Erstellt am: 25. 5. 2009 - 18:12 Uhr
Journal '09: 25.5.
Folgendes ist Fakt: Ein viel in Frankreich arbeitender Österreicher gewinnt mit einem hauptsächlich von Deutschen, aber auch anderen kleineren Mitfinanzierern produzierten Film den Hauptpreis der Filmfestspiele in Cannes.
Und ein in Wien geborener, auch in Deutschland und den USA ausgebildeter und jetzt in London lebender Schauspieler gewinnt den Preis als bester Darsteller.
Folgendes passiert: Es entwickeln sich neben dem üblichen Heiße-Luft-Blabla zwei ernstzunehmende Diskussionen.
Die einen nehmen diese eigentlich komplett handelsüblichen international durchsetzten Biographien zum Anlass, sich mit der Problematik von Filmproduktion, vor allem in Österreich, zu beschäftigen.
Die anderen nehmen den neumodisch-globalisierten Wirrwarr zum Anlass, um zu reklamieren: Nämlich für sich und ein Konstrukt namens Nation.
Es gibt Bereiche, in denen nationale Grenzen recht klar abgesteckt sind: Nehmen wir den Fußball. Da gibt's nationale Meisterschaften, in einer Ebene drüber dann europäische und in noch einer drüber globale. Die Durchdringung ist komplett: Jede Liga greift auf alle Spieler dieser Welt zurück. Da aber Fußball an einen Standort gebunden ist, braucht es auch ein regionales bzw. nationales Verwertungs-Konzept samt Identifikations-Potential.
Nationale Film-Meisterschaften
Beim Film ist das anders.
Es mag so etwas wie einen "österreichischen Film" geben, der spielt aber nicht in einer Liga; der findet großteils nicht einmal im Land statt. Und die internationale Durchdringung, was Personal und Produktions-Budgets betrifft, ist vollkommen.
Es gibt zwar so etwas wie nationale Charts, also die Zahlen der Kino-Besucher - da Film aber eine internationale Ware ist, zählt das allein nicht viel.
Trotzdem wird bei Gelegenheiten wie diesen immer gern versucht, einen nationalen Aspekt aus Dingen rauszuzutzeln, wo er kaum vorhanden ist.
Das wiederum hat mit der alten Local-Hero-These zu tun; dass es nämlich immer jemanden braucht, mit dem der Identifkations-Grad hoch ist, um etwas medial zu verkaufen.
Deshalb war im Vorjahr die Schleimerei der Mainstream-Medien, die den österreichischen Film eher achtlos liegenlassen, so unangenehm umfangreich, als Stefan Ruzowitzky ins Rennen um den Auslands-Oscar ging und sogar siegreich blieb.
Deshalb gab es heuer, als Götz Spielmann ein vergleichsweise chancenloser Short-List-Kandidat für denselben Preis war, die Peinlichkeit nicht ganz so groß. Man konnte nämlich davon ausgehen, dass sich alle noch ans letzte Jahr erinnern würden, und musste nicht ganz so dick auftragen.
Wir warn Oscar!
Erfrischend unprätentiös ging die Öffentlichkeit dann mit dem Schauspiel-Hauptpreis für Birgit Minichmayr bei der Berlinale um - als wär man's schon gewohnt.
Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die drei genannten zwar allesamt (auch) im und fürs Ausland produzieren, aber sonst ganz deutlich als Österreicher kenntlich sind.
Das ist jetzt bei Michael Haneke und Christoph Waltz nicht so klar. Beim einen steht München als Geburtsort in der Bio, was dem deutschen Boulevard genügte, den Professor der Wiener Filmakademie einzugemeinden; und beim anderen sind die deutschen Rollen (Oetkert, Roy Black) und der Lebensmittelpunkt so überpräsent, dass er nur schwer als Österreicher zu erkennen ist.
HANS KLAUS TECHT/apa
Genau hier setzt dann das Arnold-Phänomen ein: Der Schauspieler-Gouverneur ist immer dann, wenn er was Lässiges gemacht hat "eigentlich" Österreicher, dann, wenn er jemandem die Todesspritze setzt, aber ein Ami. In der Geschichte kennt man das als Hitler/Beethoven-Abtausch.
Das mediale Spiel mit den Helden-Figuren
Diese Eingemeindungen und Fähnlein-in-den-Wind-Hängereien in Österreich gehören zum medialen Spiel mit den Helden-Figuren dazu, und weil man in Österreich mit dem Komplex der Minderwertigkeit seiner großen Söhne/Töchter lebt (zu Unrecht im Übrigen, in Relation sieht es gar nicht so schlecht aus), hat sich die hiesige Mentalität zu einer seltsam beleidigten Leberwurst geformt, die vor allem das nicht von anderen sehen will/ertragen kann, was sie selber dauernd tut.
Wenn nun der deutsche Film "Das weiße Band" (denn die ORF-Koproduktion fällt nicht ins Gewicht, dazu ist man ein zu kleiner Player) die goldene Palme gewinnt - klar wird dann genauso "Wir sind Palme!" geschrien wie voriges Jahr hierzulande "Wir sind Oscar!".
Und auch zurecht.
Und wenn ein paar Übereifrige den Herrn Haneke in Unkenntnis seiner zutiefst österreichischen Sozialisation (samt Jelinek und Bernhard) versehentlich oder absichtlich mit dazu nehmen - jomei aschowos; ein Sack Reis in China, oder?
Hier setzt dann aber ein seltsamer Reflex ein. Menschen, die patriotische Anwandlungen weit von sich weisen würden, Leute, die alles andere als Nationalisten sind, werden plötzlich so, wie sie immer von anderen, z.B. von Unterstützern von Fußball-Nationalmannschaften reden: Nämlich deppert.
Beginnen haarspalterisch zu argumentieren, Stammbäume aufzurechnen und verlieren das eigentlich Relevante völlig aus den Augen: Der Film, die Schauspiel- oder Regie-Leistung. Die ein bisserl unabhängig von Geburtsort, ja auch vom Ausbildungsstandort daherkommt. Weil der Film eben keinen Standort hat und nicht in einer gemeinsamen Liga spielt.
Politische Reflexe
Und genau hier sollte man zum anderen Diskussionsstang zurückkommen, und Ruzowitzky zitieren: "Man muss ein bisschen aufpassen, das als einen Triumph des österreichischen Films zu sehen. Es ist eher ein Beweis dafür, wo die österreichische Politik versagt. Haneke kann nicht in Österreich produzieren, weil hierzulande die Mittel dafür fehlten. Waltz könne nicht in Österreich spielen, weil immer weniger Kino- und Fernsehfilme produziert werden."
Film als Kulturträger im Land der hochsubventionierten musealen Festival-Kultur? Bloß nicht!
So gesehen ist es zwar schön, dass sich sowohl Kunstministerin als auch Kulturstadtrat in Cannes zeigten (ein früherer Vertreter hätte das, in Abwesenheit eines zu eröffnenden Riedel-Glases, nicht getan) - was wirklich Not tun würde, eine sinnhafte Verbesserung der österreichischen Filmförderung und eine Optimierung der Infrastruktur, bringt das noch nicht.