Erstellt am: 7. 5. 2012 - 18:55 Uhr
Was wollen die Piraten?
Piraten auf fm4.ORF.at
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Es geht um ein neues Urheberrecht, um Datenschutz, um Transparenz in der Politik. Das sind die Grundlagen der Piratenparteien, wo auch immer in Europa. Aber darüber hinaus?
Liquid Feedback
Die österreichische Piratenpartei hat noch kein besonders umfangreiches Programm: Ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine Überarbeitung des Suchmittelgesetzes sind die auffälligsten Punkte. Alles weitere ist in Arbeit. In den Foren der Piratenpartei, etwa der Landesgruppe Wien, wird darüber heftig diskutiert: Über die Position zu Religionen, Zuwanderung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen. Andere Themen, teure Mieten oder Steuern, werden dort zwar angesprochen, haben aber kaum Resonanz.
Das muss aber für die Piraten auch gar nicht sein. Denn wer sich für ein Fachgebiet interessiert, gründet gemeinsam mit Gleichgesinnten eine Task Force, eine Arbeitsgruppe dazu. Die schreibt ein Positionspapier und das wird dann wieder diskutiert, zerpflückt oder angenommen. Dabei benutzen die Mitglieder das Piratenpad, ein Online-Tool zum gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten, oder Liquid Feedback, ein Diskussions- und Abstimmungsprogramm.
APA
Viscous Decisions
Rodrigo Jorquerea ist am 8. Mai in Connected zu Gast
Für Rodrigo Jorquerea, IT-Manager und im Bundesvorstand der österreichischen Piratenpartei ist der basisdemokratische Ansatz "eine Art Firewall gegen Opportunismus und Populismus. Es gibt immer jemanden, der sagt, so geht das nicht." Der Journalist Konrad Fischer hat für einen Artikel in der Wirtschaftswoche versucht, eine Position zu neuen Ladenöffnungszeiten im Alleingang durchzubringen, und ist am Schwarmbewusstsein gescheitert. Dass sich letztlich nicht doch die einfache Antwort auf das komplexe Problem durchsetzt, kann der Schwarm aber nicht garantieren.
Und dass alle Parteimitglieder mitdiskutieren dürfen, macht jede Entscheidung sehr langwierig und mühsam. So wird zum Beispiel gerne vor Abstimmungen darüber abgestimmt, wie abgestimmt werden soll. (Es muss am hohen Anteil an IT-Fachleuten in der Partei liegen, dass es da zu keinen Endlosschleifen kommt.) Selbst die Entscheidung über den Brotbelag für das Buffet auf einer Parteiveranstaltung kann da schon zur Nervenprobe werden.
Wir sind alle Kapitäne
Und einige Zukunftsfragen der Partei sind noch ungelöst. Müssen etwa Abgeordnete vor jeder Abstimmung die Basis befragen, wie sie abstimmen sollen? In Nordrhein-Westfalen, wo kommenden Sonntag der Landtag gewählt wird, hat man sich da schon geeinigt: Das Mandat ist frei, es soll auch gegen die Basis gestimmt werden können. Auch auf die Gefahr hin, zunächst einem Shitstorm ausgesetzt zu sein und in weiterer Folge bei der nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt zu werden. In Österreich wird darüber noch diskutiert.
Obwohl, so anders als in anderen Parteien ist das ja auch nicht, da herrscht der Klubzwang, über den sich selten jemand hinwegsetzt. Der Druck kommt aber von oben, wird von den Clubchefs und Regierungsmitgliedern ausgeübt. Bei den Piraten macht die Basis die Politik und gibt daher auch die Linie vor.
Momentan reicht es offenbar, ein paar Kernpositionen zu haben und das Programm nach und nach von der potentiellen Wählerschaft bestimmen zu lassen. Angesichts des mageren Programms hat man den Eindruck, die Piraten werden nicht gewählt, obwohl sie kein Programm haben, sondern gerade weil sie (noch) keines haben. Und ob sie mit konkreten Forderungen bei den nächsten Nationalratswahlen noch die Unzufriedenen, die Nicht- und ProtestwählerInnen so anziehen können, wie gerade in Deutschland, das ist fraglich.