Erstellt am: 27. 5. 2009 - 14:40 Uhr
Journal '09: 27.5.
Die erste Mitteilung stammt nicht von mir, sondern entspringt einem Gast-Kommentar des scharfzüngigen Medien-Kommentators Terence Lennox (ein Pseudonym einer Zelle von Medienkritikern, der auch Manfred Klimek angehört), der zum zehnjährigen Jubläum von derStandard.at/Etat, Österreichs schandbarerweise immer noch einzig relevanten Berichterstattungs-Zentrale zum Thema Medien, verfasst wurde. Vor einer Woche wurden Lennox und andere angehalten, das Etat-Ressort für einen Tag zu übernehmen - dabei kam Einiges raus, unter anderem auch der Text Traurige Tropen.
Mitteilung 1:
Klimek sagt da unter anderem:
Print ist tot. In den Vereinigten Staaten, in Frankreich und Spanien, ansatzweise auch in England und Deutschland ist das spürbar. ...
Das ist ein Bruch.
Ihre Arbeitslosigkeit hat nicht nur mit dem Technologiewandel und mit der Finanzkrise zu tun, aber beide beschleunigen eine lang sichtbare Entwicklung. Der Journalismus wurde vor Jahren von Kapitalgebern übernommen, die nur auf Rendite achten und dabei von der Ethik labern, Heuchler, die ihren Lakaien in den geschäftsführenden Chefetagen und befreundeten Beratungsunternehmen fette Summen auszahlen, den Journalismus aber konsequent aushungern. ...
Besitzstandwahrer, die nicht begreifen, was (und wem) die Stunde geschlagen hat. ...
Natürlich gibt es Neues.
Auch bei den Printmedien.
In Österreich gibt es Datum und Fleisch. Doch diese beiden hoch gelobten Blätter sind nur eine Art Selbstbefriedigung. Und sie wenden sich an eine lesende Elite, die diese Marktbereicherung eher gelangweilt aufnimmt. Leser aber wären dort abzuholen, wo man nicht gerne hinsieht, in der Pfui-Gack-Ecke der rechtslastigen, einfachen Schicht, die längst nicht so blöd ist, wie man sie für blöd hält. ...
Zeitung, jedes erfolgreiche Medium, muss das Lebensspektrum erweitern und auch eine Idee für ein Design of Life geben.
Das ist künftig und meiner festen Überzeugung nach die einzige Möglichkeit, ein Printmedium in der Gesellschaft zu verankern.
Viel Geld wird man damit nicht mehr verdienen.
Aber es gibt eben nicht nur Printmedien, geschriebene Wörter kommen mit dem Technologiewandel schnell und ohne Türsteher zu den Konsumenten.
Ob das Neue ein Geschäftsmodell sein kann, lässt sich heute nicht schlüssig beantworten. Diese Zeilen jedenfalls sind nicht bezahlt worden.
Freiheit, Meinungsfreiheit, Publikationsfreiheit, ist auch die Freiheit, sich zumindest ansatzweise jene Gesellschaft zu zimmern, in der man Leben will. Mit dem Wegfall der exorbitanten Kosten für Druck und Vertrieb kommt die Möglichkeit publizistischer Freiheit in immer mehr Hände. Hier gilt es, früh dran zu sein, seine Marke zu etablieren.
Ein paar Vorreiter haben das begriffen, etwa Robert Misik, der einen hervorragenden Meinungsblog führt und auch die Möglichkeiten von Bewegtbild begreift. Oder Martin Blumenau, der unter dem öffentlich-rechtlichen Mantel jene Artikel verfasst, die ein Feuilleton beglücken sollten, wenn es in Österreich jemals so etwas wie ein Feuilleton geben darf. Dass es nur so wenige begreifen (in Deutschland sind es vergleichsweise auch nicht viele mehr) liegt an einer Nostalgie, die der Kernkompetenz das Grab schaufelt. Weder Blumenau noch Misik verdienen mit ihrem Blog Geld, sie beziehen ihre Einkommen aus anderen Quellen, alten Quellen, die nicht von heute auf morgen austrocknen.
Der Journalist, der morgen erfolgreich sein will, muss sich klar sein, dass dieser Erfolg ihm höchstens die Lebenskosten zahlen kann. Der Verleger, der morgen erfolgreich sein will, muss sich klar werden, dass er irgendwann seine Druckmaschinen abschalten muss. Beide sitzen im gleichen Boot, der Lotse ist von Bord gegangen, kein Hafen in Sicht. Beste Gelegenheit, sich neu, alles neu zu erfinden.
Mitteilung 2:
Leser Thomas schreibt kürzlich folgendes:
lieber martin,
ich lese deine einträge regelmäßig mit begeisterung - hab sie seit dem restart der homepage auch per rss abonniert. und genau darum gehts: magst du deine überschriften der einträge nicht etwas treffender formulieren? so dass ich beim lesen derselben schon merke, worum es im beitrag eigentlich geht. wenns mich interessiert, les ich es und sonst eben nicht. wär (für die leserInnen) halt entgegenkommender.
gruß, thomasde
Lieber Thomas!
Nein, mag ich nicht.
Und zwar mit voller Absicht.
Mir geht es in fast jedem einzelnen Eintrag des Journals (und genauso in jedem einzelnen Eintrag des Fußball-Journals) darum, über ein klar abgestecktes Verhandlungs-Gebiet hinauszudenken und hinauszuschreiben.
Ich habe kein Interesse daran, dass bei einem womöglich noch klarer ausgewiesenen Film-Thema dann nur die reinlesen, die sich für Kino oder Cannes interessieren, wenn es mir eigentlich mehr um ungesunden/doofen Patriotismus geht.
Ich habe kein Interesse daran, etwa eine recht komplexe Verflechtung von Hedonismus, erschöpfter Selbstaufgabe und politischer Wehrlosigkeit unzulänglich in eine eh nur verwaschen klingen könnenden Titel-Unterzeile einzupacken, wenn das Wort Körper eigentlich viel mehr aussagt. Und zwar für den, der es dann gelesen hat - oder sich sogar (im besten alles Fälle) zu einer Gegenrede aufrafft.
Denn, Thomas, der Leser, der glaubt, dass sich die wesentlichen Dinge des Lebens trennen lassen wie Spreu und Weizen, der unterliegt dem Irrtum, den auch die klassische Print-Produktion mit ihren überholten Ressort-Grenzen als Mühlstein mitschleppt.
Diese pickyness (nur das lesen, wo dich der Ansatz oder das Thema interessiert) würde dir so passen (ist von deiner Seite betrachtet auch legitim, Zeitökonomie etc).
Bloß: Mir passt das nicht.
Ich will, dass du, obwohl du dich nur für Popkultur-Themen interessierst, dich auch auf die gesellschaftspolitischen Überlegungen einlässt. Weil die die Popkultur nämlich sowieso definieren.
Ich will, dass du, obwohl du dich nur für politische Themen interessierst, mittels meiner Referenzen auch ein popkulturelles Instrumentarium mitbekommst, das dich stilsicherer und somit zu einem klügeren Menschen macht.
Ich will dich, obwohl du dich nur für Fußball interessierst, dazu zwingen, die wesentlichen ökonomischen und politischen Zusammenhänge, die diesen Sport ausmachen (vor allem hierzulande), gefälligst anzuschauen.
Ich will, dass du, dem Fußball ganz egal ist, diesen Mikrokosmos des Irrsinns als anschauliches Beispiel für sonst schwerer zu Durchschauendes vorgeführt kriegst.
Ich will das Denkfutter (thanks, Riem!) nicht vorportionieren.
Und deshalb setz' ich weder im Titel noch sonstwo überdeutliche Flaggenzeichen, um was es jetzt ganz genau geht, und wer quasi wegen Desinteresse vom Lesen befreit ist.
Dazu ist mir mein Ding viel zu ganzheitlich.
Mitteilung 3:
Ich beschäftige mich seit Ewigkeiten mit der Doping-Problematik; vor allem mit der im Radsport. 2005 stand in einem Journal vom Juli (Tour de France, Ö-Rundfahrt...) Folgendes:
Gedopt wird in einer Menge Sportarten wahrlich flächendeckend: Die gesamte Leicht- und Schwer-Athletik, der gesamte Radsport, in harmloserem Umfang auch der Schwimmsport, auch der Pferdesport, praktisch alles, vor allem in Einzelsportarten ist dem minutiös geplanten Doping untergeordnet.
Die Postings der alten Site sind nicht mehr vorhanden - aber der Sturm der Entrüstung (Kann man doch nicht so pauschalisieren! Nestbeschmutzung! Hexenjagd!), vor allem weil ich immer Lance Armstrong genannt habe (Klagbar!) war enorm. Die Forderung nach Offenlegung der Quellen (juristisch unhaltbar) und anderes Gezeter von unabsichtlichen und bewusst agierenden Lobbyisten war seitdem ein ständiger Begleiter, auch in den Folgejahren, in denen ich diesen offensichtlichen und unverschämten Betrug immer thematisiert habe.
Vor allem der Begriff "flächendeckend" wurde immer und immer wieder kritisiert - das könne man doch so nicht sagen, unmöglich wäre das.
Bis zuletzt hielt sich das Märchen der sauberen Ausnahmen.
Alles Lüge.
Man kann.
Man muss sogar.
Weil flächendeckend betrogen wird, umfassend und systematisch, von einem gesamtem Sportsystem samt angeschlossener medizinischer Industrie.
Nicht um aus Bernhard Kohl einen Helden zu machen, weil er das, was alle wußten und wissen, jetzt deppensicher und sehr öffentlich ausgesprochen hat.
Sondern um die rasende Naivität jener, die dann zu Furien werden, wenn der Bereich, in den sie sich vergafft haben, zusammenbricht, und die PR-Tandler, die aus absurden Gründen (Meist Bequemlichkeit) ein Neudenken prinzipiell ablehnen, bloßzustellen; und um zu verhindern, dass sich dieses hysterische Fantum samt Verdammung jeglichen kritischen Ansatzes gesellschaftlich breitmacht.
Da hilft nur Radikalität - und zwar flächendeckende.