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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

3. 12. 2012 - 16:17

"Weil wir keine Systemtrottel sind"

Der Ökonom und Wirtschaftsphilosoph Rahim Taghizadegan über die heilende Krise, und warum wir durch müssen statt uns dauernd davor zu retten!

Rahim Taghizadegan

Rahim Taghizadegan

"Im Zuge einer gewissen Polarisierung verschanzen sich immer mehr Menschen hinter ihren Ideologien und vermeintlichen Positionen. Alle haben ihre Säulenheiligen, die Staatsgläubigen und die Marktgläubigen – und die spielt man so gegeneinander aus, dass man selbst nicht mehr nachdenken muss."

Solche Gedanken formuliert Rahim Taghizadegan, als er durch die Bibliothek des Wiener Instituts für Wertewirtschaft schlendert. Die versammelt ihren Bestand aus fast allen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, besonders gut sortiert ist natürlich die Abteilung für Ökonomie, wo sich neben den Klassikern der österreichischen Schule auch Werke des ideengeschichtlichen Antagonisten finden, selbst moderne Titel wie das aktuelle Buch der Marxistin Sarah Wagenknecht sind zu finden.

Die österreichische Schule, die von manchen ihrer Gegner gerne über einen Kamm geschoren als "neoliberal" bezeichnet wird, ist die heimatliche Denkschule dieses Instituts. Wiewohl diese zuletzt in den USA sehr populäre Ökonomie-Schule (so bezieht sich etwa Präsidentschaftskandidat Ron Paul oft auf die "Austrians") als "psychologische Schule" etwa auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht, sind ihre prominentesten Vertreter vor allem Ludwig von Mises, der vor den Nazis in die USA flüchtete, und sein Schüler Friedrich August von Hayek.

Beide haben sich aus der Erfahrung eines zunehmend autoritär-kollektivistischen Europas stark den Idealen des Liberalismus verpflichtet gefühlt und in ihren Überlegungen immer auf die Grundpfeiler Eigenverantwortung, Freiheit und Marktwirtschaft gesetzt. Ihre Ablehnung jeder Art vor Sozialismus war beinahe messianisch. In der Denkweise der österreichischen Schule bewirkt jede Intervention des Staates, so gut sie auch gemeint sei, am Ende das Gegenteil von gut und somit die Notwendigkeit weiterer Interventionen.
In einem Interview am Ende seines Lebens ging Hayek sogar so weit, auch dem Gottvater des Monetarismus, dem wahrlich nicht-linken Milton Friedman, sozialistische Tendenzen zu unterstellen.

Der Grund dafür liegt vor allem in der sehr außergewöhnlichen Haltung der "Austrians" zur Geldpolitik. In ihrer Denke liegt ein Großteil der Krise am Umstand, dass zu viel, zu billiges und zu planwirtschaftliches Zentralbankengeld am Markt ist.

Dadurch, dass Zentralbanken nicht gedecktes Kreditgeld schöpfen (der Goldstandard ist seit über 40 Jahren vollends abgeschafft), das zuerst im Bankensektor verteilt wird und das die Politik eben per Planwirtschaft über Konditionen wie den Preis des Geldes (den Leitzins) bestimmt, entstehen Effekte von immer größeren Aufblähungen und Verwerfungen – die immer in der Bereinigung, also dem Zerplatzen der Blase und damit Verarmung, enden.

Monopoly-Spielbrett

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Dies und die Kritik an der Mathematisierung der Volkswirtschaft (Rahim Taghizadegan meint als gelernter Naturwissenschaftler gar, dass die gängigen Modelle teils von unsauberer Mathematik getrieben sind) haben die österreichische Schule auch stets – trotz des Umstandes, dass etwa Hayek auch Nobelpreisträger war – außerhalb des Mainstreams gestellt. Und sie somit auch zunehmend populär gemacht: Eine wachsende libertäre Szene hängt in den USA, aber auch zunehmend in Europa, an den Schriften von Wissenschaftlern wie Mises, Hayek oder Murray Rothbard.
In der Heimat dieser Schule, die auch universitär kaum gespiegelt wird, in Wien, bemüht sich eben Rahim Taghizadegans vom Institut für Wertewirtschaft um einen angemessenen Diskurs jener ökonomischen Denkrichtung, die für sich beansprucht, ein stringente und prognostisch richtige Analyse dieser und aller voran gegangenen Krisen getätigt zu haben.

Es folgen Teile eines Interviews, das Paul Pant mit Rahim Taghizadegan im November 2012 geführt hat. Das vollständige Interview und Teile eines älteren Gesprächs das Robert Zikmund mit ihm vor einem Jahr führte, gibt es demnächst auch als Interview Podcast.

Rahim Taghizadegan: (zitiert eine Definition von "Gerechtigkeit") Gerechtigkeit ist eine Tugend, nur Menschen können gerecht sein, Systeme können nicht gerecht sein.

Paul Pant: Aber wenn die Krise die Zeit ist, wo wir etwas verändern müssen – nimmt das dann nicht auch jede Handlungsfähigkeit, so zu denken?

Rahim Taghizadegan: Nein. Diese Perspektive gibt Menschen Handlungsfähigkeit. Die Hoffnung darin zu setzen, ein System zu verändern, um es gerechter zu machen, ist etwas, das reale Menschen ohnmächtig macht. Wenn ich irgendwo ungerechte Strukturen sehe, muss ich mich fragen, wie halte ich sie aufrecht? Was trage ich dazu bei, dass sie so bestehen?

P: Warum lehnt die österreichische Schule die etablierte Volkswirtschaftslehre und all die modernen Experten mit ihren Modellen und Formeln ab – und in welchem System leben wir eigentlich?

R: In der Disziplin der Volkswirte muss man sich fragen, ob sich nicht da eine Wissenschaftsdisziplin vollkommen verrannt hat und es nicht an der Zeit wäre, sehr grundlegende Fragen zu stellen. Man muss verstehen dass in unserer Zeit eine große Absprache erfolgt ist zwischen auf der einen Seite den Banken und dem Großindustriesektor und eben dem Staat auf der anderen Seite. Dasselbe Personal wandert ja auch hin und her, grundsätzlich ist das eine verschmolzene Struktur und all die scheinideologischen Konflikte stehen nur für relative Gewichtungen innerhalb dieserStruktur.

P: Die Kritik, die da dahinter steht, dreht sich um Eigeninteresse, so wie Sie das mit den verschmolzenen Strukturen ja angesprochen haben – dass die alle nur auf ihr eigenes Wohl schauen, ist das ein richtiges Bild oder ist das zu einfach?

R: Es ist ein bisschen zu vereinfacht, weil es nicht stimmt, dass sozusagen nur ein Prozent im Eigeninteresse handelt. Wir leben grundsätzlich in einer sehr materialistischen und von Eigeninteressen getriebenen Zeit. Der kleine Mann hat oft nicht die Möglichkeit, seine Gier zu entfalten, aber es ist kein grundsätzlicher Einstellungsunterschied.

P: Ist es vielleicht auch der Kern der Krise, dass wir uns zunehmend nicht mehr selbstbestimmt fühlen, sondern als kleines Rädchen einer Maschine?

R: Auf jeden Fall. Das ist sozusagen eine Folge dieser verzerrten Strukturen, die eine Begünstigung des Großen und Übergroßen schaffen. In der Tat ist das auch ein zentrales Sinnproblem unserer Zeit, wo auch für die meisten Menschen weder im Wirtschaftlichen noch im Politischen ersichtlich ist, wie sozusagen ihr Leben, ihre Entscheidungen, ihre Tätigkeiten die Rahmenbedingungen mitgestalten können.

P: Also worauf sollen wir uns besinnen?

R: Wir treffen Produktionsentscheidungen, wir treffen Anlageentscheidungen – also zu welcher Bank gehen wir, wo haben wir ein Konto, wie gehen wir mit Geld um – und in der Tat eben auch Konsumentscheidungen, die sind ein wesentlicher Aspekt. Aber natürlich, wir befinden uns in einer Phase des Sinkens des realen Wohlstandes, das kann man als Chance sehen, um zu erkennen: was ist wirklich wichtig im Leben – das wäre der Rat des Philosophen.

Das gesamte Interview

Das gesamte Interview mit Ökonom und Wirtschaftsphilosoph Rahim Taghizadegan gibt es hier:

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