Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Erwin Posarnig - Intervention durch Sticker"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

12. 10. 2012 - 06:00

Erwin Posarnig - Intervention durch Sticker

Der öffentliche Raum ist für den Grazer Künstler Erwin Posarnig der beste Ort für seine künstlerisch-politische Intervention. Seine Botschaften schreibt er gerne auf Sticker. Posarnig ist für den Elevate Artivism Award nominiert.

Elevate Artivism Award: Stimmt ab und entscheidet wer gewinnt.

Die Nominierten:

Alles übers Elevate und die Nominees des Elevate Artivism Awards unter fm4.orf.at/elevate

"Kunst mischt sich ein" stand auf einem Aufkleber, den Erwin Posarnig 2001 auf Postkästen, Laternenmasten und anderen Objekten im öffentlichen Raum anbrachte. In diesem Satz wird die künstlerische Intention zusammengefasst, die sich als roter Faden durch Posarnigs Schaffen zieht. Es ist eine Kunst, die die gesellschaftlichen Zustände in ihren Zusammenhängen und Ausdrücken ins Blickfeld rückt. Wer kennt sie nicht, die großen Aufkleber, die unvergesslichen Messages, die Passant/innen - ob diese wollen oder nicht - zum Nachdenken anregen. Posarnig ist jedoch nicht nur als Künstler tätig, sondern auch als Kurator: "Kollaborieren statt Kollabieren" ist der Titel seiner letzten Aktion.

Erwin Posarnig ist bei den Elevate Awards in der von FM4 präsentierten Kategorie "Artivism" nominiert. Wir haben mit ihm über einige Aspekte seines künstlerischen Schaffens gesprochen.

Erwin Posarnig

Erwin Posarnig

Erwin Posarnig über ...

... seine Form der Kunstproduktion:

"Die Entscheidung, diese Art on Kunst zu machen, war, dass ich Kunst außerhalb des Kunstmarktes machen wollte - eine gesellschaftsrelevante Kunst. Kunst in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit, die Reaktionen auf soziale und politische Situationen sowie Diskussionen auslösen soll."

... die Verbreitung seiner Sticker:

"Da die meisten meiner Projekte öffentlich gefördert sind, möchte ich der Gesellschaft damit auch etwas zurückgeben. Darum werden multiple Aufkleber produziert, die als Einladung und gleichzeitig als Botschaft bzw. Streetart sich weltweit mittlerweile verteilen. Diese Hinweise haben sich mittlerweile in einer Auflage von circa 700.000 auf der ganzen Welt verbreitet. Einer der ganz frühen Aufkleber, aus 2001, war etwa der Spruch 'Kunst mischt sich ein'. Die meisten Sprüche sind mehrsprachig, zumindest aber in Deutsch und Englisch."

... ein Beispiel für künstlerisch-politische Intervention:

"Der Stadtpark-Pavillon in Graz wurde vom Bürgermeister mit einem Zaun umgeben, damit circa 20 jugendliche Punks diesen Ort nicht mehr benützen konnten. Ich habe dort eine Tafel und Sticker mit dem Spruch 'Die endgültigen Verbote stehen noch nicht fest!' angebracht, in 16 verschiedenen Sprachen. Danach gab es ein mediales Interesse, wo darüber öffentlich reflektiert wurde, warum der Zaun überhaupt gebaut wurde und warum die Grazer Politik Bürger der Stadt aus öffentlichen Räumen ausgrenzt."



... die Stadt Graz:

"Graz ist zentraler künstlerischer Austragungsort für mich, aber ebenso ein Platzhalter für symptomatische Geschehnisse, die auch in anderen Städten stattfinden. Diverse politische Mechanismen muss man nicht zwingend in New York oder London beobachten, sondern kann sie auch in kleineren Städten wie Graz entdecken und durch künstlerische Interventionen sichtbar machen."

... wiederkehrende Themen und Inhalte:

"Eines meiner Hauptthemen ist der Begriff 'sicher'. Seit 1992 untersuche ich diesen Begriff. Ich finde, statt sicherer werden wir immer unsicherer in den Lebenssphären. Alle hetzen und hecheln und versuchen, sich am Leben zu erhalten mit drei oder vier Arbeitstellen, sind kurz vor dem Burn-Out, ohne Sicherheit, ausgenutzt und ausgepowert von unterschiedlichen Firmen und Organisationen. Die Eingrenzung der Individualität, diese staatliche Überkontrolle, die immer stärker wird, lässt mich befürchten, dass wir in eine Richtung einer Überwachungsdiktatur gehen. Es macht mich traurig, dass die Gesetzgeber und politischen Verantwortlichen denken, dass die Menschen ohne viele Vorschriften nicht mündig wären, ihr Leben zu leben."