Erstellt am: 27. 8. 2010 - 11:46 Uhr
Botox und Granaten
Du liebe Güte, in der Theorie hörte sich das nach einem echten Bubentraum an, nach einem Überfilm für alle Achtziger-Action-Nostalgiker.
Man(n) stelle sich vor, die Ikonen des damaligen Tschinn-Bumm-Kinos treffen sich zum finalen Shootout, eingeladen von einem Regisseur und Hauptdarsteller Silvester Stallone, der nach erfolgreichen "Rocky"- und "Rambo"-Neuaufgüssen so richtig aufgeganserlt ist.
Und dann nehmen auch noch fast alle an, von Dolph "Universal Soldier" Lundgren über Jet Li bis hin zu diversen Wrestlingstars wie Steve Austin oder Randy Couture. Nur Jean Claude Van Damme, der als Cineastenheld wiedergeborene Martial-Arts-Exzentriker, verweigerte, und der muffige Steven Seagal wurde erst gar nicht gefragt.
Dafür schauen sogar Bruce Willis und der kalifornische Gouvernator auf ein klitzekleines Sprüngerl vorbei.
Als Söldnertruppe "The Expendables" müssen die großen alten Action-Männer ein südamerikanisches Land von einem Diktator befreien. Hinüberfliegen, ballern, sprengen, abmurksen, das alles in klassisch sinnfreier Achtziger-Erzählweise, angelehnt an schundigen Testosteron-Trash aus der Videotheken-Wühlkiste.

Lionsgate
Klingt eigentlich höchst unterhaltsam und nach einem Film, den nur politisch überkorrekte Kultur-TV-Kommentatoren oder hypersensible Feuilletonisten schlecht reden können.
Leider entpuppt sich die ganze Vorfreude aber wieder einmal als höchst problematisch. Zwar feuern "The Expendables" nonstop aus allen Rohren, das Blut splattert in digital animierten Fontänen über die Leinwand, die Kamera zuckelt amoklaufend durchs Dauergemetzel. Dafür hapert es mit der essentiellen zwischenmenschlichen Chemie aber gewaltig.
Gerade mal Mickey Rourke als weiser und greiser Rockerdude und Sly himself funktionieren bei lustigen Gesprächen im Tattoo-Studio gut zusammen – und dürfen nebenbei mit ihren kosmetischen Operationen protzen.

Lionsgate
Hongkongstar Jet Li wird dagegen ebenso verheizt wie mein persönlicher, stets unterschätzter Actiongott Dolph Lundgren mit seinem ganz speziellen nordischen Charme. Dafür darf der immer noch gänzlich charismafreie Jason Statham als Anschluss an die Action-Gegenwart etliche Szenen dominieren.
Was "The Expendables" aber am meisten fehlt, ist das erhoffte brachiale Altmänner-Pathos.
Irgendwie zieht dieser Film einfach so vorüber, ohne einen grimmigen gemeinsamen Zeitlupen-Gang in den Showdown oder zündende Oneliner, die in die Bodybuilder-Filmgeschichte eingehen.
Wer diese ganz bestimmten Guilty-Pleasure-Momente des Genres erleben will, dieses fieses Gefühl des inneren Auflachens, wenn Sly oder Arnie früher einen Bösewicht mit einem herrlich dummen Spruch killten, der muss sich wohl lieber an Jack Bauer und seine unmotivierten Knieschüsse in "24" halten.
Vielleicht hätte ein Quentin Tarantino aus dem Konzept noch einen tollen Meta-Actionfilm destilliert, eine Art würdigen Zitat-Abgesang. Möglicherweise ist die Ära, auf die "The Expendables" abzielt, aber auch einfach nicht mehr reanimierbar. Trotz verzweifelt auftrainierter Oberarme und einer Überdosis Botox in herabhängenden Dackelaugenlidern.

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