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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

15. 2. 2011 - 19:44

Die Auferstehung des Mülls

Die Müllberge in der EU sollen kleiner werden. Unter anderem, indem Weggeworfenes auf seine Wiederverwendbarkeit geprüft wird. Das Zauberwort heißt: Re-Using.

Wenn ich in Zukunft mit meinem alten Drucker zum Mistplatz komme, werde ich ihn nicht mehr zuerst zertreten und dann aus zwei Meter Höhe in eine Elektronikschrott-Tonne werfen. Nein, er wird mir von den Mistplatzbediensteten behutsam abgenommen, auf seine Funktion geprüft und dann gelagert, bis er der Reparatur zugeführt wird oder als Rohstoff bzw. Ersatzteillager einem weniger defekten Drucker zu Gute kommt.

So oder so ähnlich soll das ablaufen, wenn die EU-Abfallrahmenrichtlinie, die 2008 beschlossen wurde, ab heuer umgesetzt wird. Denn eine der wichtigsten Änderungen im Vorgehen der EU-Staaten bezüglich ihres Mülls ist, dass man sich auf eine Fünf-Stufen-Hierarchie geeinigt hat: Oberstes Gebot bei Abfall ist nach wie vor seine Vermeidung, danach kommt die Vorbereitung zur Wiederverwendung (also Re-Using) und erst dann das Gebot zur stofflichen Verwertung (also dem Recycling). Die beiden letzten und schlechtesten Stufen sind die Verwertung (z.B. Verbrennung zur Energiegewinnung) und die Beseitigung.

Diese Richtlinie soll nun in den EU-Ländern umgesetzt werden, in Österreich geschieht das über eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes. Über dieses sollen nun neue Aspekte in die Abfallwirtschaft eingebracht werden, sagt Umweltminister Nikolaus Berlakovich. „Recycling heißt, dass wir viel in den Stoffkreislauf zurückführen. Und Re-Use heißt das wir z.B. Geräte, die nicht ganz funktionieren aber reparabel sind, wiederverwenden, und nicht in ihre Einzelteile zerlegen.“

schrotthaufen

flickr.com/sneak046

So soll das nicht mehr aussehen

Wiederauferstehung des Mülls

RepaNet ist die Interessenvertretung von Sozialwirtschaftlichen Unternehmen, die sich mit der „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ von Weggeworfenem befassen.

RepaNet wurde vom Umweltministerium beauftragt, für Österreich einen Umsetzungsplan der Re-Using Richtlinie zu erarbeiten. Dabei wird die Bildung regionaler Netzwerke vorgeschlagen, Länder und Gemeinden sollen die Verantwortung dafür übernehmen, was wie wo weiterverwendet wird. Konkret soll das wie in eingangs erwähntem Szenario passieren: In den jeweiligen Altstoffsammelzentren oder auf den Mistplätzen sollen Lagermöglichkeiten geschaffen werden, wo wiederverwendbare Gegenstände auf ihre Wiederauferstehung in einem Reparaturbetrieb warten. Dieses Konzept läuft derzeit in Oberösterreich in einer Pilotphase und soll sukzessive auf die Bundesländer ausgedehnt werden. Dazu der Umweltminister: „Man muss das System etablieren, daher haben wir diese Dinge als Pilotprojekte gefördert. Damit man erst einmal sieht: Funktioniert das, wird das von den KonsumentInnen auch angenommen? Da geht es sicher auch erst einmal um Bewerbung und Bewusstseinsbildung.“

Den Europäischen Grünen geht das zu wenig weit. So meint Ulrike Lunacek, Abgeordnete im Europaparlament: „Was mir fehlt ist eine Trendwende, weg vom Wegwerfen hin zum Vermeiden. Dieser Paradigmenwechsel hat noch nicht stattgefunden.“ Das Umdenken in Richtung Wiederverwenden ist für Lunacek immerhin „ein Schritt in die richtige Richtung, nur der Schritt ist zu klein.“

Denn weder ein Plastiksackerlverbot noch eine Mehrwegsystem für Getränkebehältnisse sind in Österreich derzeit geplant. Umweltminister Berlakovich verhandelt diesbezüglich gerade mit Wirtschafts- und Arbeiterkammer, es wird gerade evaluiert, ob mehr Mehrweg in Österreich Sinn macht oder ob man andere Wege gehen wird, sagt er im Interview.

mülltrennung, boen mit gesammelten Dosen

flickr.com/nihonbunka

So sieht gutes Mülltrennen aus, zum Beispiel.

Und die KonsumentInnen?

Bei den KonsumentInnen setzen die oben beschriebenen Maßnahmen wenig bis garnicht an. Zwar soll es auch Aufklärungskampagnen geben, die über die Wiederverwertbarkeit der Geräte aufklären, und dazu anhalten, den alten Schreibtisch nicht zertrümmert im PKW anzukarren, sondern möglichst ganz und schonend zum Mistplatz zu transportieren. Aber wer jetzt schon den Müll sammelt und zu einem Altstoffsammelzentrum bringt, wird das weiterhin tun. Und wer sein/ihr altes Fahrrad in die Gstetten hinter dem Haus wirft, wird das wegen der Kampagne wohl weiterhin nicht anders machen.

Was sich für die KonsumentInnen langfristig ändern wird, ist das Angebot an gebrauchten Gegenständen. Das soll sowohl in der Quantität als auch in der Qualität steigen. Hier möchte man wegkommen vom Sammelsurium des klassischen Pfarrflohmarkts hin zu einer Professionalisierung, sagt Johanna Leutgöb von der Umweltberatung. Gebrauchte Geräte sollen nur repariert und geprüft wiederverkauft werden können, das wiederum bringt den KonsumentInnen von z.B. gebrauchten Elektrogeräten, eine gewisse Sicherheit, dass das, was sie da kaufen erstens funktioniert und zweitens sicher ist.

rusz

irmi wutscher

So sieht das im R.U.S.Z. aus, wo aus vielen alten Waschmaschinen wenige Neue werden.

(Sperr)-Müll, ein umkämpftes Gut?

Müll, oder zumindest das, was meist unter Sperrmüll firmiert, also alte Möbel, Hausrat, Elektrogeräte usw., sind durchaus ein umkämpftes, weil kostenloses Gut. Geht es nach RepaNet soll in Zukunft genauer geregelt werden, wem das quasi in den Schoß fallen wird und darf. Dass man sich am Altstoffhof einfach etwas mitnehmen kann, das dort herumsteht, das ist eigentlich jetzt schon illegal. Denn Abfall als Abfall muss seiner Bestimmung (Recycling etc.) zugeführt werden. Wenn Gemeinden an Einzelpersonen doch immer wieder weggeworfene Dinge abgeben, ist das rechtlich eher wackelig, meint Neitsch. Er würde gerne sehen, dass das geregelt wird und dass der Müll zur „Vorbereitung der Wiederverwendung“ (Sortieren/Säubern/Reparieren) sozialwirtschaftlichen Unternehmen zugeführt wird, damit diese ihn gezielt weiterverwenden können.

Ein bisschen geht es bei den neuen Re-Using-Bestimmungen wohl auch um Regelung der Anarchie auf dem Müllplatz: Es soll definiert werden, wer und in welchem Maße sich der weggeworfenen Güter bedienen darf. Und natürlich stehen handfeste ökonomische Interessen dahinter: Die Second-Hand-Branche ist ein wachsender Wirtschaftszweig, der sich zunehmend von seinem Schmuddelimage befreit hat und als schick und gleichzeitig umweltfreundlich und kostengünstig gilt. Schon heute könnten Second-Hand-Shops wesentlich mehr verkaufen, als sie Waren hereinbekommen, sagt Matthias Neitsch von RepaNet, und jetzt ist es an der Zeit, sich nach neuen Quellen umzusehen.

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Irmi WUtscher

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Der Second-Hand-Trend

Bezüglich des Trends zu Gebrauchtem und den steigenden Absatzzahlen sind sich der Umweltminister und die Europäischen Grünenn immerhin einig: Beide begrüßen ihn als ressourcensparende Alternative.

Umweltminister Berlakovich meint: „Ob das noch mehr wird, das hängt von den gesellschaftlichen Strömungen ab. Aber ich freue mich als Umweltminister, dass die Menschen nachdenken und nicht einfach irgendetwas kaufen. Sondern dass jede und jeder die Verantwortung wahrnimmt und sagt: ‚Ich überlege mir beim Einkauf was. Ich schmeiße nicht alles weg oder lasse auch etwas reparieren.‘“ Denn das schone Ressourcen und Energie, die zunehmend teurer werden.

Ein Ziel, das auch die Grünen gutheißen: „Ich bin eine, die sagt: Lieber die Sachen wiederverwenden oder reparieren anstatt wegwerfen“ meint Ulrike Lunacek. Denn das würde den Verbrauch ohnehin knapp werdender Ressourcen reduzieren. „Und da macht Wiederverwendung - über Second-Hand oder Reparieren - sehr wohl Sinn. Da mögen auch ökonomische Interessen dahinterstehen, aber mir ist lieber, die werden für Wiederverwendung eingesetzt, als Ressourcen zu verbrauchen und zu vergeuden.“