Erstellt am: 25. 4. 2009 - 18:14 Uhr
Zur Schuldemokratie
Der PISA-Boykott wurde mittlerweile übrigens erfreulicherweise für beendet erklärt.
Nachdem sich Bildungsministerin Claudia Schmied und Vertreter der Lehrergewerkschaft Montag Nacht endlich zu einem hart verhandelten Kompromiss durchgerungen hatten, musste sich die Österreichische SchülerInnenvertretung tags darauf einiges an Häme gefallen lassen. Man habe sich, so der zentrale Vorwurf, mit dem medienwirksam inszenierten Boykott der PISA-Studie von der Lehrergewerkschaft instrumentalisieren und politisch über den Tisch ziehen lassen. Denn tatsächlich beinhaltete die montägliche Einigung mit der ersatzlosen Streichung der schulautonomen Tage eine für SchülerInnen schwer verdauliche Maßnahme, während andere Forderungen - wie beispielsweise die Nichteinführung der von Schmied angedachten Zentralmatura - nicht einmal zur Sprache gekommen waren.
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- "Nicht mit uns" - Bessere Bilder von der Demo in Wien.
- "Nehmt uns ernst" - Ein Erfahrungsbericht von selbiger.
Eine politische Leistung
Zwar ist dies nicht gänzlich von der Hand zu weisen, aber in letzter Instanz halte ich diese Sichtweise für eher kurz gedacht. Denn auch wenn die Möglichkeiten zur Mitbestimmung für SchülerInnen im österreichischen Bildungswesen vergleichsweise umfassend und in vorbildlicher Weise gesetzlich verankert sind - sobald es um bundesweite, politisch heikle Entscheidungen geht, hat die BundesschülerInnenvertretung ein denkbar hartes Los. In der schnelllebigen, von dauernden Wahlkämpfen getriebenen politischen Realität sind die Wählerstimmen von SchülerInnen eine vernachlässigbare Größe. Überdies ist es einer Interessensvertretung, die systembedingt fast jährlich an allen relevanten Positionen neu besetzt wird, nur schwer möglich, über langfristige, kontinuierliche Arbeit politisches Gewicht zu erlangen. So gesehen ist es dem Team um Bundesschulssprecher Nico Marchetti - bei aller berechtigten Kritik - hoch anzurechnen, dass es in dieser Debatte gelungen ist, mit Auftritten in allen relevanten österreichischen Medien eine breite Öffentlichkeit auf die Interessen der SchülerInnen aufmerksam zu machen und letztlich auch Ministerin Schmied zu persönlichen Verhandlungen zu bewegen. Die am Donnerstag erzielte Einigung auf die de facto Wiedereinführung zweier schulautonomer Tage mag aus Sicht der meisten SchülerInnen kein Optimum gewesen sein - in jedem Fall war sie eine nicht zu verachtende politische Leistung.
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Nähere Informationen zum Aufbau der Österreichischen SchülerInnenvertretung finden sich hier und hier.
Schuldemokratie ist Basisdemokratie
Im öffentlichen Bewusstsein viel stärker mit dem Begriff Schuldemokratie verbunden werden aber wohl auch in Zukunft jene SchülerInnen sein, die sich der Sorgen und Nöte ihrer KollegInnen im unmittelbaren Schulalltag annehmen und dabei in gewisser Weise oft weitaus mehr Spielraum besitzen als ihre Pendants auf Bundesebene. Zwar sind die in einem unmenschlichen System der Unterdrückung groß gewordenen Alt-Nazis mit Lehrbefugnis dem heimischen Bildungswesen mittlerweile in natürlicher Weise abhanden gekommen, die Notwendigkeit engagierter Klassen- und SchulsprecherInnen mit Rückgrat und Steherqualitäten ist aber dadurch in keinster Weise zurückgegangen.
Denn wann immer man einer Lehrkraft das Scheitern einer Beziehung am Notenspiegel ablesen kann, LehrerInnen bestimmte SchülerInnen aus persönlicher, oberflächlicher Abneigung schikanieren, Tests und Prüfungen ohne Rücksicht auf Verluste zu Semesterende unnötig geballt angesetzt werden, oder ein/e LehrerIn den Unterricht auf Grund anderweitiger Interessen de facto verweigert, kann sich die SchülerInnenschaft in erster Linie nur selbst helfen. Insofern stimmt es mich bedenklich, bisweilen beobachten zu müssen, dass von Seiten der SchülerInnen die Möglichkeit, sich auch im eigenen Klassenzimmer politisch auf die Beine zu stellen, oft nicht ernst genommen wird.
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Schuldemokratie ist Sache der SchülerInnen
In meiner Zeit als Schüler der HTBLA Leonding beispielsweise war das alljährlich stattfindende Hearing zur Wahl des Schulsprechers meist nicht mehr, als eine von den SchülerInnen bewusst ins Lächerliche gezogene Jux-Veranstaltung mit dem tieferen Sinn, sich ein wenig Unterrichtszeit ersparen zu können. Waren in glücklichen Jahrgängen zumindest drei verschiedene Teams zur Wahl angetreten, so konnte es auch passieren, dass ein eifriger Schüler aus dem Publikum den einzigen Kandidaten zum Schulsprecher ernsthaft in eine Diskussion verwickelt hatte, ob es nicht möglich wäre, anstatt des Schulbuffets einen Lieferservice von McDonalds einzuführen. Als wirklich alarmierend aber empfand ich, dass weite Teile des Lehrkörpers offenbar ein größeres Interesse an einer funktionierenden SchülerInnenvertretung hatten, als die Betroffenen selbst. Schließlich kann ich mir keine zahnlosere politische Vertretung vorstellen als jene, um deren Fortbestehen sogar die Gegenseite ehrlich bangt.
In diesem Sinn also waren die letzten Tage gelebter SchülerInnendemokratie eine efreuliche Abwechslung. Und bevor ich hier mit einem langwierig pathetischen Aufruf zu schulpolitischer Partizipation schließe: Macht es einfach!