Erstellt am: 28. 12. 2010 - 15:11 Uhr
Between the years
Villagers "Becoming A Jackal"
(Domino)
Im Bright Eyes armen Jahr hat Conor J O´Brien aka Villagers eine grosse Lücke gefüllt. "Becoming A Jackal" ist eines dieser ausgeklügelten Folk Rock Alben, bei dem man sich nicht entscheiden kann. Elf Songs eilen melancholaunisch dahin und hinterlassen Gänsehautberge.
domino
Das Album beginnt mit dem vom Klavier & Klingelglöckchen getragene Opener Track "I Saw The Dead", in dem Conor O´Brien von angsterfüllten Existenzen und den dazugehörigen Zweifeln singt: "I got nothing to say" erklärt er und will zum passend dahinstampfenden Holzfäller Beat lieber gleich zeigen wo genau im Keller die Leiche begraben liegt. Mit dieser Tatort Beschreibung beginnt die poetische Schakalwerdung des Villagers: es wird gestanden, gefürchtet, geklärt, verreist, abgefertigt und gehofft: "Will you wake me when we´re almost half way...home!"
Das Material auf "Becoming A Jackal" hat der Ire Conor O'Brien als Notenblatt mit sich herumgeführt und innerhalb von zwei Monaten mit Freunden und Bandkollegen ausgeklügelt (vor allem die Streicher Arrangements. Wohl das einzige Instrument, das O'Brien nicht selber eingespielt hat).
Der musikalische Vervollständigungsprozess fand in vollkommener Abgeschiedenheit in einem Haus an einem irischen Küstenort statt, allerdings während Sturmwarnungen, also lieber das Haus nicht verlassen; einsperren, Songs fertigschreiben, Streicherparts arrangieren, viel essen und Bart wachsen lassen. Und hat nicht Bon Iver schon bewiesen, dass die Mixtur Isolation&Angst in hoffnungsvolle Sehnsucht umschlagen kann? Eben.
Für Fans von Bright Eyes, Bon Iver, Avi Buffalo, Frames, Sparklehorse, Tindersticks, Eliott Smith.
Perfume Genius "Learning"
(Matador)
Heute sind die Wunderkinder dran, die ihre Ausdruckskraft auf dem Klavier oder der Gitarre als Ventil der Erwachsenwerdung benutzen: Ob Conor O'Brien oder Mike Hadreas aus Seattle, der seine Schulzeit mit einem Joy Division Mixtape in der Hand absolvierte.
matador
"Mr. Peterson" heisst der Track, mit dem Mike Hadreas aka Perfume Genius einen bleibenden Eindruck bei Los Campesinos! hinterlassen hat, die ihm dann gleich zur ersten Singleveröffentlichung auf ihrem Label Turnstile Records verholfen haben. Das Debütalbum "Learning" ist ein verwundetes Skelett von einem Album.
Geschrieben, aufgenommen, als Tributeidee entstanden und zur Bandidee und Albumkonzept ausgearbeitet, als Perfume Genius auf Entzug war und wieder ins Elternhaus eingezogen ist. Die Songs sind Hommagen an die Menschen, die Perfume Genius vor, während und nach seiner Zeit auf Entzug kennengelernt hat. Mary, Perry, Mr. Peterson, der Bruder, die Schwester. Sie waren der kreative Stein des Anstoßes für Mike Hadreas, seine Erfahrungen und die eigene Anteilnahme in minimalistische Songformen zu packen und diese auf die Welt loszulassen. "The songs on the album are the ones I think are the most real. Even though some of them are directly from my experience – I always had everybody in mind!"
Kathartische Trauerspiele im Klaviertakt, das ist "Learning". "Lower than lo fi" schreibt Pitchfork und hat wieder mal recht, denn "Learning" ist ein wild bekritzeltes Testament einer Erfahrung an der man nur wachsen kann. Als HörerIn wird man Perfume Genius je nach persönlichem Pisa Ergebnis entweder verfallen oder das Album als "unfertig" abtun. Aber wer oder was ist schon fertig. Es ist doch noch nicht alles erfahren. Also aufsaugen und weiterschauen.
Für Fans von Casiotone For The Painfully Alone, Soap&Skin, Magnetic Fields, Chris Garneau, David Lynch.
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