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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

8. 4. 2013 - 10:19

Tagebuch zum Jahr der Pflicht (14)

März: Eine Kombination aus Blas-, Saiten- und Perkussioninstrument bauen / April: Den Gipfel eines der 100 höchsten Berge Österreichs erklimmen

marc carnal

Nach dem "Jahr des Verzichts" im Jahr 2011 gilt es heuer, monatliche Pflichten zu bestehen. Mitstreiter sind in der Neigungsgruppe Pflicht jederzeit willkommen.

Jeden Monat stehen drei Aufgaben in Kategorien wie Handwerk, Wissen oder Selbstüberwindung zur Auswahl. Die Leserschaft stimmt darüber ab, welche Pflicht erfüllt werden muss.

Voting Jänner - Kategorie Handwerk

Voting Februar - Kategorie Wissen

Voting März - Kategorie Musik

Voting April - Kategorie Sport

Sonntag, 31. März

● Das im März zu bauende Instrument, das laut Pflichtdefinition eine Mischung aus Saiten-, Blas- und Perkussionsinstrument sein muss, wird natürlich am allerletzten Märztag gebastelt. Kollege Josef und ich verbringen einen verschneiten Ostersonntagsnachmittag mit trautem Basteln:

marc carnal

In eine handelsübliche Gießkanne wird ein Loch geschnitten. Auf der Unterseite wird mittels Gaffertape, der Grundlage jedes gelungenen Heimwerkens, eine Eisenscheibe geklebt, in die drei Gitarrensaiten eingespannt werden.

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Der ursprüngliche Plan, die "Stimmwirbel" in den Gießkannengriff zu schrauben, misslingt ob des zu weichen Kunststoffs. Glücklicherweise finden wir jedoch...

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... einen Kleiderbügel, dessen Form jener des Griffs verdächtig gleicht. Auch hier ist die Gaffer-Unabdingbarkeit augenscheinlich.

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Was wie eine Scheibe Rohschinken aussieht, ist in Wahrheit Schleifpapier, mit dem die zuvor von Kollegen Josef zurechtgesägten Plastikrohr-Teile bearbeitet werden.

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Mit Plastilin erfolgt die Stimmung der Panflöten-Röhrchen. Nach einem ausgedehnten Geduldspiel ist eine Oktave von C' bis C'' fertig.

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Zum Abschluss wird die Panflöte auf dem Kannengriff angebracht, die Saiten werden halbwegs gestimmt und der Boden der Gießkanne mit Kies gefüllt, um bei ambitioniertem Draufklopfen ein hübsches Rasselgeräusch zu generieren.

Wir bewerkstelligen es, diverse Kinderlieder nach dem (Achtung, Gag!) Gießkannenprinzip zu interpretieren. Den Upload des dabei angefertigten Videos möchte ich Ihnen ersparen, weil es slightly scheußlich klingt. Dass man auf unserem Patent, das kein Verkaufsschlager zu werden droht, ein Lied interpretieren kann, müssen Sie mit halt einfach glauben.

Montag, 1. April

● Was ist die denkbar beknackteste Freizeitidee an einem sonnigen Ostermontag? Running Sushi-Wettessen in der Lugner City. Kollege Wurm und ich einigen uns irgendwann mit grünem Gesicht auf ein Unentschieden.

● Es wäre schön, wenn das Futur II in der Alltagssprache etwas öfter Berücksichtigung fände.

  • "Ich hoffe, du wirst zu später Stunde einen schönen Abend gehabt haben."
  • "Hoffentlich wirst du bald krank gewesen sein!"
  • "Mein Herr, ich wünsche mir, morgen Früh mit ihnen geschlafen zu haben."

Dienstag, 2. April

● So, alles raus. Spontaner Entrümpelungs-willhaben-Nachmittag, Befreiung von diesen ganzen scheiß Gegenständen, Staubfänger-Verbannung, Tabula Rasa im Billy-Regal, Atemluft generieren, Mülleimer füttern, Winterschlussverkauf, billigerbilligerbilliger.

marc carnal

Eindeutige Ostereier-Resteverwertungs-Brunch-Reliquien in der Straßenbahn.

Mittwoch, 3. April

● Dem Gebot "Das läppert sich schon zusammen" von Kollegen Wurm Folge leistend, verbuche ich den ersten Verkaufserfolg im Rahmen meiner privaten Materie-Befreiungsaktion: Am Westbahnhof übergebe ich einer jungen Dame ein Paar Hanteln und bekomme dafür heiße sechs (in Worten: sechs) Euro. Wenig ist so prädestiniert dafür wie Hanteln, vom Käufer abgeholt und nicht vom Verkäufer geliefert zu werden. Wenn ich das zu Veräußernde nicht am Raum- oder Geldgewinn, sondern am losgewordenen Gewicht messe, habe ich mit den Hanteln wenigstens schon einen Meilenstein in meinem Entrümpelungsvorsatz gefeiert.

marc carnal

Eine willkommene Abwechslung ist es, mal zum Tibeter essen zu gehen. Eine unwillkommene Abwechslung ist das dort zum stolzen Preis feil gebotene dickflüssige Reisbier, das wie vergorene Molke mit Sperma schmeckt und auch so aussieht.

Donnerstag, 4. April

● Verlässlicher Indikator, um Talentierte von Blendern zu unterscheiden: Der Blender meint, es ginge "heute ja nur mehr mit Networking" und ist sogar so blöd, das auszusprechen. Dem Talentierten kommt alleine beim Wort das Kotzen und er versucht nach Möglichkeit, sein Adressbuch schlank zu halten.

● Orangen sind eine Kreuzung aus Mandarinen und Pampelmusen. Da schauen Sie, hm?

Freitag, 5. April

● Wie beschissen wäre das Leben ohne Zwiebeln?

● Reality-TV-Format: Mensch-ärgere-dich-nicht. Fünf Teilnehmer sind einen Monat lang in einem Raum mit vier Sesseln und einem riesigen Bett eingesperrt. Dreimal täglich gibt es Nahrung und man darf ausreichend trinken. Ansonsten gibt es keinerlei Zerstreuungsmöglichkeiten, die Wände sind weiß und es ist totenstill, wenn niemand spricht.

Jeden Tag wird ein sehr ausführliches Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier gespielt, dessen Sieger die folgende Nacht im Bett verbringen darf. Dieses wäre zwar groß genug für alle Teilnehmer, trotzdem müssen die anderen vier am Boden nächtigen. Die Zuseher können Wetten abschließen, wann der erste Mord passiert.

Samstag, 6. April

● Ich bin Kampf-Spiegelraucher.

● Kehlmann meint, er empfinde es als ungeheures Wagnis, ein Auto zu lenken. Das ist eigentlich noch untertrieben. Wenn man sich vor Augen führt, vor welchen Kleinigkeiten sich die meisten anscheißen, ist es wirklich bemerkenswert, wie viele Menschen sich dagegen bedenkenlos in ein tonnenschweres Gefährt setzen, damit über hundert Stundenkilometer fahren und dabei SMS schreiben.

● Vögel, die am Morgen singen, sind gut drauf.