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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

19. 2. 2013 - 08:13

Der langsame Tod des John McClane

Obwohl "A Good Day To Die Hard" ein Trauerspiel ist, bleibt Bruce Willis der coolste Hund unter den Action-Dinosauriern.

Man stelle sich das einmal vor: Ein neuer Film von Sofia Coppola kommt in die Kinos, eine hauchzarte Teenager-Romanze, mittendrin im Weichzeichner-Geschehen tappst Sylvester Stallone durch das Geschehen. Als vereinsamter Mittelschullehrer kümmert er sich aufopfernd um die jugendlichen Protagonisten, die Kamera klebt an seinem traurigen Dackelblick, die Augenlieder hängen schwer und frei von Botox ins Bild.

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Oder: Spike Jonze wagt sich an ein Indie-Highschool-Musical, zu dem Karen O den Soundtrack komponiert. In der mutigsten Rolle seines zweiten Karriere-Frühlings spielt Arnold Schwarzenegger den alkoholkranken Vater einer weiblichen Hauptfigur. Bebrillt und mit Glatze wagt sich der ehemalige Gouvernator an das Porträt eines durchschnittlichen Mitte-Sechzigjährigen, der nach dem Tod seiner Frau zur Flasche greift.

Moonrise Kingdom

Tobis

Moonrise Kingdom

Keine Angst, sei den puristischen Anhängern des Achtziger-Action-Kinos jetzt zugeflüstert, die Heiligenschändung bleibt euch erspart. Handelt es sich hier doch nur um etwas eigenwillige Fantasien meiner Wenigkeit.

Auf der anderen Seite ist da die Figur, die Bruce Willis in Wes Andersons letztem Meisterwerk "Moonrise Kingdom" verkörperte. Als liebeskranker Polizei-Captain, der in dem Inseldrama über die jugendlichen Ausreißer wacht, setzte der mittlerweile 57-jährige Superstar auf sanfte Zurückhaltung, feinsinnigen Humor und vor allem bittersüße Melancholie.

Die Rolle machte wieder einmal klar, was man nach Filmen wie "The Sixth Sense", "Unbreakable" oder "12 Monkeys" ohnehin schon wusste: Bruce Willis ist, ganz im Gegensatz zu manchen Kollegen aus der groben Ecke, nicht bloß eine aufgepumpte Ikone, die man einfach perfekt im Tschinn-Bumm-Inferno platzieren muss: Der Mann trägt die Berufsbezeichnung Schauspieler zu Recht.

Wer an Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" denkt, denkt an John Travolta, Samuel Jackson, ironische Hamburgerdialoge und komische Tänze. Das beste an dem Film ist aber Mr. Bruce Willis. Als vom Pech verfolgter Boxer Butch bringt er echte Emotionen und wahrhafte Coolness in die überstilisierte Film-Noir-Hommage.

Pulp Fiction

Studio Canal

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Verschmitzt grinsend gegen die Welt

Nun könnte es Bruce Willis mit seinem Status als cooler Hund ganz gemütlich angehen lassen, in faszinierenden Meta-Action-Streifen wie "Looper" die eigene Gewaltfilm-Geschichte aufarbeiten und zwischendurch auf einen One Liner bei den "Expendables" vorbeischauen.

Weil es aber Fanerwartungen zu erfüllen gibt, Bankkonten zu füllen und natürlich auch Egos zu befriedigen, kehrt Willis jetzt in jener Rolle auf die Leinwand zurück, die ihn weltberühmt machte. In "A Good Day To Die Hard" schlüpft er erneut ins blutverschmierte Unterleiberl des knallharten und gewitzten John McClane.

Wir erinnern uns: Ende der Achtziger prügelte und ballerte sich der ehemalige Fernsehstar in "Stirb Langsam" zum ersten Mal auf umwerfende Weise in die Herzen des Kinopublikums. Neben der rabiaten Attitude wurde ein verschmitzter Grinser zum Markenzeichen von Bruce Willis, den er auch in zwei weiteren, nicht minder großartigen "Die Hard"-Streifen zum Einsatz brachte.

"The Sixth Sense", das ist einer der ersten und besten Beiträge zu einer endlosen Welle melancholischer Geisterfilme. Und nie war Bruce Willis melancholischer als in der Gruselstory, in der es vor dead people wimmelt.

The Sixth Sense

Buena Vista

The Sixt Sense]

Den Karrieredurchbruch nützte der clevere Akteur aber sofort, um sich neben dem Part als Action-Zugpferd andere, unerwartete Filmauftritte zu sichern. In Werken von Terry Gilliam, Quentin Tarantino, M. Night Shyamalan oder Luc Besson ließ Willis andere Facetten seines Talents aufblitzen. Trotzdem verfolgte ihn bei Interviews immer wieder nur eine Frage: Wann kommt ein neuer "Stirb Langsam" Film?

Mit "Live Free or Die Hard" gibt Bruce Willis 2007 dem Druck nach und steigt wieder in die Action-Arena. Der vierte Teil der McClane-Saga protzt mit überzogenen Materialschlachten und fadisiert auch mit einigen Längen. Trotzdem erweist sich der Film, zumindest in meiner Erinnerung, im Kern als herrlich altmodisches Blockbusterkino. Wenn Willis darin immer wieder seine Verachtung für die neueste Technologie zum Ausdruck bringt, erzählt "Stirb Langsam 4.0" auch von der Auseinandersetzung zwischen digitalen und analogen Weltbildern. Wobei trotz unzähliger CGI-Schauwerte letztlich doch die geballte Muskelkraft den Sieg davonträgt. Und dieser unverschämte Grinser natürlich.

Keine Gefangenen nimmt Bruce Willis in der Comicadaption "Sin City". Als derangierter Cop treibt er seine altbekannten Action-Markenzeichen in dem schwarzweißen Fiebertraum auf die Spitze. "Die Hard" ist ein Kindergeburtstag dagegen.

A Good Day To Die Hard

Centfox

A Good Day To Die Hard

Jetzt ist schon wieder was passiert

Aber John McClane findet keine Ruhe. Dekaden nach der originalen und zurecht gefeierten "Stirb Langsam"-Trilogie und etliche Jahre nach dem zumindest höchst unterhaltsamen vierten Teil muss der alternde Kämpfer noch einmal in die Schlacht ziehen.

Die beste Bruce Willis Rolle ever? Schwer zu sagen. Aber der verzweifelte Zeitreisende in "12 Monkeys" ist ein ernsthafter Kandidat. So wie Bruce Willis in Terry Gilliams Meisterwerk kämpft, leidet und flucht, das ist schon ein Leinwand-Auftritt für die Ewigkeit.

Was wir längst vergessen hatten: McClane hat einen Sohn. Was auch er selbst nicht wusste: Der muskelbepackte Sprössling (höchst uncharismatisch: Jai Courtney) ist in Russland als Undercover-Agent für die CIA tätig. Als der Bub in eine terroristische Verschwörung gerät, dauert es natürlich nur wenige Filmminuten, bis der Papa blitzschnell angereist kommt. Und gerade einmal eine Taxifahrt vergeht, bis sich Moskau in einen urbanen Kriegsschauplatz verwandelt und beiden McClanes die explodierenden Autos um die Ohren fliegen.

A Good Day To Die Hard

Centfox

A Good Day To Die Hard

Man hätte Bruce Willis für diesen neuen Beitrag zu einer wirklich legendären Reihe einen formidablen Regisseur gewünscht. John Moore hat bisher allerdings leider nur elende Genrebeiträge verbrochen, vom zähflüssigen Horror-Remake "The Omen" bis zum komplett unnötigen Videogame-Epos "Max Payne". "A Good Day To Die Hard" schließt nahtlos an diese Machwerke an, auch wenn man es im Kinosessel eine Zeit lang nicht wahrhaben will.

Es hilft allerdings nichts: Die rudimentäre Story weiß in keinem Augenblick zu fesseln, die Action überschreitet alle Absurditäts-Grenzen und reduziert McClane zu einer unkaputtbaren Cartoonfigur, die Schauspieler agieren auf Autopilot. Auch der immer sympathische Bruce Willis reißt sich - auf gut Wienerisch - keinen Haxen aus.

Irgendwann im letzten Drittel, inmitten von Schauwerten, denen man ihre Computer-Generiertheit ansieht und dahinplätschernden One Linern, ertönt das müdeste "Yippee Kay Yay, Motherfucker!" der "Die Hard"-Historie. Sorry Schweinebacke, auch wenn die Kinokassen schon wieder klingeln: So geht das leider gar nicht.

A Good Day To Die Hard

Centfox

A Good Day To Die Hard