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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

9. 10. 2012 - 06:00

"Sunu Gal" - die Reise eines Bootes

Der Film der Grazer Künstlerin Susanne Posegga zeigt anhand eines Fischerbootes, wie afrikanische Küsten von europäischen Staaten leergefischt werden. Posegga ist für den Elevate Artivism Award nominiert.

Elevate Artivism Award: Stimmt ab und entscheidet wer gewinnt.

Die Nominierten:

Alles übers Elevate und die Nominees des Elevate Artivism Awards unter fm4.orf.at/elevate

Susanne Posegga ist Künstlerin, Designerin, Kuratorin und Produzentin. Seit Anfang 2007 erforscht sie die Geschichte eines afrikanischen Flüchtlingsbootes, das im Dezember 2006 mit knapp 100 Personen auf Teneriffa ankam. Sie arbeitete fünf Monate lang an Recherche, Transport und Freigabe des durch ein spanisches Gericht konfiszierten Bootes, das heute in Ottensheim bei Linz an der Donau steht.

Vier Jahre später begab sie sich auf eigene Faust in den Senegal auf die Suche nach der Herkunft des Bootes und wurde fündig. Mit einer kleinen Fotokamera entstand der Film "Sunu Gal" über die bewegende Geschichte, der exemplarisch die Zusammenhänge zwischen EU-subventionierten Fischfangflotten und der Migration aus Westafrika aufzeigt. Aktuell arbeitet Posegga an einem Projekt, den senegalesischen Fischern durch den Ankauf und die Weiterverarbeitung von kaputten Fischerbooten zu neuem Einkommen zu verhelfen.

Susanne Posegga ist mit ihrem Projekt "Sunu Gal" bei den Elevate Awards in der von FM4 präsentierten Kategorie "Artivism" nominiert. Wir haben mit ihr über einige Aspekte ihres Projektes gesprochen.

Susanne Posegga, Elevate

Susanne Posegga

Susanne Posegga über ...

... die politische Botschaft hinter "Sunu Gal":

"Eine der Kernaussagen des Films ist, dass die Fischer zu wenig Fisch im Wasser haben - die Meere sind leer gefischt. Auf meine Frage hin, woher denn die Boote kommen, die da vornehmlich vor der westafrikanischen Küste fischen, ist die Antwort: aus Europa. Die globalen Zusammenhänge sind, wie wir wissen, immer vernetzter, und das betrifft uns alle - z.B. steht eine in Österreich gekauft Thunfischdose möglicherweise in direkter Verbindung mit dem afrikanischen Migranten, der bei uns ein Straßenmagazin verkauft. Es war überraschend, anhand dieses Weges, den ich gegangen bin, auf einer sehr emotionalen, persönlichen Ebene wieder auf diese globale Zusammenhänge zu stoßen."

... die Entstehung von "Sunu Gal":

"Was man dem Film verzeihen muss, ist, dass er technisch das ist, was man mit einer kleinen Fotokamera und einem Laptop mit geringer Rechenleistung produzieren kann. Es ist auch wahnsinnig schwer, in Afrika zu fotografieren und zu filmen. Es ist grundsätzlich sehr unerwünscht, du kannst oft nicht mal Straßenzüge und Gebäude fotografieren, denn kaum latscht jemand durch, fühlt sie oder er sich bedroht. Der Vorteil von so einer kleinen Kamera ist, dass sie total unauffällig ist und man so Dinge wie Taxifahrten filmen kann und die Menschen sich authentischer verhalten."



... den Bootsbauer:

"Es ist dem Film eine monatelange Recherchearbeit vorausgegangen, wo es zuerst nur mal darum ging, zu wissen, wo man überhaupt hinfahren muss. Es gab zwei Hinweise: Entweder der Bootsbauer ist aus dem Senegal oder aus Mauretanien. Da das Boot auf dem Heck eine mauretanische Flagge hatte, die spanische Küstenwache aber sagte, die kämen alle aus dem Senegal, wusste ich anfangs nicht, in welches Land ich fahren muss. Ich habe dann einen Flug nach Dakar gebucht und aufgrund der Aufschriften und Bemalungen des Bootes die Regionen eingrenzen können. Letztlich lief es auf einen Küstenstreifen von circa 150 Kilometer hinaus, den ich abzuklappern hatte. Die unglaublich schöne Begebenheit war, dass ich den Fischer dann bereits am ersten Tag gefunden habe. Die erste Person, die ich am Strand gefragt habe, war bereits der Bootsmaler."

... das Folgeprojekt, das den Kreis schließen soll:

"Wir wollen ein neues Einkommen für die Fischer schaffen, indem wir alte, kaputte Boote kaufen. Die liegen dort en masse am Strand herum, sie werden zum Teil zu Barracken oder Sitzbänken verbaut. Unsere Idee ist es, dieses Holz aufzukaufen, nach Österreich zu bringen, diese bunt bemalten Bretterstücke zu neuen Produkten zu verarbeiten und hier zu verkaufen und dabei aber auch immer wieder die Geschichte zu transportieren. Wir wollen Handelsbeziehungen aufbauen und nicht nur einfach nur Geld schicken - weil davon halte ich gar nichts. Allerdings sind die Transportkosten hoch, deshalb hier der Aufruf: Wer auch Dinge von Dakar nach Österreich transportieren möchte, bitte melden - dann könnte man sich eventuell gemeinsam einen Container bestellen."