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2. 12. 2012 - 14:44

Monopoly Now!

Montag ist Wirtschaftstag auf FM4, denn das Jahr neigt sich dem Ende zu und es wird Zeit für eine Bilanz. Wir sammeln Erklärungsmodelle und unverbrauchte Ideen von Menschen, Systemerhaltern und Kritikern.

Zum Anhören: die gestrige Studiodiskussion zwischen Christian Felber/Attac und Nikolaus Jilch/Die Presse:

Monopoly Now Studiodiskussion

Für die klassischen Jahresrückblicke ist es noch ein wenig zu früh. Allerdings ist schon jetzt klar, dass ein General-Thema dieses Jahr die Wirtschaftsseiten dominiert hat: die Krise. Der Kapitalismus als dominierende Wirtschaftsform steht auf dem Prüfstand. Stand das vergangene Jahr noch im Fokus des Protests, der Bewegungen und der Empörung, ist dieses Jahr viel diskutiert worden. Zwischen Endzeitstimmung, Umbruchfantasien und ernsthaften Debatten hat es viel Raum für kritische Stimmen gegeben.

Die Wirtschaft mit der Wirtschaft

Der Wirtschaftsspezialtag auf FM4 ist ein Versuch, noch einmal kontroverse Persönlichkeiten zu Wort kommen zu lassen. Menschen, die sich aus sehr unterschiedlichen Beweggründen mit der Wirtschaft beschäftigen und sehr unterschiedliche Zugänge haben. Ihre Ideen und Gedanken werden von den einen gierig aufgesogen, andere fühlen sich provoziert. „Hört auf, den Kapitalismus für die Fehler der Politik verantwortlich zu machen“, sagen die einen, „die Politik muss wieder das Primat über die Wirtschaft bekommen“, die anderen.

Und dazwischen bewegen sich ein paar Milliarden Menschen, die versuchen über die Runden zu kommen – sind am Ende doch wir alle der Markt? Ist die Ideologie tatsächlich tot? Sind wir nur kleine Rädchen, die unter die paar großen Räder kommen? Oder entdecken wir gerade wieder unsere Handlungsmöglichkeiten?

Monopoly-Spielbrett

Radio FM4

Kritische Stimmen

Anhand Porträts von Menschen mit expliziten Haltungen zur Krisen-Debatte besichtigen wir die Sollbruchstellen von mittlerweile fünf Jahre Krise, am Vorabend eines wieder einmal abgesagten Weltuntergangs (der muss leider verschoben werden, sorry).

Zu Wort kommen:

  • Ein ehemaliger Wertpapierhändler und jetzt Finanzmarktinsider und Journalist
  • Studierende des CEMS-Programms der Wirtschaftsuniversität Wien
  • Der Chef des Waldviertler Schuhfabrikanten GEA
  • Ein Aktivist von Occupy Vienna
  • Ein Wiener Vertreter der marktliberalen österreichischen Schule der Nationalökonomie
  • Eine deutsche Journalistin mit Schwerpunkt Armut und Soziales

Politiker bleiben genauso wie die etablierten Wirtschaftsforscher und Experten außen vor, um Platz zu haben für andere Zugänge. Ein gewagtes Manöver, dafür Platz für viel Kritik: Eure Kritik!

  • Monopoly Now! Der Wirtschaftstag auf FM4. Zu hören am Montag, 3. Dezember in der FM4 Morning Show (6-10), FM4 Connected (15-19) und der FM4 Homebase (19-22). Dort lassen wir dann auch noch zwei Welten aufeinander prallen:
Christian Felber und Nikolaus Jilch

Die Presse/Attac

Die Diskussion

Zwei Standpunkte, wie sie verschiedener nicht sein könnten, kommen am Montag abend zu Wort: Da diskutiert Christian Felber, Fürsprecher der Geneinwohlökonomie, live im Studio mit dem Wirtschaftsjournalisten Nikolaus Jilch von der Tageszeitung „Die Presse“. Zu hören ab 19 Uhr bei Robert Zikmund in der FM4 Homebase. Viel Platz für eure Gedanken und auch eure Kritik: anrufen und mitdiskutieren! Die Nummer ins Studio ist 0800 226 996

Key notes

Wir haben die beiden Diskutanten gebeten, ihre Positionen in einer kurzen Stellungnahme vorauszuschicken.

Christian Felber

Die kapitalistische Wirtschaftsweise befindet sich in einer umfassenden Systemkrise: Wir befinden uns nicht nur in einer Banken-, Schulden- und Währungskrise; nicht nur in einer Arbeitsmarkt- und Verteilungskrise; nicht nur in einer Klima-, Ressourcen-, Umwelt- und Energiekrise; auch in einer Sinn- und Werte- und vor allem Demokratiekrise.

Für eine Lösung braucht es viele Maßnahmen und Strategien, zum Beispiel: Den wirtschaftlichen Erfolg nicht mehr am Mittel messen, sondern am Ziel; eine Geldsystem entwickeln, das der Wirtschaft und den Menschen dient; innerhalb der ökologischen Grenzen der Erde wirtschaften; die Demokratie mit neuen Instrumenten der souveränen Mitbestimmung und Kontrolle vertiefen.

An der "Oberfläche" all dieser Probleme ließe sich auch der Euro elegant retten (allerdings nicht mit den Maßnahmen der Regierungen):

  • Die EZB garantiert die Schulden aller Euro-Staaten.
  • Diese erheben als Gegenleistung gemeinsame Vermögens-, Gewinn- und Finanztransaktionssteuern ein, aus deren Einnahmen sie die Schulden in zehn Jahren um 50 Prozent zurückzahlen.
  • Die verbleiben 50 Prozent werden in zinsfreie Kredite bei der Zentralbank umgewandelt: Die Staaten sind von den Märkten unabhängig, der Zinsendienst für die Staatsschuld geht auf null (Österreich 2012: 8,5 Milliarden Euro).
  • Falls die Staatsschuldenquote eines Staates die Obergrenze von 50 Prozent des BIP übersteigt, treten automatisch höhere Vermögenssteuern in Kraft, bis die Quote wieder im grünen Bereich ist.

Nikolaus Jilch:

Das ganze Gerede von den vielen verschiedenen Krisen kann einen ganz schön fertig machen. Das Öl geht aus, das Klima kaputt, die Wirtschaft den Bach runter und der Kapitalismus ist sowieso scheiße! Als jemand, der in den fetzigen 90ern aufgewachsen ist, muss ich schon sagen: uns wurden Milch und Honig versprochen, eine glorreiche europäische Zukunft in Wohlstand und Frieden - nicht dieser Clusterfuck aus Rettungsschirmen, gelddruckenden Zentralbanken, Sparmaßnahmen und staatlicher Überwachung.

Mich selbst hat die in 2010 begonnene so genannte "Eurokrise" auch ganz schön in Panik versetzt, muss ich sagen. Inzwischen hab ich aber viel dazugelernt und traue mich, eine in der Krise durchaus provokante These zu formulieren: Alles wird gut! Die zweite These ist schon weniger provokant: Wer das jetzige System nicht mag, wird das nächste auch nicht lieben. Wir werden in Zukunft eher mehr wirtschaftliche Freiheit sehen, eher weniger Steuern, eher schlankere Staaten und verstärkt selbstverantwortliche Bürger. Kurz: mehr, nicht weniger Kapitalismus. Er ist auch gar nicht in der Krise, der gute alte Kapitalismus.

Unser (staatliches!) Geldsystem ist in der Krise - aber es ist dabei, sich zu verschieben. Weg vom Dollar - hin zum Euro und zu Gold. Die so genannte "Eurokrise" verzögert diesen Trend, aufhalten kann man ihn aber kaum. Sollte der Euro zusammenbrechen: all bets are off! Aber der politische Wille in Europa gepaart mit der Unterstützung Chinas, Russlands, Indiens und Südamerikas wird dies wohl zu verhindern wissen. Gleichzeitig wird überall der Dollar als Leitwährung abgebaut. Wenn Öl einmal in Euro statt in Dollar gepreist wird, ist die Schwelle in das neue System überschritten.

Der Weg dorthin wird weiter holprig sein. Es stimmt, dass der Euro die Staaten zu Reformen zwingt. Einige der Reformen, die derzeit in Griechenland etc. durchgeführt werden, werden wir auch in Österreich und Deutschland sehen. Aber der Euro wird die Menschen vor der schlimmsten Steuer von allen schützen: vor der Inflation. Für uns ist das nicht sehr neu, für Griechen, Spanier oder Italiener aber ein riesen Schritt. Die verwendeten Zahlungsmittel werden dann in Konkurrenz zueinander stehen, und jedes für sich in Konkurrenz zu Gold - das uns den wahren Preis der Dinge verrät. Think: Bitcoin! Wer braucht Euros am Sparbuch, wenn Gold die Kaufkraft viel besser speichert? Wer Paypal im Internet, wenn er schneller, einfacher und billiger mit Bitcoin zahlen kann?

Die Crux: Die Politik mag ein Mitspracherecht haben, aber ultimativ entscheidet ein "Superorganismus" von sieben Milliarden Menschen (aka "Der Markt") über das Geldsystem. Die Euroarchitekten haben diese Entwicklungen vor Jahrzehnten kommen sehen und eine Währungsstruktur gebaut, die MIT Gold funktioniert - nicht GEGEN Gold, wie der Dollar. Das Ziel: in einer multilateralen Welt das vertrauenswürdigste Geld anzubieten. Dieses Ziel ist fast erreicht. Wann die Eurokrise vorbei ist? Wenn die Dollarkrise beginnt!