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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

2. 1. 2009 - 14:16

Die FM4-Bücherei mit Sven Regener

Wer sich selbst als "Heavyhardcorebüchereibenutzer" bezeichnet, kann locker drei Lieblingsbücher vorstellen.

Bisher in der FM4 Bücherei

Die FM4-Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.
Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine bzw. ihre drei Lieblingsbücher vor, bzw. Bücher, die man durchaus lesen sollte.

Diesmal zu Gast: Sven Regener

Sven Regener ist nicht nur Sänger bei Element Of Crime, sondern spielt dort auch Gitarre, Klavier und Trompete. Und er schreibt die meist melancholisch traurigen Liedtexte. Aber nicht nur das, im Herbst ist sein dritter Roman um die sympathische Figur des Herrn Lehmann erschienen "Der kleine Bruder".

Wer soviel schreibt, der liest oft auch viel. Zwischen seinem 6. und 30. Lebensjahr sei er ein regelrechter Büchereifreak gewesen, ein "Heavyhardcorebüchereibenutzer". Deswegen freut er sich auch über den FM4-Büchereiausweis, erklärt geduldig, dass man seinen Namen wie "Regen" mit "er" schreibt und dass der Geburtstag am 1.1. eine Spaßbremse ist. Und natürlich stellt er uns drei seiner Lieblingsbücher vor.

Büchereikarte von Sven Regener

FM4

Frank Schulz: Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien

Buchcover

Zweitausendeins

Schulz, Frank: Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien Haffmans Verlag bei Zweitausendeins,
Frankfurt am Main 2001

"Ein sehr beeindruckendes Buch, sozusagen das Opus Magnum von Frank Schulz. Der hat drei Bücher geschrieben, die sogenannte 'Hagener Trilogie'. Schulz kommt aus einem kleinen Ort - Hagen - in der Nähe von Stade. Von da kommen die ganzen Dödel her, aus diesen Büchern, die dann in Hamburg leben und sich da durchschlagen und letztendlich versuchen, ihre eher bäuerliche Herkunft zu überwinden.

Die Hauptperson ist Bodo Morten, der langsam aber sicher verrückt wird - auch durch viel Alkoholkonsum und so weiter, weil er einerseits irgendwie Student in Hamburg ist - in einem normalen Studentenviertel, mit Freundin, die er dann geheiratet hat. Andererseits - als Redakteur eines Anzeigenblattes im Süden Hamburgs, also sozusagen auf der falschen Elbseite, arbeitet er unter extrem idiotischen Bedingungen und dort hat er gleichzeitig eine Affäre mit einem 18jährigen Mädchen.
Es ist ein sehr umfangreiches Buch und der große Teil sind so Tagebucheinträge von dem Typen. Man merkt, wie er langsam immer weiter irre wird.
Vor allem merkt man auch, was für interessanter und wirklich unterhaltsamer Stumpfsinn in diesen verschiedenen Welten ist, in denen er unterwegs ist und wie sich der gegenseitig durchwirkt. Man merkt, wie Idioten aneinander zerschellen.
Es ist wirklich ausgezeichnet und toll gemacht.
Also wenn es um Bücher geht, die einen ganz speziellen Blick auf die Realität in Deutschland heute und in den letzten 30 Jahren werfen, dann ist Morbus fonticuli sicher mit die erste Wahl."

Astrid Lindgren: Karlsson vom Dach

Buchcover

Oetinger

Lindgren, Astrid: Karlsson vom Dach. Aus dem Schwedischen von Thyra Dohrenburg. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1990

"Das Buch war für mich sehr wichtig, weil es eines der ersten Bücher war, die ich überhaupt selbst gelesen habe. Meine Eltern gaben mir das mit, als ich zum ersten Mal auf Klassenfahrt fuhr, also mit sieben Jahren oder so.

Es hat mich unter anderem sehr beeindruckt, weil ich mich mit diesem Jungen sehr gut identifizieren konnte. Der lebte auch in so einem garstigen Neubauviertel, der hatte ältere Geschwister, die doof waren, so wie ich auch, und wünschte sich unbedingt einen Hund, so wie ich natürlich auch und dann war da plötzlich dieser Freak, der da angeflogen kommt mit einem Propeller auf dem Rücken und der totalen Quatsch redet und sehr dreist mit der Welt umgeht und der das Gegenteil von diesem schüchternen Jungen ist.

Wie so ein Alter Ego, das sich einfach nimmt und forsch auf die Sachen zugeht. Das hat mich sehr beeindruckt."

Dashiell Hammett: Rote Ernte

Buchcover

Diogenes

Hammett, Dashiell: Rote Ernte. Aus dem Englischen von Gunar Ortlepp. Diogenes, Zürich 1975

"Rote Ernte ist ein ganz erstaunliches Buch, weil alles, was Hammett schreibt, eine unglaubliche Kälte hat. Man hat immer diesen Privatdetektiv für die Continental Versicherung, der unglaublich kalt agiert und oberflächlich gesehen gar nicht davon berührt zu sein scheint, dass links und rechts von ihm einfach Leute abgeknallt und in die Luft gesprengt werden und der nur völlig monomanisch am Fall dran ist. Das ist sehr amerikanisch und auf kalte Weise gewalttätig, aber auch unglaublich faszinierend und es sind sehr seltsame und geheimnisvolle Fälle. (...)
Es gibt die überwölbende Geschichte mit dem Gesamthandlungsbogen und alle fünfzig Seiten kommt die Sache zu einem bestimmten Abschluss, da wird schon mal was geklärt. (...)
Dashiell Hammett war ja selber Detektiv in einer Detektivagentur, in dem Fall kommt er nach Peaceville oder so, von allen immer nur Pissville genannt. Eine Stadt, die in der Hand des organisierten Verbrechens ist, weil der eigentliche König der Stadt, jemand, der dort die ganzen Fabriken usw. besitzt, seinerzeit den Mob reingeholt hat, um die streikende Arbeiterbewegung niederzuschlagen. Um also mit dem gewalttätigen Mob gegen streikende Arbeiter vorzugehen und die dann nicht mehr losgeworden ist. (...)
Er soll eben diesen Mob vertreiben und ständig passieren irgendwelche Morde, die er eben zwischendurch aufklärt und gleichzeitig beginnt er die Stadt zu säubern, indem er diesen Mob gegeneinander aufhetzt. (...)
Es sind eben keine Kriminalfälle, die nur eine Lösung haben, sondern wie so ein Gangsterfilmpanorama - so ein Riesenpanorama von Gewalt und Verbrechen in einer Stadt, in der es eben verschiedene Täter gibt und verschiedene Ebenen, auf denen die Sachen passieren. (...)
Das ist sehr interessant gemacht und sehr spannend, das kann man immer und immer wieder empfehlen."

Zum Nachhören

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