Erstellt am: 29. 4. 2011 - 15:13 Uhr
"Der Prozess"
Am Montag geht der mittlerweile schon als "Monsterprozess" betitelte Strafprozess gegen 13 TierschützerInnen zu Ende. Sie sind die ersten in Österreich, die nach Paragraf 278a, dem so genannten Mafiaparagrafen angeklagt werden, ein Gesetz das ursprünglich vor allem gegen Terror oder Menschenhandel eingesetzt werden sollte.
§278 auf FM4
- Terroristen wie du und ich: Über die Kriminalisierung von Protest am Beispiel von #unibrennt (Lukas Tagwerker)
- Martin Balluch über politische Arbeit, Paranoia und die fehlende Diskussion über Tierschutz (Irmi Wutscher)
- Rufe nach Reform der Paragrafen werden laut (Rainer Springenschmid)
Den Dokumentarfilmer Gerald Igor Hauzenberger hat dieser Prozess vor allem wegen seiner Absurdität interessiert. Zum Beispiel, warum der Staat so hohe Kosten für Ermittlungen und einen derart langen Prozess auf sich nimmt, um gegen ein paar TierschützerInnen vorzugehen. Er hat den Prozess von den ersten Verhaftungen 2008 an begleitet und wird im Herbst unter dem Titel "Der Prozess" eine Kinodokumentation darüber herausbringen.
Erzähl mal ganz allgemein von deinem Filmprojekt: Warum hast du angefangen, was kommt dabei raus?
Das Projekt ist ein Megaprojekt, wie auch der ganze Prozess, der ja schon "Monsterprozess" genannt wird. Wir haben 2008 begonnen zu drehen, nachdem die Leute dreieinhalb Monate, also mehr als hundert Tage, in U-Haft waren. Wir fanden das interessant, weil es da um sehr viel in der Demokratie geht. Also haben wir begonnen mit einzelnen Leuten, die inhaftiert waren, einmal mitzugehen oder haben geschaut, was politisch passiert. Wir haben also angefangen zu drehen und ungefähr ein Jahr lang gebraucht, bis das Projekt finanzierbar war.
![© APA/Helmut Fohringer tierschuetzerprozess, angeklagte](../../v2static/storyimages/site/fm4/20110417/prozess_body.jpg)
APA/Helmut Fohringer
Dann haben wir bemerkt, dass das Ganze schon längst zu Ende sein sollte. Ursprünglich wusste man ja nicht, kommt es zu einem Prozess oder nicht, und wenn, hat es geheißen, wird dieser Prozess maximal drei bis vier Monate dauern. Und wir haben gedacht, da werden wir 2009 fertig, spätestens 2010. Jetzt sind wir im Jahre 2011, der Prozess ist über ein Jahr gegangen und gehört mittlerweile zu einem der längsten Strafprozesse der zweiten Republik, wenn man bedenkt, dass es gegen eine NGO-Bewegung geht, gegen ethisch-sozial motivierte Menschen. Und der Prozess ist ja gar nicht zu Ende, sondern er wurde abgebrochen, denn mit allen Belastungs- und Entlastungszeugen würde das noch ein Jahr dauern. Daher sind wir alle sehr gespannt, was am Montag bei der Urteilsverkündung rauskommt.<<
Was hat dich am Thema gereizt?
Mich hat interessiert: Was passiert, wenn da aufmüpfige, häufig demonstrierende Bewegungen, NGOs in das Visier von diesen modernen, sehr martialischen Anti-Terror-Paragrafen kommen. Die dann flächendeckend einsperren können, ohne dass es Beweise für Sachbeschädigungen gibt. Für mich war das auch ein Übergang in der heutigen Demokratie von einer Vertrauens- hin zu einer Misstrauensgesellschaft.
Und was kommt bei deinem Filmprojekt heraus, was ist das Endprodukt?
Wir machen einen Kinofilm, das war von Anfang an so gedacht. Wesentlich für uns ist, dass das Thema so intensiv ist und so viele verschiedene Aspekte hat, dass wir das nicht unter eineinhalb Stunden produzieren können. Vielleicht wird er sogar länger, denn immerhin muss einer der größten und längsten Prozesse der zweiten Republik in eine Form gepackt werden, dass das auch Zuseher, die nichts davon wissen, nachvollziehen können.
Der Name des Filmes wird "Der Prozess" sein, durchaus in Anlehnung an Franz Kafka. Es gibt sowas wie eine inhärente Logik der Ohnmächtigkeit im Prozess von Kafka. Und wenn man sich diesen Prozess ansieht, hat der etwas sehr Ähnliches. Das heißt, man weiß nicht genau, wie ermittelt wurde, warum angezeigt wurde, es gibt eigentlich unbekannte Täter. Es ist aber schon strafbar, wenn man wissentlich oder auf eine andere Art und Weise eine kriminelle Organisation unterstützt. Und das muss erst einmal herausgefunden werden, was das heißt, das ist schon einmal sehr kafkaesk.
Die zweite Sache bei diesem Film ist, das ist mir noch nie vorher passiert, dass viele Türen zugehen. Sobald ich erwähne, ich mache über diesen Paragraf 278 und den sogenannten Tierschützerprozess einen Film, heißt es vorher immer "Jaja, machen wir ein Interview" und wenig später: "Wir können leider nicht". Es gibt in diesem ganzen Prozess etwas Nebuloses oder Unklares, das auch dem Geiste dieses Paragrafen entspricht, der bis heute nicht zulässt, dass man sagen kann: gibt es am Montag Freisprüche oder nicht.
Wer kommt denn vor im Film, und wer nicht?
Für mich als Journalist und als Filmemacher ist es wichtig, eine bestimmte Redlichkeit zu haben. Ich möchte nicht nur eine Seite zeigen, sondern auch die andere. Wir haben im Parlament gedreht und ich hatte dann auch die Möglichkeit, mit der (Anm.: ehemaligen) Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zwei Interviews zu machen. Eines am Jägerball und ein anderes im Parlament, hinter ihr immer der Pressesprecher, dem das gar nicht recht war. Das waren alles so Zufall-Interviews. Auch wenn es nur das war, was immer gesagt wurde, nämlich "Wir können dazu nichts sagen" und "Ich darf mich da nicht einmischen".
Da geht es um einen Paragrafen, der erstmals so angewendet wird, gegen soziale Bewegungen und dann darf man, auch wenn im Laufe des Verfahren keine Sachbeschädigungen bewiesen werden können, nicht eingreifen. Es gibt sozusagen einen systemimmanenten Prozess, wenn der einmal losläuft dann fährt der wie ein Zug ab. Das muss dann bis zum Urteil durchjudiziert werden, auch wenn Leute direkt in den finanziellen Konkurs damit gehen.
Wo habt ihr noch drehen dürfen oder nicht, du hast vorher von verschlossenen Türen geredet.
Ich wollte natürlich auch mit Polizisten reden, die da beteiligt waren mit Verantwortlichen in den Einsatzkommandos, da gibt es schon welche, die drüber reden wollen. Da hieß es zuerst "nach der Zeugenaussage", dann "nach dem Gerichtsurteil", heute heißt es: "Naja, aber das Urteil wird ja nicht rechtskräftig sein."
Ich finde, es muss eine Transparenz geben, damit junge Leute nicht das Vertrauen in den Staat verlieren. Wir sind jetzt gerade an einer Schwelle, wenn man sich z.B. Griechenland anschaut, wo zunehmende Unzufriedenheit da ist, weil man spürt, dass Institutionen ohne Öffentlichkeit agieren. Das spüre ich schon sehr stark, hoffe aber dass sich das noch ändern wird bis zum Sommer hin.
Der Tierschutzprozess bisher bei FM4:
Kein Ruhmesblatt für die Justiz
Strafrechtsexpertin Petra Velten und Verfassungsrechtler Heinz Mayer zum Tierschützerprozess
Tierschützer wieder in Freiheit
Connected-Interview mit Martin Balluch
Tierschützer vs. Polizei
Christoph Weiss zu den Verhaftungen der Tierschützer
Paragraf 278a
Arthur Einöder über den Paragraf 278a
![© APA/Helmut Fohringer Richterin Sonja Arleth](../../v2static/storyimages/site/fm4/20110417/Arleth_body_small.jpg)
APA/Helmut Fohringer
Was erwartest du dir vom Urteil am Montag?
Das Urteil bringt zumindest in einer Form einen Abschluss, nämlich für die vielen Leute, die schon derartig unter dem Prozess leiden und in psychologischer Behandlung sind. Sogar die Richterin hat gesagt, dass sie nicht mehr schlafen kann. Dass man endlich einmal weiß, ist man aufgrund dieses Paragraphen schuldig oder nicht? Viele hoffen, dass es zu Freisprüchen kommt, besonders was den 278a betrifft, bei Einzeldelikten ist es sehr unsicher.
Das perfide an diesem Prozess ist ja, dass es keinen wirklichen Sieger geben kann. Dieser Paragraf macht nur Verlierer. Auf der einen Seite, weil diese exorbitanten Verhandlungstage Millionen an Steuergeldern verschlingen. Die Justiz hat sich ja nach dem Sinnspruch "Das Recht muss seinen Weg gehen, auch wenn die Welt daran zu Grunde geht" zu richten. Aber es ist klar: Die Anwaltskosten gehen in die Hunderttausende. Selbst im Falle eines Freispruches würden die Angeklagten maximal 1250 Euro bekommen. Das heißt am Ende von diesem Verfahren kann man, selbst wenn es einen Freispruch gibt, nur in Konkurs gehen.
Laut kursierenden Verschwörungstheorien soll das ja auch der Sinn des Prozesses gewesen sein.
Ich maße mir nicht an, dazu etwas zu sagen. Es gibt Leute, Beschuldigte oder aus deren Umfeld, die sagen, dass es beabsichtigt war, die Leute möglichst lange von der Straße fernzuhalten und sie in den finanziellen Ruin zu treiben. Ich kann das nicht beurteilen, würde mir aber wünschen, dass mir einige Leute aus der Justiz und aus der Polizei einfach genau sagen, warum dieser massive Einsatz stattgefunden hat - jenseits von den Grundrechten. Und warum man glaubt, dass die Tierschützer in Österreich gefährlicher sind als Mafiabewegungen, Wirtschaftskriminalität, Korruption oder jede Form des Terrorismus.