Erstellt am: 11. 9. 2009 - 17:04 Uhr
Journal '09: 11.9.
Amadeus neu
Kreisky gewinnen den FM4 Award 2009. Eine Huldigung von Boris Jordan.
Alle Kategorien
Alle anderen Sieger der anderen Kategorien wie z.B. Soap&Skin für Alternative, Texta für HipHop, Bunny Lake für Elektronik gibts hier:
- Bestes Album: HERBSTROCK
- Bester Song: VERA
- Musik-DVD: SEMINO ROSSI
- Alternative/Rock: SOAP & SKIN
- Electronic/Dance: BUNNY LAKE
- Hard & Heavy: THE SORROW
- HipHop/R'n'B: */TEXTA
- Jazz/World/Blues: DIE STROTTERN
- Pop: ANNA F.
- Schlager: DIE SEER
- Volkstümliche Musik: MARC PIRCHER
- FM4 Award: KREISKY
- Award für Lebenswerk: HANSI LANG
Ein paar der anwesenden Branchen-Oldies waren nicht unbedingt begeistert. Zum einen, weil (in Abwesenheit einer Starmania-Saison) die Fake-Pop-Abteilung fast völlig draußen war, zum anderen, weil die (durchaus existente) Bauern-Disco/Schlumpf-Techno im Bereich Electronica keine Würdigung fand.
Dem größeren Teil des restlichen Publikums war aber wohl genau das ein Stoßgebet wert.
Und: Das ganz ist ja keine unerhörte Revolution von unten, einer Indie-Basisgruppe oder sonstwem wilden, sondern eine auf dem Mist der Musikindustrie, der Interessensvertretung der Major Labels gewachsene Reform.
Und so wurde der Amadeus 2009 zu einem Showcase für recht klar definierten Pop, alle möglichen Underground-Spielarten und schlagernde Volksmusik. Die Pop-Halbwelt dazwischen, die fehlte halt. Doch einigen. Vor allem natürlich der Industrie, die mit diesen kurzlebigen Hypes ihr wichtigstes Geld verdient.
conny.at
So kam die Umkehrung dann ein wenig abrupt. Hatte man früher den Auftritt des FM4-Award-Gewinners als meist einzigen bunten Falbfleck in einem recht monochromen Menü, und konnte das deswegen leicht lässig finden, ist man nunmehr mit einer breiten Szene-Phalanx konfrontiert, die Durchblick und Beschäftigung erfordert und nicht mehr nach den simplen Industrie-Mechanismen einzuordnen ist.
Abrupter Turnaround
Aber wie gesagt: die Verwirrten waren ein paar Genre-Dinos (egal welchen Alters) und der (bewusste) Verwirrer ihr eigener Dachverband.
Was das alles für die Zukunft heißt?
Keine Ahnung.
Ein paar Gedankenbrösel zu dieser Veranstaltung vielleicht demnächst hier...
Die vom Indie-Zusammenschluss AMAN zu einer kurzen, bewusst gestern angesetzten Music Convention eingeladene Chefin der "Tallinn Music Week" war von dem übergreifenden Genre-Mix-Wahnsinn ebenso überfordert, wie sie es in früheren Jahren mit dem Plastikpop-Einerlei gewesen wäre. Nur halt auf einem anderen Niveau.
Natürlich ist es absurd, die in eine älplerische Kunst-Variante von Grufti-Gwand gehüllten Seer zu sehen oder einem Übergang vom mit Rockgitarren begleiteten volkstümlichen Quetscher Andreas Gabalier zum Rap-Rebellen Kamp beizuwohnen.
Klar ist unklar, wovon diese Anzug&Krawattenheinis von Kreisky da in ihrem Lied erzählen, und warum die weißplateaubeschuhte Haarfee in ihrer Dankesrede gar nichts sagte.
Witze, die heute schon ihre Pointe verloren haben.
Und die vielen Jermaine Jackson-Witze sind Nicht-Wienern auch schwer erklärbar.
Die Augen der erwähnten Helen Sildna leuchteten allerdings, als sie die Metalistas von "The Sorrow" sägen und headbangen sah - das kommuniziert international.
Und es gefällt auch Figuren wie mir, die sich kein Metal-Konzert anschauen, keine CD anhören würden, sich aber gern einem überzeugendem Auftritt aussetzen - wer auch immer ihn tätigt. Das war in der Vergangenheit so gut wie nie der Fall - die Risken wurden so übervorsichtig abgewägt, dass die potentielle Kreativität gleich miterstickt wurde.
conny.at
Sich weniger wichtig nehmen...
Das war, und das merkt man erst in retrospect, ein großer Hemmer: das "sich zu wichtig nehmen". Das hat wiederum damit zu tun, dass die Musikindustrie sich selber in eine Art Rechtfertigungsgeiselhaft genommen hatte und ihre Bedeutung dementsprechend brachial nach außen stülpen wollte. Was natürlich die übergroße Gefahr, die eigene Provinzialität mehr auszustellen als geplant, beinhaltet.
Das alles ist jetzt weggefallen. Nicht nur, weil Moderator Michael Ostrowski die Ironisierung/Verarschung schon teilweise over the top betreibt. Sondern weil Roughness einem solchen Spektakel einfach besser zu Gesicht steht als rotwangige Aufgeregtheit - als gelte es wie ein Blumenmäderl der Königin ein Gedicht vorzutragen.
Dass die IFPI, die Industrie sich in diesem (schlechten) Sinn jetzt weniger wichtig nimmt, ist ein gutes Zeichen; bedeutet vielleicht sogar ein Einlenken was die neuen Realitäten, die neuen Verwertungs-Strukturen, die neuen Wertschöpfungs-Ketten betrifft. Es ist kein Blocken in Abwehrhaltung, sondern ein "Sich-Einlassen" auf das Neue, so "oag" es auch sein mag.
conny.at
Wenn man sich zu diesem Behufe auch mit einer Szene ins Bett legt, die ich gut finde, dann kann ich schwerlich dagegenargumentieren. Dass Texta (endlich! Quasi-Lebenswerk! Christoph Moser-Widmung!) und Bunny Lake (die wegen Fuchsens FM4-Zugehörigkeit nie einen FM4-Award bekommen können), dass Soap&Skin und Kreisky ihren Preis bekommen haben, das ist sinnhaft, weil derlei sich vor allem beim wichtigen Export-Zweig der Musikbranche (der alle, auch die kleinste Pimperlband gleichermaßen betrifft) gut auf der Visitkarte macht.
... und sich einlassen
Den diversen Schlumpfen-Cowboy-Joes, den Bieder- und Ballermännern der Szene, die ihre Massenware sowieso gut verkaufen, auch noch Preise in den Hintern zu stopfen, hatte vergleichsweise gar keinen Sinn; es war immer peinlich für die Musiknation Österreich, wenn ein Musikpreis an sowas wie DJ Ötzi geht. Diese Flurschäden sind jetzt teilbereinigt.
Die Party, immer wichtigster Teil des inoffiziellen Branchentreffs, dafür berühmt, dass sich Menschen zu später Stunde bislang unausgesprochene Wahrheiten sagen, war auch gut. Kein Super-Buffet mehr, nur alkaufsaugendes Fingerfood, das aber im gut gestalteten Ambiente.
Auch wenn die Ötzis und Wickie-Trittbrettfahrer nächstes Jahr eh wieder dabeisein und absahnen können: Die Tür für gutklassige Genre-Qualität ist offen. Den Fünf Metal-Bands, den fünf HipHop-Crews, den fünf Electronic-Artists, den fünf Alternative-Acts kann das wurscht sein.
Diese Diversifizierung, diese Verbreiterung (die den neuen, zersplitterten, spezialistischen Markt widerspiegelt) ist das Verdienst des neuen Amadeus.
Wenn man sich für 2010 auch die etwa halbstündige Mühe macht, eine Liste mit potentiellen und unpeinlichen Laudatoren zusammenzustellen, anstatt sich hier (noch im alten Modus) zu Tode zu fürchten und so Ostrowski davor freizuspielen, allzu viel über Musik reden zu müssen, dann wird alles noch viel besser. Und lustiger. Und vielleicht auch durchmischter, wenn sich die Stürmers jetzt auch ein bissl mehr anstrengen müssen, gefühlt zumindest.