Erstellt am: 24. 6. 2011 - 11:01 Uhr
Delon, Deneuve, De nada!
Eines gleich vorweg: Ich bin mir sicher, es gibt immer noch ein paar, die noch immer nicht Zeuge der wortgewaltigen Grandezza von "The Social Network" waren. Ich kann euch ja nicht zwingen, nur nochmal empfehlen.Das stets umfassende österreichische Sommerkinoprogramm hat dankenswerterweise David Finchers Abhandlung über männliche Machtstrategien, Ehrgeiz, Freundschaft und die Zampanos unserer Zeit im Programm. Jesse Eisenberg kann dabei dem loveable nerd, den er ansonsten spielt, einen düsteren Twist verleihen, gibt einen Eigenbrötler und Menschenfeind. ("The Social Network" gibts ua zu sehen beim Open Air Kino im Paradeishof, Graz und im Rahmen des Cinema Paradiso)
Neben der Möglichkeit, große Filme und Ärger über Entscheidung bei der Oscar-Verleihung nachzuholen (zB den wunderbaren "The Kids Are All Right" im Poolbar Sommerkino), gibts aber noch einige andere Sommerkino-Angebote, die einen vor die Leinwand locken. espressofilm, widmen sich dem oft vernachlässigtem Kurzfilm und zeigen ihr diese einen Sommer lang im Gartenpalais Schönborn. Das frameout im Wiener Museumsquartier untertitelt sich selbst mit "digital summer screenings" und widmet sich wieder den Schnittstellen zwischen Game, Comic, Anime und Film.
UIP
Für Ungeduldige öffnen sich kleine Wurmlöcher voller Möglichkeiten, so kann man die österreichische Produktion "Michael", die auch in Cannes gezeigt wurde, vor dem Kinostart am 2. September bereits im Rahmen von "Kino wie noch nie" sehen. Michael Schleinzers Film erzählt die Geschichte eines pädophilen Mannes, der einen Jungen gefangenhält, einen "Täterfilm" nennt Schleinzer "Michael" und weiter "Eine Gesellschaft kann nur so weit entwickelt sein, wie sie auch in der Lage ist, sich mit ihren Tätern auseinanderzusetzen."
Sommerkino ist nicht nur ein wunderbarer Zeitvertreib, sondern auch Rückeroberung des öffentlichen Raumes und das Errichten eines temporären Kinosaals unter freiem Himmel. Also raus mit euch (an die Luft) und rein mit euch (in die Filme). In folgende, zum Beispiel.
Nur die Sonne war Zeuge
Die Sonne brennt auf eine Technicolorwelt, in der das schöne Blau des Meeres fast in den Augen weh tut. Der braungebrannte Alain Delon beinah als Verkörperung des französischen Sommers ist als Ripley in "Plein Soleil" zwar eine Fehlbesetzung, wenn man sich näher mit Patricia Highsmiths Romanvorlagen auseinandersetzt, Rene Clements Film ist trotzdem ein flirrendes, hypnotisches Werk. Delon und Maurice Ronet als rivalisierende Kumpel und Kindsköpfe, Marie Laforet als sommersprossige Frau dazwischen, die als erste ahnt, dass dieser Sommer an der Cote d'Azur ein böses Ende nehmen wird. Tagline: Passion at ten. Envy at eleven. Murder at noon.
SZ
- "Plein Soleil/Nur die Sonne war Zeuge" am 9. August 2011 am Kino am Dach
Made in Dagenham
Im verzweifelten Kampf um ein paar mehr Zuseher und das Sex sells-Mantra betend, brachten Verleiher "Made in Dagenham" als "We want sex" in unsere Kinos. Darin setzt sich Sally Hawkins für Gleichberechtigung und gleiche Löhne in einer Ford-Fabrik im England des Jahres 1968 ein. "Made in Dagenham" bringt seine feministische Botschaft mit einer Riege an vielschichtigen Charakteren und wunderbaren Schauspielerinnen auf die Leinwand, weidet sich an Mode und Möbel der 1960er Jahre und tröpfelt einem Dusty Springfield und Sandy Shaw in die Gehörgänge, bis die Beine von selbst zu tanzen beginnen. Großartig ist Rosamund Pike, als wohlhabende Frau, unglücklich eingekeilt in einer Ehe, die in den Bestrebungen der Fabriksarbeiterinnen plötzlich auch ihre Anliegen vertreten sieht. Mit Sally Hawkins hab ich mich nach dem nervtötenden "Happy Go Lucky" versöhnt, sie gibt eine Working Class Heroine, die zunächst wie die Jungfrau zum Kinde zu ihrer Kämpferrolle kommt und dabei auch noch ihre echten Kinder zu schaukeln hat. Tagline: 1968. It's a man's world. But not for long...
tobis
"We want Sex/Made in Dagenham" am 22. Juli im Moviemento Sommerkino
Potiche
Emanziaption und Retrofetischismus gibts gleich nochmal: Bei Francois Ozon joggt man mit der Grande Dame Catherine Deneuve zunächst durch den Wald, bis Madame Pujol die Geschäfte ihres Mannes übernimmt. Weibliche social skills sind das Gegengift zu den patriachalen Strukturen des Monsieur Pujol. Plötzlich weht der Wind des Sozialismus durch die Regenschirmfabrik, die Schirme sind bunt und schließlich singt Madame uns auch noch ein Lied. Grandioser Film, mit dem sich Ozon wieder vor seinen Vorbildern Fassbinder und Sirk verneigt und Catherine Deneuve ein Denkmal meißelt. Tagline: The trophy is coming off the shelf.
Tobis
- "Potiche/Das Schmuckstück" am 17. Juli im Moviemento Sommerkino und am 16. Juli beim Open Air beim Kesselhaus
The Big Sleep
Lakonischer wirds nicht mehr: In "The Big Sleep" tappt Humphrey Bogart mit Trenchcoat und Hut durch den Moloch Großstadt, hat einen undurchsichtigen Fall am Hals und auch noch die tough-bezaubernde oder bezaubernd-toughe Lauren Bacall, die die Augenlider auf Halbmast trägt. Glaubt man der Hollywoodmythenschmiede hatten weder Regisseur Howard Hawks noch die Drehbuchautoren genau verstanden, wer, wen, warum hier ermordet, aber das ist auch in der Tat egal. Ein von Zynismus getränktes Werk, Illusionen gibts hier keine, dafür grandiose Dialoge und ein Bogart/Bacall-Feuerwerk der Leinwand-Chemie . Tagline: The type of man she hated . . . was the type she wanted!
fox
- "The Big Sleep/Tote schlafen fest" am 10. Juli 2011 im Open air Kino beim Kesselhaus
Jennifer's Body
Ein pinker Schnörkelschrifzug leuchtet auf: "Jennifer's Body" steht da und hofiert so das 80er Jahre Teenage Kino des wunderbaren John Hughes, der mit "16 Candles" und "Breakfast Club" den krisengebeutelten und konsumfixierten Teenager auf die Leinwand gebracht hat. Und der Hughes-Hofknicks kommt nicht von ungefähr; Diablo Cody, Drehbuchautorin von "Jennifer's Body" streut immer wieder Hughes-Spurenelemente in ihre Figuren und vor allem in ihre Sprache. Codys zweites Drehbuch nach "Juno", in dem sie bewiesen hat, dass es noch sehr viele Wörter gibt, die noch nicht im Thesaurus stehen und das unbedingt tun sollten, ist eine Horrorkomödie. Teenager und Horror sind ohnehin eine dankbare Kombination, hier versucht Amanda Seyfried ihre ehemals beste Freundin Jennifer (Megan Fox) zu stoppen, die von einem dämonischen Wesen besessen ist und seither unbändigen Appetit auf junge Männer hat. Nicht sex-, sondern essenstechnisch. "Jennifer's Body", dem der deutsche Verleihtitel ein "Jungs nach ihrem Geschmack" angehängt hat, war nich in den österreichischen Kinos zu sehen, das stets um uns bemühte slashfilm gibt uns die Möglichkeit, den Film auf großer Leinwand nachzuholen. Tagline: She's evil... and not just high school evil.
10th century fox
- "Jennifer's Body" am 22. Juli 2011 im Kino wie noch nie
Carnival of Souls
Wer einmal eine filmische Entsprechung des schönen Wortes eerie erleben möchte, der schreibt sich jetzt die "Carnival of Souls"-Vorstellung in den Terminkalender. In dem B-Movie-turned-cult-classic aus dem Jahr 1962 wankt und wandelt eine junge Organistin nach einem Autounfall zwischen heaven and hell, wie es der Trailer verlautbart. Düstere Vorahnungen, nicht genau ausmachbare Bedrohungen, ein sinistrer Mann im Anzug mit weiß geschminktem Gesicht, der ihr manchmal aus dem Spiegel entgegenstarrt. Gänsehautproduzierende Orgelklänge schweben durch den Film und in deren Windschatten werden immer mehr die Grenzen zwischen Realität, Illusion und Traum verwischt. Herk Harveys Horrorfilm war auch ein wichtiger Einfluss auf Christian Petzolds Film "Yella". Tagline: She Escaped Death. Now It Wants Her Back!
A story so unusual it will burn itself into your mind
gemeinfrei
- "Carnival of Souls" am 16. August 2011 im Arena Sommerkino
Lifeboat
Das Kino unter Sternen zieht es hinaus auf die hohe See, "Ship of Fools" hab ich ja hier schon ausführlich empfohlen, Hitchock-Verehrer werden sich freuen, dass es auch mal weniger bekannte Filme des Suspense-Zampanos ins Sommerkinoprogramm schaffen. Konnte man letztes Jahr "Waltzes from Vienna" sehen, steht heuer "Lifeboat" auf dem Programm. Hitchcock selbst nannte "Lifeboat" einen "Mikrokosmos des Krieges". Basierend auf einer Vorlage John Steinbecks, zeigt der Film Passagiere eines Personenschiffs nach einem Angriff durch ein deutsches U-Boot, wie sie in einem Lifeboat auf dem Atlantik treiben. Hitchcock faszinierte die Idee des geschlossenen Raumes (er wollte ja auch einen Film machen, der nur in einer Telefonzelle spielt, eine Idee, die es dann erst 2002 auf die Leinwand schaffte). "Lifeboat" ist weniger Thriller als psychologisches Drama mit einigen Moral-Dilemmas, aber vor allem sehenswert, wie Hitchock es meistert, den einzigen Schauplatz und seine Insassen mit der Kamera einzufangen. Und wie er es geschafft hat, auch hier einen Cameo hinzulegen. Nicht jetzt googlen, sondern ins Kino gehen. Tagline: Who goes Primitive first...A man...Or a woman...adrift in an open boat?
arthaus
- "Lifeboat/Das Rettungsboot" am 22. Juli 2011 im Kino unter Sternen. Vor dem Film: Lecture: "Herr Lehrer, wie haben eigentlich die Nazis ausgesehen?" Christian Cargnelli über Walter Slezak, Lifeboat und den Anti-Nazi-Film Hollywoods
Pineapple Express
David Gordon Green, der Regisseur, der mit träumerischen Indie-Werken das Sundance-Herz höher schlagen ließ, überraschte 2008 mit "Pineapple Express", dem Film, den man fälschlicherweise als stoner comedy abtut, der aber eine bromance ist, die zu verzaubern weiß. Seth Rogen und James Franco, einander verbunden durch ein inniges Dealer-Kiffer-Verhältnis, befinden sich wegen einiger Verwicklungen auf der Flucht vor einer korrupten Polizistin und einem skrupellosen Drogenboss. Das Drehbuch stammt von Rogen und Evan Goldberg, die mit Filmen wie "Superbad" ein Händchen für etwas bewiesen haben, was dem Kino lange fremd war: Die Verbindung von körperlichem Humor, Action, grandiosen Dialogen, Witz und Abhandlung von zwischenmenschlichen Dramen. Sie bringen Herz und Hirn in simple Speibszenen, das ist eine Besonderheit des Clans um Judd Apaptow. Tagline: Put this in your pipe and smoke it.
Sony Pictures
- "Pineapple Express/Ananas Express" am 13. August 2011 im Kino am Dach
The Night of the Hunter
Alle paar Jahre begegnet mir jemand, der meint, er könne mit schwarz-weiß-Filmen nichts anfangen. Dann verwandle ich mich manchmal in einen Verbalhulk oder täusche eine Ohnmacht vor. Danach lege ebenjenen "The Night of the Hunter" ans Herz, wenn das auch nichts hilft, schick ich sie nach Oz für weitere Hilfe. Charles Laughtons einziger Film ist ein einzigartiger Film, ein visueller und erzählerischer Meilenstein des amerikanischen Kinos, ein Genregrenzen hinter sich lassender, teilweise traumwandlerischer Sog. Robert Mitchum zieht als angeblicher Wandrprediger durch die Lande; der ehemalige Häftling muss nach seinem Gefängnisaufenthalt feststellen, dass nur zwei kleine Kinder wissen, wo die Beute eines Bankraubes versteckt ist. "Night of the Hunter" ist ein Märchenthriller über Gut und Böse, ein Kampf zwischen Licht und Schatten. Beeinflusst vom deutschen Expressionismus sucht der Film immer wieder Halt in geometrischen Formen, überrascht mit surrealen Bildern, ungewohnten Kameraeinstellungen und grotesken Szenen. Ein großer, großer Film.Tagline: The wedding night, the anticipation, the kiss, the knife, BUT ABOVE ALL... THE SUSPENSE!
arthaus
"The Night of the Hunter/Die Nacht des Jägers" am 4. Juli 2011 im Kino wie noch nie
Und jetzt sagt ihr: Na, das ist ja ein verdammt ausgeschlafener Plan.