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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

23. 4. 2013 - 17:38

Zu wenig Unterschriften

Die Volksbegehren "Demokratie jetzt" und "gegen Kirchenprivilegien" sind eindeutig an der Hürde von 100.000 Unterstützern gescheitert. Politikwissenschaftler Vedran Dzihic analysiert das Ergebnis.

69.841 Personen konnten sich aufraffen, das Demokratiebegehren zu unterschreiben, noch weniger waren es beim Volksbegehren "gegen Kirchenprivilegien", nämlich 56.660. Damit sind die beiden gestern Abend zu Ende gegangenen Volksbegehren die erfolglosesten in der Geschichte der Zweiten Republik. Ein herber Schlag für die Organisatoren.

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Die Initiatoren des Volksbegehrens "Demokratie jetzt!" sind vom schlechten Ergebnis enttäuscht, wollen aber weiter für mehr direkte Demokratie kämpfen. Die Gründe für das schwache Abschneiden sehen sie in ihren schwachen finanziellen Ressourcen und einer gewissen Resignation der Bevölkerung. Diese Probleme verortet auch Politikwissenschaftler Vedran Dzihic, der bei Robert Zikmund im FM4 Connected Studio zu Gast war. Dzihic lehrt aktuell an der Universität Wien, in Bratislava und Sarajevo und beschäftigt sich mit der Entwicklung des demokratischen Systems.

Politikwissenschaftler Vedran Dzihic

FM4 / Alex Wagner

Woran liegt es nun wirklich, dass das so schlecht gegangen ist?

Es gibt viele Gründe. Ein zentrales Argument für mich ist die Tatsache, dass eigentlich das, was die Volksbegehren bekämpfen wollten (vor allem das Begehren für mehr direkte Demokratie), also die Krise der Demokratie, sich als verhängnisvoll erwiesen hat. Das heißt, die Leute sind müde und passiv und sie wollen nach den Gesetzen der derzeitigen Demokratie unterhalten werden. Sie wollen, dass man ihnen etwas gut verkauft, dass es klar und präzise ist. Doch dieses Volksbegehren war alles andere als auf den Punkt gebracht. Es gab zu viele Forderungen, es war zu schwammig, es konnte auch nicht richtig "verkauft" werden, weil die Mittel fehlten. Es fehlte das Politikmarketing, das für den Erfolg in der heutigen Demokratie zentral ist. Dazu kam noch, dass gerade die alte Generation das Volksbegehren beworben hat, was nicht unbedingt für eine Erneuerung des demokratischen Systems steht.

Die alte Generation, also Voggenhuber und Busek zum Beispiel. Voggenhuber hat gemeint, es sei die Schuld der Medien, sie hätten zu wenig darüber berichtet. Du würdest den Fehler aber eher in der Kommunikation selbst suchen, bei den Initiatoren?

Es ist sicherlich die Kommunikation, natürlich aber auch, dass man in der heutigen Gesellschaft um die Aufmerksamkeit kämpfen muss. Die Initiatoren haben es aufgrund der geringen Mittel, die ihnen zur Verfügung standen, manchmal aber auch aufgrund der Lauffaulheit der einzelnen Proponenten, nicht geschafft, diese Aufmerksamkeit zu schaffen. Und da gibt's natürlich auch noch was ganz anderes, nämlich die Tatsache, dass die Volksbegehren in der österreichischen Politik bis heute kaum oder sehr sehr wenig ernst genommen wurden. Wenn man sich dieses Bildungsvolksbegehren ansieht, das vor einigen Jahren über die Bühne ging, das hatte doch beträchtlich mehr an Stimmen gewonnen, das wurde im Parlament abgewürgt. Das heißt, die Tatsache, dass die österreichische Politik und das Parlament die Demokratie in diesem Sinne nicht ernst nehmen hat sich eben gegen jene gewandt, die das verändern wollten.

Ist das Instrument des Volksbegehrens damit nachhaltig beschädigt worden?

Nein. Es muss aber reformiert werden. Es wurde in der aktuellen Form nicht durch die beiden Volksbegehren beschädigt, sondern durch die Praxis davor, und das macht eine Reform unumgänglich, damit das Instrument Sinn macht.

Nach diesem Bauchfleck dieser beiden Begehren könnte man sich ja auch fragen: Wollen die Bürger am Ende gar nicht so viel mitentscheiden, wie das die Politiker glauben?

Ich glaube nicht, dass das die Schlussfolgerung ist. Die Bürger wollen schon mitentscheiden, nur geht's um die zentrale Frage in welchen Bereichen und wie. Die beiden Volksbegehren haben gezeigt, dass die Bürger in lokalen Kontexten, also wo es tatsächlich um etwas geht, das sie betrifft, durchaus in der Lage und bereit sind mitzuentscheiden. Bei großen Themen, die sehr diffus sind - Demokratie ist zum Beispiel als Begriff sehr komplex und diffus, hier gibt es sehr viele Konnotationen und Bedeutungen - da tun sie sich schwer. Das heißt, da braucht man etwas Konkretes, an dem man sich festhalten kann. Die Schweiz mit ihren direkten demokratischen Instrumentarien zeigt zum Beispiel, dass man die Bürger zu den Wahlurnen bringt, wenn es um die konkreten relevanten Zusammenhänge geht. Eine Krise der Demokratie oder die Probleme der Kirche wurden nicht als dermaßen relevant und brennend erkannt.

Was auch noch dazu kommt: Eigentlich sollte das Volksbegehren ein Instrument für die Bürger sein. Was wir aber - auch in den letzten Jahren - sehen ist, dass alle erfolgreichen Bestrebungen meistens auch eine politische Kraft, eine Partei hinter sich hatten. Inwiefern haben die Parteien dieses Instrument verwässert oder in Geiselhaft genommen. Kann man das so behaupten?

Das kann man teilweise durchaus so behaupten. In der österreichischen Innenpolitiken spielen die großen Parteien - und mittlerweile auch die FPÖ - eine dominante Rolle. Das heißt, es ist ein parteipolitisch-dominiertes System, das sich von anderen Politik-Systemen unterscheidet, und hier besteht die Gefahr der Geiselhaft. Wenn in der Vergangenheit unabhängige Volksbegehren initiiert wurden und sie nicht von großen Parteien getragen wurden, waren sie eher zum Scheitern verurteilt. Die formale Politik hat da immer den längeren Atem gehabt.

Welche Zukunft siehst du für das Volksbegehren als Instrument, oder größer gefasst für das Streben nach direkter Demokratie? Wird jetzt mal eine Zeit lang Pause sein oder ist der Boden bereitet, dass wir dann in einem Jahr wieder ein Volksbegehren haben oder wars das jetzt dann?

Ich glaube nicht, dass es das war. Es gibt bei den Menschen doch eine sehr große Unzufriedenheit mit der Politik und mit der Art, wie regiert wird. Ich glaube, dass in den nächsten Jahren zunächst die Protestparteien die Stimmen für sich beanspruchen werden, wie aktuell zum Beispiel beim Team Stronach. Ich glaube aber auch, dass aus den breiten zivilgesellschaftlichen Bewegungen auch neue Volksbegehren auftauchen werden. Nur müssen sie diesmal deutlich konkreter werden, sehr viel mehr to the point, und dann werden sie wahrscheinlich auch Erfolg haben. Weil die Krise der Demokratie lässt sich nicht kleinreden, sie ist da, die Bürger wollen mitentscheiden und sie werden es auch tun. Sie werden nur andere Wege suchen.

Das heißt wenn wir das jetzt abschließend einordnen in die Geschichtsbücher - wenn wir in zehn Jahren zurückblicken, können wir da sagen, das war eine reine Fußnote, oder doch der Anfang der Krise der Bürgerbeteiligung?

Ich würde sagen in zehn oder fünfzehn Jahren ist es eine kleine Fußnote, die hoffentlich auch das Bewusstsein geschärft hat, wie man es tun soll, wie wichtig die Bürgerbeteiligung ist. Und dass das auch eine Fußnote ist, mit der unter Umständen eine Reform des recht faulen demokratischen Wesens in Österreich beginnt.