Erstellt am: 6. 3. 2009 - 15:03 Uhr
Brust oder Keule
Jetzt ist schon wieder was paniert. Unzähliche Hendl nämlich verlassen im Semmelbröselmantel die Küche des Wirtshauses Löschenkohl, um in den Mündern des Pensionistenvereins zu verschwinden. Und verschwunden scheint auch dieser Horvath zu sein, wegen dem es den Brenner (Josef Hader) erst in die steirische Provinz verschlagen hat.
Das raubt dem Brenner jetzt aber nicht unbedingt den Schlaf, viel eher macht das die Knochenzermahlmaschine im Wirtshauskeller, es ist nicht so, dass wegen Ungereimtheiten sein ehemaliges Ermittlerherz höher zu schlagen beginnt, das bumpert eher wegen der Wirtsschwiegertochter (Birgit Minichmayr) höher. Da ist der Brenner nahe dran, den Kopf zu verlieren (und andere Körperteile).
Luna Film
Romantik Hilfsausdruck
Denn eigentlich, das wiederholt das Trio Murnberger/Hader/Haas schon fast mantramäßig ,ist "Der Knochenmann" ein Liebesfilm. Die dritte Verfilmung eines Haas-Romans wird zum Genre-Bastard, der Horror, Witz, das Makabre und die Liebe vermengt und in der Mischung einen Film rausbackt, der die großen Gesten, das Kinohafte auf die Leinwand bringt, deren Mangel im österreichischen Film Christian Fuchs hier beschrieben hat.
Keinen Scherflein, sondern mindestens ein bis zwei Scherf tragen dazu die Sofa Surfers bei, die einen Soundtrack kreiert haben, der der Filmmusik Eigenständigkeit zurück gibt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, ein Score, der den Film trägt, ohne ihn mit Beats voranzupeitschen und der auch ohne Film funktioniert: Die Sofa Surfers sind momentan mit "The Triple Scores of Brenner" in Österreich unterwegs.
Brenner und Berti
Und auch Brenner selbst kennt keinen Stillstand, nicht nur geografisch ist er jetzt nach Wien ("Komm süßer Tod") und Salzburg (Silentium") eben am steiermärkischen Land gelandet, sondern auch der Figur stehen Murnberger, Haas und Hader Veränderungen zu. Nicht nur gesichtsbehaarungstechnisch. Statt sich auf die Formel erfolgreicher Filmserien zu verlassen, eine etablierte, unveränderliche Figur durch Abenteuer zu schicken, darf sich Brenner verändern, darf seine Muffigkeit variieren, seine Umgänglichkeit runter und raufschrauben und seinen Grant pegeln. Und der Sidekick-Berti (Simon Schwarz), der ist jetzt sogar sowas wie sein Chef.
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Im "Knochenmann" ist der Brenner weniger aufbrausend, aber immer noch schlagfertig, weniger genervt, geht aber anderen noch auf die Nerven. Der Ermittler Brenner erwacht erst in den letzten Minuten des Films, davor dreht sich rund um ihn ein Karussell, das angetrieben wird von Geld, Verliebt-Sein, Erpresst Werden und Lügen. Die fatale Verstrickung von Einzelsträngen zu einem blutigen Ganzen transferiert die makabre Nüchternheit früherer Filme der Coen-Brüder ins Österreichische.
Die schönsten Momente sind die, in denen sich Protagonisten verdattert über die Umstands-Verkettung anstarren und Mörder ein unhörbares "Nicht schon wieder" seufzen und zum Mordwerkzeug greifen. Weil Mord ist hier harte Arbeit, Hitchcock hätte sicherlich seine Freude dran gehabt, der Suspense Master hatte in "Torn Curtain" damals vorgemacht, dass so ein Mord Kraft, Zeit und eventuell sogar mehrere Werkzeuge braucht.
Anstrengendes Morden
"Der Knochenmann" gewinnt seine Stärke auch aus einem kleineren Ensemble als z.B: in "Silentium" und einer beschränkten Anzahl von Schauplätzen. Der Hendl-Kreislauf, den die Wirtsschwiegertochter dem Brenner erläutert, während die Knochenhäckselmaschine wummert, gibt das Thema des Films vor, Veränderung, weil danach streben fast alle Figuren, die dem Brenner hier über den Weg oder die Leber laufen.
Dass der Film es auch noch schafft, Transgender-Thematik nicht problemkonnotiert einzubringen, ist eine Meisterleistung, die sonst nur dem skandinavischen Film gelingt, der seit Jahren gesellschaftlich als "schwierig" geltende Themen in Filme einfließen lässt, ohne an ihnen ein Problem abzuarbeiten. Durch die Beiläufigkeit ohne Bagatellisierung erlangen sie Normalität, von der man in der "echten" Welt noch milchstraßenweit entfernt ist.
Dialekt-Melange
Weit entfernt von Authentizität, die vom Publikum gerne von Filmen eingefordert wird, ist die Dialektwelt im "Knochenmann". Der steirische Wirt (in der Ruhe liegt die Kraft: Josef Bierbichler) spricht mit einer bayerischen Meister Eder Zunge, Birgit Minichmayr lässt ihre echten Sprachwurzeln, die oberösterreichischen, an die Luft wachsen und der Wirtssohn entlässt seine angestaute Wut ordentlich wienerisch eingefärbt (genauer: so xaverhutterisch: wienerisch und hochdeutsch kombinierend) in die kalte Winterluft. Das stört mich nu schon alleine deswegen nicht, weil es so zu Szenen kommt, in denen eben Löschenkohl Junior, der Porsche-Pauli mit dem Kreativbranchen-Haarschnitt, dem Brenner "Scheiß Wiener" entgegenbrüllt - und das mit einem Idiom, das nach Bundeshauptstadt schreit, wie sonst nur das Meidlinger L.
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Ich konnte mir ja nur schwer vorstellen, dass "Silentium", in dem die Salzburger Hochkultur einen Tritt in den katholischen Hintern bekommt, jemals übertroffen werden könnte, "Der Knochenmann" sägt (sic!) aber da ordentlich am 1er-Stockerplatz, vermengt die Groteske mit der Tragik, die Komik mit der Gewalt und Schuld an allem Zeter und Mord(io) ist natürlich die Liebe. Wenn die Wirtin dem Brenner sagt, er soll die Zitronen nicht so dick schneiden und ihm schließlich eine Scheibe in denMund steckt, dann ist da mehr Zärtlichkeit drin, als in drei RomComs.
"Der Knochenmann" läuft ab 6. März 2009 in den österreichischen Kinos