Erstellt am: 27. 2. 2011 - 10:34 Uhr
Jens Friebe in der FM4 Bücherei
Bisher zu Gast in der FM4 Bücherei
Sibylle Berg
Francoise Cactus
Arno Geiger
Klaus Nüchtern
Christian Kracht
Kathrin Passig
Tilman Rammstedt
Sven Regener
Christiane Rösinger
Tex Rubinwitz
Rocko Schamoni
Stefan Slupetzky
Funny van Dannen
Franz Adrian Wenzl
Juli Zeh
Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.
Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor, bzw. Bücher, die man durchaus lesen sollte.
Diesmal zu Gast: Jens Friebe
Jens Friebe liest viel, aber langsam und schon gar nicht auf Tour, selbst wenn er dort immer Bücher mitnimmt.
Jens Friebe ist Musiker und Musikjournalist. Sein Geld hat er eine Zeitlang damit verdient, dass er über das Ausgehen geschrieben hat. Ein Traumberuf, aber auch anstrengend, weil man auf eigene Phantasie und Produktion angewiesen ist und da sei natürlich immer auch eine Panik mit inbegriffen "was ist, wenn plötzlich gar nichts mehr kommt?"
Diese Ausgehgeschichten sind unter dem Titel "52 Wochenenden. Texte zum Durchmachen" 2007 erschienen, und waren umgehend vergriffen. Zwei Jahre später hat der Verbrecher Verlag die Texte wieder aufgelegt - "52 Wochenenden. Kritische Ausgabe". Die kritischen Anmerkungen stammen von der Germanistin Jelenia Gora, einer höchst intelligenten Frau, die sich Jens Friebe allerdings nur ausgedacht hat.
fm4 bereuter
Julie Miess: Neue Monster
boehlau verlag
Julie Miess: Neue Monster. Postmoderne Horrortexte und ihre Autorinnen. Böhlau Verlag
"Ich komme an dieses Buch, weil es meine Freundin und Bandkollegin ist. Die hat Amerikanistik studiert und Germanistik. Das kann man auch sehr gut lesen, als jemand, der jetzt nicht total theoretisch ausgebildet ist. Früher gab es auch den Arbeitstitel 'Neufassungen des Monströsen. Neue weibliche Monster.' Und es geht um die Rolle der Frau im Horror auf verschiedenen Ebenen: sowohl Horrorautorinnen als auch Frauen als Figuren in Horrorfilm und Horrorliteratur. Da wird eben erst beschrieben, wie traditionell auf allen möglichen Ebenen eigentlich das Weibliche abgewertet ist.
z.B. auf einer Genreeinordnung auf der Ebene der Autorenschaft, wo dann früher immer versucht wurde, male horror und female gothic gegeneinander abzugrenzen und immer der Versuch gemacht wird, zu unterscheiden und zu sagen, dass Frauen eigentlich nicht so hart schreiben können und nicht so wirklich, sondern dass die eher so ein bisschen so fantasievoll, gruselig schreiben. Und dass das eben ganz oft gar nicht zutrifft und aber durch diese Genreunterscheidung, die dann so sehr mit männlich und weiblich besetzt wird, dass da versucht wird, diese Unterscheidung zu machen und diese Aggression den Frauen abzusprechen.(...)
Es gibt zwar weibliche Monster oder Gruselfiguren, aber der positive attraktive Anteil, den das Monster oder der Schurke hat, als eine Selbstermächtigungsfigur, der steht nicht zur Verfügung. (...)
Sie stellt eben dar, dass es da Entwicklungen gibt zu neuen Monstern. Vielleicht als prägnantestes Beispiel sowas wie Ginger Snaps, wo ein Mädchen zum Werwolf wird und Werwolf ist ein ganz klassisches Monster, was eigentlich unheimlich männlich besetzt ist."
Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
suhrkamp
Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Übersetzt von Eva Rechel-Mertens, Suhrkamp Verlag
"Kennt man vom Hörensagen. Ich lese parallel zu allem anderen immer Proust und bin jetzt bei 'Sodom und Gomorrha', also ungefähr in der Mitte dieses Konvoluts.
Ich lese sehr langsam, deswegen ist es einerseits ziemlich schwierig, sich an die Sachen zu erinnern, aber es ist auch toll, weil wenn so Rückblenden kommen, und eine Figur wieder auftaucht aus dem ersten Band, dann ist es wirklich ein bisschen so, als würde man sich an die eigene Jugend erinnern – also weil es so lange her ist, dass man angefangen hat, das zu lesen. Es ist ein bisschen so, als würde man ewig Lindenstraße oder so gucken. (...)
Ich finde auch die alte Übersetzung am Besten – also Eva Rechel-Mertens bewundere ich sehr. Ich lese es dann doch nur zuhause, weil man muss sich schon sehr konzentrieren.
Warum es auch trotzdem gut ist, als langsamer Leser das zu lesen – man kann Proust eigentlich nur langsam lesen. Die Hauptsache ist nicht der Plot, den es nur von sehr weit betrachtet gibt, sondern die ständigen dreifach um sich selber drehenden Metaphern. Es ist auf jeder Seite eigentlich ein Gedicht drauf. (...)
Jens Friebe feiert seinen Geburtstag mit Jesus und hat als musikalisches Vorbild John Lennon.
Er beschreibt auf der gesellschaftlichen Ebene das Verschwinden des Adels, der Adel hat ja seine reale Macht eingebüßt und er schreibt, wie das eigentlich verschwindet und vom Bürgertum verdrängt wird und wie bestimmte Codes und so nicht mehr verstanden werden. Und er beschreibt auch unglückliche Lieben und auch wie die Liebe konstruiert wird und eigentlich nicht im Objekt selber liegt, sondern in dem, was sich die Leute zurechtmachen.
Und es geht um das Erinnern an sich – wie funktioniert Erinnern. Der berühmteste Topos ist ja diese Madeleine. Also er versucht sich bewusst an seine Kindheit zu erinnern und er schafft es nicht und isst diese Madeleine in Lindenblütentee getaucht und dann werden die zehn Bände produziert, von dem, weil er sich an den Geschmack erinnert. Das ist kein richtiger Plot, das sind tausende von Erinnerungen. (...)
Man kann nur gewinnen beim Proust lesen."
Alexander Herzen: Die gescheiterte Revolution.
insel verlag
Alexander Herzen: Die gescheiterte Revolution. Denkwürdigkeiten aus dem 19. Jahrhundert. Ausgewählt und herausgegeben von Hans Magnus Enzensberger.
Insel Verlag
"Das ist eine Auswahl aus seinen Memoiren, die werden unter verschiedenen Titeln geführt. Es heißt manchmal 'Reflexion und Memoiren' oder 'Gedachtes und Erlebtes'. Alexander Herzen war einer der berühmtesten sozialistischen Denker und Publizisten in Russland. Er ist dann emigriert - nach Paris und hat dort die Niederschlagung der 48er Revolution mitgekriegt. Er war in verschiedenen Exilen und schreibt über alle möglichen Exilantengruppen und über das Scheitern dieser 48er Revolution. Und beschreibt die ganzen wichtigen Figuren: Struve, Marx, Heinzen, Garibaldi usw.
Es ist sehr gut zu Lesen. Der wird ja auch immer mit Dieter Roth verglichen und er war wohl auch privat ein wahnsinnig unterhaltsamer Mensch. Und er vermischt das auch mit seiner Autobiographie und seinem privaten Liebesdrama und den privaten Tragödien. Er schreibt sehr menschlich und auch sehr viel über die Menschen, die Personen, wie die so sind. Und es geht dann aber auch ins Essayistische – also auch genremäßig sehr interessant.
Die Auswahl ist jetzt sehr auf das Politische bezogen, also auf die 48er Revolution, da ist jetzt nicht so viel Privates drin – ist aber sehr schön als Einstieg."
Die FM4 Bücherei mit Jens Friebe gibt es am Sonntag, 27. Februar 2011, in FM4 Connected (13-17 Uhr) zu hören.