Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Scheer, Strauss, Ofczarek in "Die Ausgezehrten""

Pia Reiser

Filmflimmern

5. 7. 2011 - 16:25

Scheer, Strauss, Ofczarek in "Die Ausgezehrten"

Warum meine Hawarie mit dem österreichischen Film immer kleiner wird und mich eine Filmförderungsnachricht vor Freude heute schon Kaffee verschütten ließ.

Hätten der österreichische Film und ich eine Beziehung, die man mit dem Vokabular sozialer Netzwerke beschreiben müsse, dann würde es "It's complicated" am besten treffen. Würde ich eine Liste meiner favorisierten österreichischen Produktionen erstellen, würde man schnell erkennen, woher das complicated herkommt. Von "Müllers Büro", "Tempo", "In 3 Tagen bist du tot", "Fast Film", "Muttertag" und die Murnbergeschen Adaptionen von Wolf Haas' Romanen, sind das alles Filme, die sich im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen, österreichische Eigenheiten zum Ausgangspunkt nehmen, um Ausflüge ins Genrekino zu unternehmen oder, die sich zumindest nicht an der so oft zitierten Sezierung der österreichischen Seele festbeißen und in einem Ist-Zustand zwischen Verzweiflung und Ausweglosigkeit verharren.

Müllers Büro

WEGA

Müllers Büro (1986)

Genau das, ist das, was mich oft stört, dass der österreichische Film, das österreichische doppelt unterstreicht und betont, eine Tendenz, das Produktionsland zum Hauptdarsteller zu machen, die sich im gesamten europäischen Kino feststellen lässt. Das europäische Programmkino arbeitet sich geradezu akribisch an Länderklischees um laute, leidenschaftliche Italiener, romantische Franzosen und verkorkste Finnen ab. Österreicher sind - laut Film - immer ein bissl oarg, düster und morbide und suhlen sich mit mürrischer Begeisterung in der jeweilgen Misere. Dramatischer Sozialrealismus, stets um Wahrhaftigkeit, Echtheit und Aufklärung bemüht, interessiert mich im Kino nur bedingt; ich halte auch nicht viel davon, dem Kino eine erzieherische oder aufklärerische Aufgabe zu erteilen. Film ist für mich am interessantesten, wenn er die echte Welt erweitert, abstrahiert, überhöht, verdreht. Nicht, wenn er sie abbildet, einen Status Quo verdoppelt und das Publikum mit einem seufzenden "Jo eh, was sollma machen" nach Hause schickt, Das Raunzen und das Angeranzte, ich war es ein bisschen leid.

Josef Hader versteckt sich hinter aufgehängten Schweinehälften in einem Kühlraum; Szene aus dem Film "Der Knochenmann"

Dor Filmproduktion/Petro Domenigg FILMSTILLS.AT

Josef Hader in den Untiefen der steirischen Backhendlprovinz, wo die Groteske und der Horror sich Gute Nacht sagen: "Der Knochenmann"

Seit einigen Jahren probiert sich der österreichische Film in Ausflügen in ungewohnte Zonen, die mit Kabarettstars besetzte Komödie verdunstet allmählich und Wagnisse ins Genrekino erwiesen sich als höchsterfreuliche Eroberung neuer Terrains. Gleichzeitig mit dieser Wandlung kam auch ein steigerndes Interesse an und Aufmerksamkeit für den österreichischen Film jenseits der Landesgrenzen. Marie Kreutzers "Die Vaterlosen" setzte nach einer Premiere auf der Berlinale seinen Erfolg in den heimischen Kinos und auf weiteren Festivals fort, Markus Schleinzers "Michael" und Karl Markovics' "Atmen" (zwei Schauspieler-turned-Regisseure) waren in Cannes zu sehen, alle drei erzählen Geschichten, die nicht zwanghaft österreichische sind.

Die Ausgezehrten

Heute gab der Filmfonds Wien die Förderzusagen bekannt und ein Projekt, dem eine sogenannte Herstellunsgförderung zukommt, ließ mich in der Früh gleich den Kaffee vor Freude auf den Laptop schütten. Grund für die Patzerei im Pyjama war ein Film namens "Die Ausgezehrten" von Valentin Hitz, in dem eine - so sagts die Aussendung - "beklemmende Zukunftsvision" entwickelt wird, die im groben an Lars Kraumes überladenens "Die kommenden Tage" erinnert, aber einen Schritt weiter in Sachen Eskalation, Abstraktion und Science-Fiction geht. Alexander Scheer, der zappelige Teenager mit dem weltklasse selbstgemachten "Rock & Pop"-T-Shirt in "Sonnenallee", hat sich einen Schnurrbart wachsen lassen und wird in "Die Ausgezehrten" einen Todesmakler spielen. Denn, ich zitiere weiter "... nur todesversichert enkommt man dem posthumanen Abarbeiten der eigenen Schulden.

freibeuter film

Die Ausgezehrten, Regie: Valentin Hitz

Außerdem mit dabei, in dem Projekt, das als Sci-Fi-Film- Noir beschrieben wird, zwei Eckpfeiler der verlässlichen Schauspielwucht: Ursula Strauss und Nicholas Ofczarek. Das klingt nach einem weiteren großen Schritt für den heimischen Film, auch für ein Aufheben der nervtötenden Schranken zwischen E- und U-Sparten. Das ist mit all den oben genannten Filmen ein Wegrücken vom Message-Kino, weg von Film als Themenkatalog und Problemspiegel der Menschheit, ohne die Möglichkeiten des Kinos wirklich mitzudenken und auszunutzen. Ich kanns kaum erwarten.