Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The big thank you record"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

19. 7. 2011 - 16:15

The big thank you record

Portugal.The Man's Verbeugung vor ihren Helden und unsere Verbeugung vor ihrem neuen Werk "In The Mountain In The Cloud", dem FM4 Album der Woche.

"Is the record alright? You can tell me if you like it, really!"

Was bisher geschah - Portugal.The Man zum Nachlesen:

Schlagzeuger Jason kann sich das Lachen nicht verkneifen, als Sänger John Gourley in schüchternem Tonfall mir diese Frage stellt bevor ich überhaupt dazu komme, mich zu den beiden Musikern zu setzen. Draußen dröhnt die Musik der FM4 Donauinselfestbühne, im kleinen Wohnwagen daneben wird die Stimme des Sängers mit den blitzblauen Augen eher leiser, als lauter.

So stellt man sich große Rockstars bei Gott nicht vor. Denn auch wenn sich Portugal.The Man nie als solche bezeichnen würden, ist die Band aus Alaska und Portland/Oregon mit ihrem sechsten Album "In The Mountain In The Cloud" Teil des Majorlabelbusiness geworden. An Johns Verhalten merkt man allerdings auch, dass diese Entwicklung der Band nicht geschadet hat. Schließlich musste zuerst eine große und vor allem unerwartete Krise bewältigt werden, bevor Portugal.The Man sich zu ihrem vielleicht besten Album bisher aufschwingen konnten.

Bandcollage Portugal The Man

Don VanCleave

I think it's so Portugal.The Man

FM4 präsentiert die Portugal.The Man Herbsttour:

30. November 2011:
Salzburg - Rockhouse

1. Dezember 2011
Wien - WUK

2. Dezember 2011
Linz - Posthof

Keyboardklänge schweben durch den Raum. Eine sanft gespielte Akustikgitarre gesellt sich dazu und man ist an David Bowie und seine kleine Weltraumoper erinnert. Das großartig einsetzende Schlagzeug klingt verhalten, bis der Refrain, unterstützt von Streichern, sich in gewohnter Portugal.The Man Manier zu einem eindringlichen Ohrwurm aufschwingt. Alles klingt so leicht und natürlich, dass man sich über die Entstehungsgeschichte von "In The Mountain In the Cloud" wundern muss.

Denn mit dem Wechsel zum Major Atlantic Records kam bei Sänger John Gourley und seinen Musikern plötzlich die große Blockade. Einerseits gingen die Vier durch ihren Erfolg und die hunderten absolvierten Live-Shows sehr selbstsicher ins Studio, andererseits waren die Erwartungen riesig. Man wollte ein Konzeptalbum schreiben, ein großes Werk, mit dem sich Portugal.The Man gegenüber Labelkollegen wie Led Zeppelin als würdig erweisen sollten. Das war dann jener Punkt, an dem die Kommunikation zwischen John, Ryan, Zach und Jason komplett zusammenbrach und sich Ratlosigkeit breit machte. Bis... ja, bis sich Portugal.The Man in Erinnerung gerufen haben, warum sie diesen ganzen Zirkus eigentlich machen.

Albumcover Portugal The Man "In The Mountain In The Cloud"

Don VanCleave

John: "Wir haben uns hingesetzt und einfach nur Musik gehört. Dann bemerkten wir: Hey das ist der Grund, warum wir Musik machen. Danke David Bowie, Danke Kings und Beatles und ... es ist wirklich eine große 'Thank You!' Platte. Aber es vereint auch zeitgeistige Einflüsse. Wir alle lieben zum Beispiel The Knife oder hören viel Hip Hop. Im Endeffekt klingt diese Platte viel mehr nach Portugal.The Man als das, was wir bisher gemacht haben. Das liegt daran, dass wir uns Zeit gelassen haben, verschiedene Sounds und Klangfarben zu entwickeln. Deshalb hört man sowohl eine David Bowie-Referenz und gleichzeitig einen Drummachine, Loop und Synthesizer heraus."

Diesen inneren Befreiungsschlag hört man jeder Nummer an. Die smarte Single "Got It All (This Can't Be Living Now)" mit ihren Beatle-esken Cellosätzen, dem dezenten Elektro-Beat zu Beginn, den versteckten Kongos und Percussions, die erst bei mehrmaligem Hören hervortreten, die vielen Details, wie der schaudernd schöne Backgroundchor, der auch einem Morricone-Soundtrack entstammen könnte, machen diesen Song zu einem vorläufigen Highlight der Platte. Bis man auf "Once Was One" stößt, einer kruden Mischung zwischen den Eagles und Pink Floyd in ihrer "Whish You Where Here"-Phase. Aber auch hier schaffen es Portugal.The Man ihren über die lange Zeit entwickelten psychedelischen Rockstil einzuarbeiten und liefern uns im Refrain einen epischen und berührenden Chor, den man einfach nicht aus dem Kopf kriegt.

Bandfoto Portugal The Man

Matthias Hombauer/Radiokulturhaus

I just wanna play forever

Auch wenn "In The Mountain In The Cloud" ein fast schon klassisches Portugal.The Man Album ist, sind deutlich die Handschriften des Produzenten und Mischers herauszuhören. John Hill, der schon mit Santigold und M.I.A. gearbeitet hat, verpasst einer Nummer wie "All Your Light (Times Like These)" mit ihrem düsteren 1980iger Synth-Intro und den noisigen Gitarrenausbrüchen einen genialen Twist. Hier verschmelzen Portugal.The Mans Referenzen an ihre Helden mit gegenwärtiger Produktionstechnik und der beeindruckenden Live-Energie, die die Band selbst bei widrigsten Umständen sowohl in kleinen Clubs, als auch auf riesigen Festivalbühnen immer wieder unter Beweis gestellt hat.

Auch Mischer Andy Wallace (Stichwort Nirvana) hat dem ursprünglich rauen Sound von John Gourley und seinen Musikern weitere Dimensionen gegeben. Transparent und doch dicht ineinander verflochten, energetisch druckvoll aber nicht schrill oder laut, verspielt aber gleichzeitig auf das Wesentliche fokussiert. Das ist der Sound, der "In The Mountain In The Cloud" zu einem Hörvergnügen macht, dass sich lange nicht abnützen wird.

Selbst der überkritische Portugal.The Man Sänger John Gourley meint gegen Ende unseres Interviews mit funkelnden Augen:

John: "Auf diesem Album sind, glaube ich, die besten Songs, die wir bis jetzt geschrieben haben. Klar werden wir uns weiterentwickeln und noch wachsen, aber momentan bin ich einfach nur glücklich über das Resultat, die Leute mit denen wir gearbeitet haben und über unsere Fans, die uns die Treue halten."

Wer jetzt noch immer nicht überzeugt ist, sollte sich das großartige Doppelvideo zu der Albumabschlusshymne "Sleep Forever" und der Single "Got It All" anschauen, dass nicht nur wundervolle Aufnahmen Alaskas und John Gourley mit seinen Schlittenhund zeigt, sondern auch ein überraschendes und blutiges Ende parat hält.