Erstellt am: 10. 9. 2009 - 21:30 Uhr
FM4 Award für Kreisky
Amadeus neu
Ein kleines erstes Fazit von Martin Blumenau im Journal '09: 11.9.
Alle Kategorien
Alle anderen Sieger der anderen Kategorien wie z.B. Soap&Skin für Alternative, Texta für HipHop, Bunny Lake für Elektronik gibts hier:
- Bestes Album: HERBSTROCK
- Bester Song: VERA
- Musik-DVD: SEMINO ROSSI
- Alternative/Rock: SOAP & SKIN
- Electronic/Dance: BUNNY LAKE
- Hard & Heavy: THE SORROW
- HipHop/R'n'B: */TEXTA
- Jazz/World/Blues: DIE STROTTERN
- Pop: ANNA F.
- Schlager: DIE SEER
- Volkstümliche Musik: MARC PIRCHER
- FM4 Award: KREISKY
- Award für Lebenswerk: HANSI LANG
Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter! Ich muss zugeben, dass ich etwas überrascht bin: Kreisky haben sich durchgesetzt. Gegen den Kunsthype um das enigmatische Wunderkind Soap&Skin, gegen die seit Jahren zuverlässige Rockband The Base, gegen das innovative St. Pöltner Pop Experiment von I Am Cereals und sogar gegen den (meinen) heimlichen Favoriten, die zu Internationalität und Professionalität in der Melancholie gereiften ALASAC .... ER ist runtergekommen, auf a Schalerl Kaffee und gleich dageblieben.
Trotz zusätzlicher Nominierung in der Album und Alternative/Rock Kategorie hat sich die FM4 Community dafür entschieden, der oberösterreichischen Rockband Kreisky den heurigen FM4 Award beim Amadeus zu verleihen.
Ingo Pertramer
Was soll man zu Kreisky noch sagen?
Ich sagte es schon und zitiere mich selbst:
"Kreisky sind ernst. Ernst, zornig, fesch und cool, wie sonst nur ihre Vorbildbands Birthday Party, The Fall und Make Up. Sie haben mit 'Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld' die vielleicht grimmigste Deutschrockplatte geschaffen, seit es "Mutter" nicht mehr gibt. Franz Adrian Wenzls Texte kreisen (parallel, aber anders gelagert als bei besagter Kunstfigur (Austrofred, Anm.)) um die Themengebiete Freiheit uund Eingesperrtsein, provinzielle Großmannssucht, Avantgarde versus Tradition, selbstzufriedenes, österreischisches Kleingeistertum."
Kreisky Live:
- 11. 09. - Hollabrunn, Alter Schlachthof
- 12. 09. - Wien, 'sHäferl Benefiz
- 15. 10. - Wien, Flex w/ Hangmas (HU)
- 16. 10. - Leoben, Kulturkeller w/ Fresco
- 17. 10. - Oslip, Cselley Mühle w/ Fresco
- 24. 10. - Steyr , Röda
- 25. 10. - Pölfing-Brunn, Kultursaal
Was möchten Kreisky denn noch alles? Ihr Sänger ist in seinem Neben-Kunstprojekt Austrofred nicht nur die witzigste und überzeugendste Kunstfigur des Landes mit dem besten Buchtitel des Jahres, "Ich rechne noch in Schilling" - wie kann man sich besser und hinterlistiger als volksverbundene Figur bei den ÖsterreicherInnen einhauen? - er kann von diesem Nebenhype völlig unbeeindruckt auch auf der ernsten Seite des Rrrrock kleine, überzeugende Dramen wie "Glitzer" oder "Dow Jones" schreiben und Kreisky können das mit der richtigen Mischung aus Groove, Verve, Druck und Grant spielen.
Ihr instrumentales Nebenprojekt "Mord" hat die vielleicht letztmögliche echte Avantgarde-Adelung erfahren, indem die Kraut und Prog-Fans mit dem großen Damo Suzuki spielen dürfen. Kreisky-Videos, vor allem "Asthma" und "Jaqueline", erinnern an große Musikvideotage: Einfach, selbstgemacht und doch hineinziehend, die Umsetzung von Musik und Text in Bild, in der besten 80er Diskursrock-Tradition.
Was soll man Kreisky noch für einen Rat geben? Zu perfekt ausgedacht und umgesetzt ist hier das Paradigma "kluge Band", zu überzeugend ist die Hochzeit von schwer rollenden Rockbeats und einer klagenden Rezitativstimme, das Pendeln zwischen internationalem Politrock und österreichischem Schmerzdetail, die Balance zwischen faulem Zynismus und schneidender Expression. Weitermachen, denk ich. Mehr "Glitzer", mehr "Asthma", mehr Inszenierungen als slicke New Wave Anzugträger, mehr Butthole Surfers-Fotomontagen am Cover, mehr Kreisky.
Das nur nebenbei: Warum der Lifetime Award zum zweiten mal einem - zugegeben großen, aber - toten Künstler verliehen wurde, wo doch einer der größten österreichischen Liederschreiber des letzten Jahrhunderts soeben - mit dem Erscheinen seiner Autobiographie - seinen fröhlichen 87. Geburtstag feierte, ist mir ein kleines Rätsel.
Wäre ich mutiger, würd ich sagen, sie könnten sich in "Kreisler" umbenennen und dem lebenden Künstler huldigen, dessen österreicherisches Zynikermodell als eines der Wenigen dem von Kreisky ebenbürtig ist.
Was soll man dieser Band noch wünschen? Abgesehen von der Weltherrschaft: Wenn diese Geschichte jetzt noch im restlichen deutschen Sprachraum funktioniert, wäre eine Anforderung erfüllt, die auch diesen kleinen, letztlich auf die FM4 Community und ihre Ausfransungen beschränkten Preis endgültig rechtfertigen würde. Denn auch Deutschland hat - seit es die Kastrierten Philosophen und Mutter nicht mehr gibt und Rocket/ Freudenthal immer noch unverdient unterhalb der Wahrnehmungsgrenze werkeln - keine solche Rockband.
Wir gratulieren Kreisky zum FM4 Award 2009!