen, wird unkenntlich, die Idylle verschwindet, das Material wird zwar zerstört und doch durch die Verfärbung und das Sich-Aufbäumen wirkt es zum Leben erweckt. Das Material wird zum Protagonisten.
Boris! Karloff!
Der Titel passt auch zu dem Film, der danach kommt, denn in "Masque of Madness" werden Stills zwar nicht aufgelöst, aber aus ihrem bisherigen Kontext gelöst. Norbert Pfaffenbichlers "Film Monolog" ist ein 80minütiger Mash Up aus dem Gesamtwerk des Schauspielers Boris Karloff. Der Mann, der 1931 als Frankensteins Monster berühmt wurde und mit wenigen Ausnahmen ein Leben lang dem Horrorgenre treu bleiben würde. Aus ca. 180 Filmen (auch dabei: mein Trash-Lieblingsfilm "Ghost in the Invisible Bikini", den ich gern zeige, wenn ich auflege) einer 50 Jahre umspannenden Karriere hat Pfaffenbichler eine Hommage geschaffen, einen assoziativen Rausch durch die Filmgeschichte und eine genaue Genre-Beobachtung. Denn egal ob Stumm- oder Ton, Schwarz/Weiß- oder Farbfilm, manche (Horror-)Dinge ändern sich nie.
sixpackfilm
Mumie, Jeykill, Wissenschafter
Und so knarren die Türen, humpeln Monster über dunkle Gänge oder sitzen in Verließen, raufen sich Wissenschafter im Labor die Haare, liegen Augäpfel in Schubladen rum und dampft es aus den Petrischalen. Karloff interagiert mit sich selbst, andere Protagonisten gibt es in "A Masque of Madness" nicht. Wir treffen ihn alt, jung, vollbärtig und glattrasiert, mit Geheimratsecken und zu Berge stehenden Haaren, als Russe, Araber, Asiate, Priester, Butler, Monster und verrückten Professor, der Monster erschafft.
sixpackfilm
Totentanz
Pfaffenbichler hält sich an das, was aktuelle (kurze) Mash Ups populär macht, bündelt Wiederholungen und Genremerkmale, baut also kleine - Achtung, 10 Mark in die Wortspielkasse - Tropenwälder. Dass man auf einer Länge von 80 Minuten niemals das Interesse verliert, liegt unter anderem auch an dieser Bündelung an Themen, an dem Witz, der sich ergibt, wenn Karloff mit Karloff über Jahrzehnte hinweg spricht und dem treibenden Rhythmus, zu dem "A Masque of Madness" seinen irrlichternden Totentanz aufführt. Pfaffenbichlers Film besticht nicht durch Retro-Sehnsucht, die altes Filmmaterial auch schon mal mit sich bringen kann, sondern durch die Erschaffung eines neuen Kontexts. You will notice a rhythm, a repeated pattern, sagt einer der 180 Karloffs mal und liefert somit auch einen treffenden Kommentar über "A Masque of Madness" ab.
sixpackfilm
Mash up als Impulsgeber
Es ist schön, einen Mash Up zu sehen, der nicht im Zuge einer trendigen Buzzfeedisierung von Inhalten entstanden ist, sondern der Beweis dafür wird, dass Film mehr ist als Film, dass aus bestehendem Material, Phoenix aus der Archivasche gleich, Neues entstehen kann. Andererseits glaube ich auch, dass Mash Ups eine gute Möglichkeit sind, Leute für etwas zu begeistern, als Interssenswecker. Nach der faszinierenden Karloff-Oper wünsch ich mir eine Karloff-Retrospektive, damit man gleich weiter in diese Welt tauchen kann. At the count of three you will wake up and remember nothing orakelt Karloff von der Leinwand, während sich psychedelische Lichtorgeln drehen. Glücklicherweise ist es nicht so, der hypnotische Tagtraum hält lange an.
So, jetzt aber
Es scheint, als hätt ich mit "La vie d'Adele" den Film verpasst, der einen aus den Socken haut, ich nehm mir wieder mal vor, auch abseits der Viennale dem Kurz- und Experimentalfilm mehr Aufmerksamkeit zu widmen, ein Vorsatz, der wahrscheinlich bis zum nächsten "Thor"-Plakat hält und now to something completely different, es gibt ein erstes Teaserbild für die dritte "Sherlock"-Staffel und das schau ich jetzt an, bis "A Fuller Life" losgeht!
BBC