Erstellt am: 3. 12. 2012 - 15:27 Uhr
Der Finanzrebell
Der Pinguin hat sich bereits vergangene Woche zum Thema Staudinger geäußert: Schuhplatteln gegen die Finanzlobby?
"Das, was wir machen ist legitim. Möglicherweise nicht legal. Und jetzt sagen wir: Was legitim ist, muss auch legal sein." Heinrich Staudinger sitzt in seinem gemütlichen Büro im Hinterhaus seiner Schuhfabrik in der Waldviertler Kleinstadt Schrems. Die Einrichtung besteht aus Möbeln, die seine Firma herstellt, Staudinger ist umgeben von Zeitschriften, Büchern und losen Zetteln.
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Der Besuch zeigt ein Paradebeispiel für soziales Unternehmertum: Er beschäftigt 130 MitarbeiterInnen in einer "strukturschwachen Region", dem Waldviertel, die nachhaltige und umweltfreundliche Produkte herstellen, in sanierten Gebäuden, auf deren Dächern bald mehr Strom durch Photovoltaik erzeugt wird, als das Unternehmen verbraucht. Die Beschäftigten verdienen nicht üppig, bekommen aber einmal die Woche gratis Obst, Gemüse, Käse und Eier von Bauern aus der Region, zweimal die Woche kommen MasseurInnen und PsychotherapeutInnen. Dazu wird täglich frisch gekocht. Das Arbeitsklima scheint hervorragend zu sein.
Radio FM4/Michael Fiedler
Früher waren die Waldviertler Schuhe und die reduzierten Gea-Möbel etwas für gut verdienende Ökos, Bobos und Lohas - heute gehören Menschen aus fast allen Gesellschaftsschichten zu den KäuferInnen der Schuhe mit dem eigenwilligen Design und der teuren Tische, Regale und Betten - wenngleich wahrscheinlich nicht wenige KundInnen darauf hinsparen müssen.
Den aktuell hohen Bekanntheitsgrad verdankt Heinrich Staudinger nicht seinen "Heftln", die teils Werbebroschüre, teils philosophisches Magazin sind, sondern seinem Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht, der FMA. Diese weisungsfreie Behörde überwacht alle Banken, Versicherungen, Pensionskassen und die Börse in Österreich. Und sie ist der Meinung, dass Staudinger illegal Bankgeschäfte betreibt.
Der Hintergrund
1999 kürzt die Bank Staudingers Firma den Kreditrahmen. Willkürlich, wie dieser meint, und trotz guter Gewinne. "Wir hätten vor 15 Jahren von unserer Hausbank für unsere Performance nach zehn Minuten verhandeln locker 5 Millionen Euro bekommen." Denn waren für Banken in den 1990er Jahren Warenlager und Immobilien als Sicherheit für Kredite gut genug, hat sich das seither zunächst schleichend, in der Krise rasant verändert: Für das Warenlager bekommt Staudinger nach eigenen Angaben heute "null", für Immobilien zählt nicht mehr der Substanzwert: "Die Banken sagen, uns interessiert nur der Marktwert des Gebäudes. Der Marktwert unserer Gebäude in der Krisenregion Waldviertel ist ein Schas und drum bekommen wir für die Gebäude kaum ein Geld."
Michael Fiedler, Radio FM4
Damit benennt Staudinger eines der großen Probleme, die durch die Finanzkrise entstanden sind: Bereits getätigte Investitionen sind praktisch nichts mehr wert. Das gilt für das Waldviertel, aber mehr noch für Spanien (Stichwort Immobilienblase) und Griechenland (wo erschwerend dazukommt, dass ein flächendeckendes Grundbuch erst im Aufbau ist).
2003 gründet Heinrich Staudinger dann seinen "Sparverein", in den zunächst Freunde und Verwandte, später auch MitarbeiterInnen und KundInnen Geld anlegen können. Zu einem Jahreszins von 4 Prozent, die Zinsen werden den AnlegerInnen jeweils im Dezember überwiesen. Jahrelang war diese Finanzierungsmethode kein Thema, bei mehreren Prüfungen des Finanzamtes wurde sie von Staudinger selbst angesprochen - es gab keinen Einwand. Das Finanzamt wäre aber dazu verpflichtet, offenkundige Verstöße an die FMA weiterzugeben. Warum geht die also erst jetzt dagegen vor? Staudinger: "Im Moment ist es so, dass wir im Wettbewerb eindeutig die Nase vorne haben: Wir zahlen wesentlich bessere Zinsen als die Banken." Bei einer Bank kommt man derzeit über etwa zwei Prozent Zinsen nicht hinaus.
In Werbungen und auf Plakaten vergleicht Staudinger die Finanzmarktaufsicht mit einem Hai, der die kleinen Fische bedroht. Aber handelt die Behörde nicht einfach nach ihrem Auftrag? "Ich glaube, wir wären alle froh, wenn die FMA das machen würde, was ihr Auftrag ist." sagt Staudinger, sie solle doch die Banken, die erst viel riskieren, um dann vom Staat gerettet werden müssen, kontrollieren. "Ich habe von Juristen erfahren, dass die FMA einen ziemlichen Ermessensspielraum hat, ob sie einen Fall für groß genug hält, um ihn zu verfolgen."
Radio FM4
Wozu Anlegerschutz?
Heinrich Staudinger hat eine Website über seinen Kampf gegen die FMA eingerichtet.
Das Hauptargument, mit dem Staudingers Sparverein begegnet wird, ist der Anlegerschutz. Es ist Banken überlassen, für Einlagen Zinsen zu bezahlen. Staudinger könne ja eine Genossenschaft gründen oder ein Prospekt über eine Unternehmensanleihe auflegen. Der kontert, dass beide Möglichkeiten mit hohen Kosten verbunden sind und auch das beste Anleihenprospekt die Kunden am Ende nicht vor Verlusten schützt: "Meinl European Land hat einen 300 Seiten starken Prospekt gehabt, in 10 Punkt Größe und in englischer Sprache. Und im Fernsehen ist nachher die Werbung gelaufen, dass das Sparschwein deppert ist, weil es keine gescheiten Erträge hat, während die Meinl European Land Aktie ordentliche Erträge hat. Einfache Leute haben mit diesem Trick Millionen Euro verloren."
Das Strafrecht schütze auch jetzt schon vor Betrug, der auch im Finanzwesen oft genug erst im Nachhinein Erkennbar wird. Anlegerschutz lässt Staudinger also ebenso wenig gelten, wie den nüchternen Gesetzestext. Am 7. Dezember übergibt er, begleitet von Kabarettist Roland Düringer und weiteren UnterstützerInnen, die Unterschriften seiner Bürgerinitiative an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Und er will weiter für "Bürgerrecht vor Bankenrecht" kämpfen.
Michael Fiedler, Radio FM4
Heinrich Staudinger stellt sich dem Gesetz stur entgegen, ist aber zu Zugeständnissen in dem Anlagevertrag bereit: "Wir wissen, dass es für diese Einlage beim Heini keine staatliche Einlagensicherung gibt.", soll dort zukünftig stehen. Und er möchte für mehr Transparenz sorgen, die Bilanz offenlegen. Was war denn der Gewinn 2011? "Nach erfolgten Abschreibungen war der Gewinn gut 100.000 Euro. Heuer wird er aber besser sein, unter anderem deshalb, weil wir jetzt zum Jahresende diesen Turbo durch die FMA-Geschichte als Rückenwind geschenkt bekommen haben." Wie viele Paar Schuhe er heuer mehr verkaufen wird? "Um die 20.000 Paar ungefähr." Damit sollten sich die angedrohten 50.000 Euro Strafe der FMA ausgehen.
Bei all der Kritik an den Fehlern der Banken und den Reaktionen von Regierungen auf die Krise, blitzt dann doch eine urliberale Idee durch, die nicht so recht ins Gesamtbild des Finanzrebellen passen mag: "Wir wollen jetzt ein T-Shirt machen, das ein bisschen an die FMA gerichtet sein wird." Darauf soll stehen: Bitte beschützt mich nicht.
Michael Fiedler, Radio FM4
Heinrich Staudinger im FM4-Interview:
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