Erstellt am: 20. 8. 2010 - 09:27 Uhr
Von Muse geküsst
- Der FM4 Frequency Videoblog: Das Festival in bewegten Bildern
- Von Muse geküsst: Eine gewohnt opulente und doch ungewohnt zurückhaltende Headlinershow der Briten Muse als Krönung des ersten Tages.
- Fuck the Pain away, for real: Pulled Apart By Horses, The Cribs, Peaches, Shout out Louds, Skunk Anansie, NOFX
- Party bis zum Delay: Kommando Elefant, Get Well Soon, Mumford and Sons, Hot Chip, La Roux, Jan Delay
- Campwalk: Das FM4 Frequency Festival als Ausstellungsfläche verschiedener Kunst- und Lifestylerichtungen.
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Es muss jetzt ganze zehn Jahre her sein, dass ich Matthew Bellamy zum ersten Mal sah. Der damals recht schüchterne Gitarrist und Sänger von Muse schlenderte am späten Nachmittag durchs leere Flex, in dem sie an diesem Abend ihr Debüt "Showbiz"präsentierten. Damals ahnte noch niemand, welche Ausmaße ihr kometenhafter Erfolg annehmen würde. Ausverkaufte Hallen mit einer Heerschar an Fans, soweit das Auge reicht, wie das Video zu "The Resistance" eindrucksvoll zeigt.
Dominique Hammer
Ein fast ähnlich beeindruckendes Bild bietet die Headlinershow am FM4 Freuqeuncy am ersten Abend, als Matthew Bellamy zusammen mit Schlagzeuer Dominic Howard und Bassist Christopher Wolstenholme die Bühne betritt. Mode scheint auch bis heute nicht das große Ding des Trios zu sein. Ein Camouflage-Nadelstreif, ein schwarz-weiß-gestreifter Sträflingspyjama und ein silberner Seetang-Maki-Anzug mit Radlerhose zeugen nicht unbedingt von gutem Design-Geschmack. Aber das tut der visuellen und musikalischen Darbietung von Muse keinen Abbruch. Im Gegenteil. Irgendwie passt das trashige Outfit hervorragend zur restlichen Bühnenshow, die eindrucksvoll mit Stummfilmsequenzen beginnt, zwischengeschnitten mit Wochenschau-ähnlichen Doku-Szenen von Labormäusen und dazwischen immer wieder die drei Musiker in geheimnisvolles Licht getaucht.
Dominique Hammer
Das Wort 'Hypnosis' flimmert über die wabenförmigen, grobmaschigen Projektionsflächen, die an eine moderne Dalli-Dalli-Ausstattung erinneren. Auf ihnen spiegelt sich das musikalische Universum von Muse wieder, wenn eine Legion von Cyborgs aufmarschiert, die kultigen Raumschiffe von Space Invaders die Welt zu retten scheinen oder Zeichen sich in grünen Schlieren zu einem riesigen Logo zusammenfügen. Willkommen in der Muse-Matrix!
Die Schlagzeugbecken zischeln über die Köpfe des staunenden und gleichzeitig ekstatisch springenden Publikums hinweg. Die Gitarren sägen sich in die Gehörgänge und der tiefe, oft verzerrte Bass drückt in die Magengrube. Mit Live-Keyboarder, der zusätzlich sowohl Gitarren als auch elektronische Spielereien beisteuert, ist der Gesamtsound druckvoll wie eh und je. Noch kompakter scheint die Band zu sein, seit sie mit "The Resistance" auf eine nicht enden zu scheinenende Tour gegangen sind. Weder abgespielt noch demotiviert, sondern frisch und spielfreudig wirken Matthew, Dominic und Christopher, wenn auch die Show super slick durchgestylt ist.
Dominique Hammer
Von Beginn an wird richtig geklotzt. Ein Hit nach dem anderen servieren uns Muse mit gewohnter, technischer Fertigkeit. Selbstsicher wird zwischen 'Absolution', 'Black Holes and Revelations' und 'The Resistance' hin und her geswitcht, wobei alle Songs ein metallisches 80er-Jahre- Feeling verpasst bekommen. Passend zu der für Muse Verhältnisse recht reduzierten Darbietung wird der virtuose Rockaspekt zurückgeschraubt und der synthetische Klang in den Vordergrund gerückt. Zwar lassen Muse dieses Mal nicht ein UFO landen (das noch dazu aus Versehen eine Slayer Liveübertragung zusammenbrechen ließ), doch steht diese detaillierte und versierte Licht- und Bildershow der Band extrem gut zu Gesicht. Alles scheint zwar opulent in Szene gesetzt, doch lang nicht so überfrachtet wie es früher der Fall war. Dementsprechend - und das ist wohl das Schönste an dieser Headlinershow - 'zurückhaltend' ist Matthews Gesang, der im richtigen Augenblick und dann auch nur so lange wie nötig die emotionalen Höhepunkte in gewohnt leidender Manier zum Ausdruck bringt. Selbst Songs wie 'Hysteria' oder 'Time Is Running Out' werden nicht mit übertrieben weinerlichem Timbre intoniert - ein Stilmittel, das Bellamy schon des Öfteren zur nervlichen Zerreißprobe hat werden lassen - sondern dosiert und dadurch effektvoll vorgetragen.
Dominique Hammer
Es scheint fast so, als hätte das fantastische 'Undisclosed Desires' einen Knopf aufgehen lassen, was Instrumentation, Arrangement und Gesangsstil betrifft. Überhaupt sind die Stücke von 'The Resistance' der Dreh- und Angelpunkt der Show, auch wenn 'Starlight' und 'Supermassive Black Hole' die Masse zum Beben bringt. Der Grundton hat sich verändert, ist ruhiger und dadurch zugleich intensiver geworden. Schließlich kann man nicht immer das Gaspedal voll durchtreten, egal ob mit solistischen Ausflügen oder pathetischen Harmonieteppichen, die von Muse gerne ausgerollt werden. Eine gute und mit ihrer recht offensichtlichen Queen Referenz witzige Möglichkeit, die ruhigen und hymnenhaften Seiten in eine neue Form zu gießen, ist 'United States Of Eurasia'. Visuell wiederum wirkte die Nummer mit seinen verwaschenen Kriegsszenarien, die in einer Gegenüberstellung Europa-USA gipfeln, wie von Jerry Bruckheimer inszeniert. Großes Popkornkino eben.
Dominique Hammer
Live vom FM4 Frequency
Konzertmitschnitte des gestrigen Tages und von heute: mit Muse, LDC Soundsystem, We Are Scientists und mehr
Freitag, 20.8. 19-22 Uhr
Manche Boulevardblätter würden nun behaupten, solche Veränderungen wären durch Bellamys neue Muse herbeigeführt worden, ich glaube vielmehr, dass es sich hier um einen Reifungsprozess handelt. Vielleicht haben sich die drei auch ein bisschen etwas bei Wayne Coyne abgeschaut, was die Gag-Einlagen betrifft, denn gegen Ende mit dem Einritt der 'Knights of Cydonia' wirbelten riesige Luftballons mit aufgedruckten Augen über das Publikum hinweg.
Wie auch immer, das britische Trio zeigt sich heute auf alle Fälle durchwachsener und gleichzeitig stimmiger denn je. Und vielleicht hat das alles ja auch mit der Liebe zu tun. Ich halte es, was das Muse Konzert betrifft, gerne mit Hans Rosenthal:
Ich bin der Meinung, es war ... SPITZE!
Dominique Hammer